18.2.2025 – Durch die Ausnahmesituation bei einem Brand in einer Justizanstalt und die folgende dienstliche Aufarbeitung sei er traumatisiert worden, erklärt ein Justizwachebeamter. Er fordert von der Versicherungsanstalt die Anerkennung als Dienstunfall. Der Oberste Gerichtshof entschied: Die psychische Beeinträchtigung habe sich nur allmählich entwickelt, es lag damit kein Unfall vor.
Vom 2. auf den 3. Februar 2020 kam es in einer Justizanstalt in der Nacht zu einem Brandgeschehen. 39 Insassen mussten evakuiert werden, vier Justizwachebeamte wurden im Spital behandelt. Der Brand konnte bis ein Uhr früh gelöscht werden.
B., damals stellvertretender Justizwachekommandant einer Außenstelle der Justizanstalt, vertrat zu diesem Zeitpunkt die Anstaltsleitung. Er befand sich bei Brandausbruch in Rufbereitschaft und wurde vom Nachtdienstkommandanten über die Vorkommnisse informiert.
B. fuhr daraufhin in die Justizanstalt, verständigte seine Vorgesetzten, übernahm vor Ort das Kommando und blieb dort, bis die Evakuierung abgeschlossen und der Brand gelöscht war. Er erlitt dabei keine gesundheitliche Beeinträchtigung und konnte am nächsten Tag wieder seinen Dienst verrichten.
In der Folge kam es zu Konflikten zwischen B. und seiner Vorgesetzten. Er hatte den Eindruck, für den Brand mitverantwortlich gemacht zu werden; man habe in seiner Person einen Schuldigen gesucht und gefunden, so seine Meinung.
Im Dezember 2021 war er erstmals in psychiatrischer Behandlung, seit Mai 2022 unterzieht er sich einmal im Monat einer Psychotherapie. Bis April 2022 war B. aber nie aus psychischen Gründen oder wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung durch den Brand in Krankenstand.
Am 23. April 2022 begab er sich in Krankenstand, der bis heute fortdauert. Nach einem Gespräch mit einem Rechtsanwalt habe er erkannt, dass er seit dem Brand „entsprechend belastet“ sei.
Am 22. Jänner 2023 reichte er daraufhin bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau eine Unfallmeldung ein. Er sei durch die Ausnahmesituation in der Brandnacht und die folgende dienstliche Aufarbeitung traumatisiert.
Die Versicherungsanstalt anerkannte den Vorfall nicht als Dienstunfall und lehnte Leistungen aus der Unfallversicherung ab. B. reichte daraufhin Klage ein; der Brand sei ursächlich für seine posttraumatische Belastungsstörung.
Die Versicherungsanstalt argumentiert dagegen, dass es sich bei der Traumatisierung durch die Ausnahmesituation in der Brandnacht und die nachfolgende dienstliche Aufarbeitung nicht um ein plötzlich eintretendes Ereignis gehandelt habe, weshalb kein Dienstunfall vorliege.
Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab; B. sei nicht durch den Brand oder durch Vorkommnisse am Brandort in seiner Gesundheit beeinträchtigt worden, die Belastungsstörung sei durch Konflikte mit Vorgesetzten im Zuge der Aufarbeitung des Brandgeschehens entstanden.
Die Beeinträchtigungen von B. stünden mit dem Unfallgeschehen in keinerlei Zusammenhang, ein Unfall im Sinn eines zeitlich begrenzten, plötzlichen Ereignisses lasse sich aus dem Sachverhalt nicht ableiten. B. legte daraufhin außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof ein.
In seiner rechtlichen Beurteilung betont der OGH, dass B. niemals behauptet hätte, allein durch die Ereignisse der Brandnacht einer Belastung ausgesetzt gewesen zu sein, die die nachfolgende psychische Beeinträchtigung mit Krankheitswert herbeigeführt hätte.
B. habe ganz im Gegenteil betont, wesentliche Bedingung für die posttraumatische Belastungsstörung seien die späteren Vorwürfe und Herabwürdigungen seitens seiner Vorgesetzten gewesen.
Voraussetzung für eine Anerkennung als Dienstunfall sei es, dass sich der Unfall im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis oder mit der die Versicherung begründenden Funktion ereignet hat, so der OGH.
Im Allgemeinen sei unter einem Unfall ein von außen auf Geist und/oder Körper einwirkendes, meist plötzlich eintretendes, zumindest aber zeitlich eng begrenztes Ereignis zu verstehen, durch das eine Gesundheitsschädigung oder der Tod bewirkt wird.
Damit unterscheide sich der Unfall von einer Berufskrankheit, die sich typischerweise über einen längeren Zeitraum entwickelt. Liege das Ergebnis einer längeren krankheitsbedingten, möglicherweise auch berufsbedingten Entwicklung vor, kann nicht von einem Unfall gesprochen werden.
Der Frage, wie sich die Vorgesetzte von B. verhalten hat und ob dieses Verhalten die behauptete gesundheitliche Beeinträchtigung herbeigeführt hat, komme daher keine entscheidende Bedeutung zu, so der OGH.
Eine psychische Beeinträchtigung, die sich erst allmählich durch mehrere Einwirkungen während eines länger andauernden Zeitraums entwickelt hat, könne nämlich von vornherein nicht auf ein unfallartiges Geschehen zurückgeführt werden.
Nur wenn einzelne Maßnahmen der Vorgesetzten für sich genommen die in Rede stehende Gesundheitsschädigung wesentlich bedingt hätten, wäre ihr Verhalten rechtlich maßgeblich, betont der OGH.
Das wäre der Fall, wenn sich ein oder mehrere Einwirkungen innerhalb einer bestimmten Arbeitsschicht aus der Gesamtheit der Einwirkungen so herausheben, dass sie nicht nur eine von mehreren gleichwertigen Ursachen der Schädigung sind, sondern die Schädigung alleine wesentlich bedingen.
In diesem Fall wäre ein Arbeitsunfall im Sinn der gesetzlichen Unfallversicherung zu bejahen. B. habe aber das Vorliegen einer solchen Sonderkonstellation nicht behauptet.
B. gelinge es daher nicht, eine vom Höchstgericht aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen; die außerordentliche Revision wurde mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen.
Die OGH-Entscheidung 10ObS128/24g vom 14. Jänner 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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