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Unleserliches Testament: Haftet Notar?

17.1.2025 – Erblasser müssen bei einer fremdhändig verfassten letztwilligen Verfügung vor drei Zeugen einen eigenhändigen Zusatz schreiben, dass dies ihrem letzten Willen entspricht. Sei dieser Zusatz nicht lesbar, müsse es für den Notar zumindest zweifelhaft sein, ob das Testament gültig ist. Der Klage wurde dem Grunde nach stattgegeben.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Ein im November 2018 verstorbener Erblasser hatte im Jänner desselben Jahres seine fremdhändig verfasste letztwillige Verfügung mit einer eigenhändigen Bekräftigung („Nuncupatio“) versehen. Das erste Wort war „Mein“, das zweite Wort dagegen gänzlich unlesbar.

Aufgrund dessen hatten die Gerichte das Testament als ungültig beurteilt, der Oberste Gerichtshof hatte den Revisionsrekurs dagegen zurückgewiesen. M.L., der damit als Erbe nicht zum Zug kam, fordert nun in einer Klage vom Notar Schadenersatz in Höhe von mehr als 1,1 Millionen Euro.

Das Erstgericht gab der Klage dem Grund nach statt, das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Notar legte daraufhin außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof ein.

OGH zur Haftung des Notars

In seiner rechtlichen Beurteilung geht der OGH einleitend auf die Pflichten eines Notars ein. Ein Notar sei zur sorgfältigen Führung seines Amtes verpflichtet und hafte persönlich für den Schaden, der durch eine Verletzung von Amtspflichten entsteht.

Nach § 1299 ABGB habe der Notar für den Fleiß und die Kenntnisse, die seine Berufsgenossen gewöhnlich haben und nach den sie verpflichtenden berufsrechtlichen Vorschriften der Notariatsordnung auch haben sollen, einzustehen, so der OGH.

Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht dürften aber nicht überspannt werden. Ein Verschulden im Falle der Behauptung der unrichtigen Anwendung gesetzlicher Bestimmungen sei nur dann anzunehmen, wenn das Auslegungsergebnis nicht mehr als vertretbar bezeichnet werden kann.

Änderungen durch Erbrechts-Änderungsgesetz

Laut dem Erbrechts-Änderungsgesetz 2015, das für ab dem 1. Jänner 2017 errichtete letztwillige Verfügungen anzuwenden ist, müsse ein Erblasser vor drei gleichzeitig anwesenden Zeugen neben seiner Unterschrift eigenhändig einen Zusatz schreiben, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthalte.

Zwar könne sich der Erblasser dabei verschiedener Ausdrücke bedienen, aus dem Zusatz müsse aber hervorgehen, dass es sich um seinen letzten Willen handle. Das solle die Fälschungssicherheit erhöhen und Gewähr dafür bieten, dass er gewusst habe, dass er seinen letzten Willen errichtet.

In der Fachliteratur werde vertreten, dass es bei der Frage, ob ein hinreichender Bekräftigungszusatz vorliegt, darauf ankomme, ob ein verständiger Leser in Kenntnis der Gewohnheiten des letztwillig Verfügenden den Zusatz als Bekräftigung seines letzten Willens verstehen könne.

Dem Erblasser dürfe aber nicht die größtmögliche Anstrengung abverlangt werden; sei er nicht mehr in der Lage, einen leserlichen Bekräftigungszusatz zu schreiben, so treffe die Voraussetzung des § 580 Absatz 1 ABGB zu, dass der letztwillig Verfügende nicht schreiben kann.

Gültigkeit war erkennbar zweifelhaft

Das Berufungsgericht hatte erklärt, dass es im vorliegenden Fall der zweitbeklagten Notariatssubstitutin, die die letztwillige Verfügung erstellt hat, hätte klar sein müssen, dass die Leserlichkeit zumindest äußerst zweifelhaft sei. Der OGH schloss sich dieser Auffassung an.

Wolle man beurteilen, ob der Bekräftigungszusatz einen hinreichenden Inhalt habe, so müsse man ihn notgedrungen auch lesen können. Ein sorgfältiger Notar dürfe nicht annehmen, dass die Bekräftigung allein aus den Begleitumständen ableitbar sein könnte.

Damit hätte es für die Zweitbeklagte zumindest zweifelhaft sein müssen, ob ein nicht entzifferbarer Bekräftigungszusatz für die Formgültigkeit eines Testaments ausreicht. Sie hätte den Erblasser zu einer lesbaren Bekräftigung anleiten oder eine andere Testamentsform wählen können.

Revision zurückgewiesen

Es könne auch nicht davon gesprochen werden, dass es sich um eine völlig unbekannte und für den Notar nicht vorhersehbare Problematik gehandelt habe, auch wenn es zur Frage der Lesbarkeit bis dahin keine höchstgerichtliche Entscheidung gegeben hat, so der OGH abschließend.

Die Rechtsvorschriften seien zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung bereits seit langem kundgemacht und mehr als ein Jahr in Kraft gewesen; neben den unmissverständlichen Gesetzesmaterialien habe es darüber hinaus bereits ausführliche Literatur gegeben.

Die Revision des Notars wurde daher mangels einer erheblichen Rechtsfrage vom OGH zurückgewiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 6Ob25/24f vom 11. Dezember 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

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