OGH klärt Haftpflichtstreit nach ärztlicher Fehlbehandlung

10.2.2025 – Der Arzt hat die Gebrauchsanweisungen des Narkosemittels gekannt und gewusst, dass die Gefahr einer Verkeimung besteht. Er habe bewusst gegen die Vorschriften verstoßen und in Kauf genommen, dass ein Schaden eintritt. Damit greift der Risikoausschluss der Haftpflichtversicherung, der Versicherer ist leistungsfrei.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Ein Arzt führte in einer Klinik Anästhesieleistungen an drei Patientinnen durch. Er verwendete bei der ersten Patientin ein Narkosemittel aus einer bereits am Vortag angebrochenen Flasche intravenös.

Anschließend entnahm er mit derselben Spritze das gleiche Narkosemittel aus einer neuen Flasche und verabreichte dieses den beiden anderen Patientinnen ebenfalls intravenös.

Er hatte die angebrochene Flasche vom Vortag nicht wie vorgeschrieben entsorgt, sondern bei sich zu Haus über Nacht gelagert. Dabei kam es zu einer Kontamination des Inhalts mit einem Darmkeim. Alle drei Patientinnen erlitten eine schwere Sepsis, eine Patientin starb.

Klage gegen den Haftpflichtversicherer

In einer Klage forderte die Trägerin der Klinik vom Haftpflichtversicherer des Arztes nach § 52d Absatz 6 Ärztegesetz Schadenersatz in Höhe von 450.000 Euro sowie Feststellung der Haftung für sämtliche zukünftigen Folgen und Schäden, die auf den Sorgfaltsverstoß des Arztes zurückzuführen sind.

Die Klägerin argumentiert, der Arzt habe aufgrund einer Fehlbehandlung von Patientinnen seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Klinikbetreiberin verletzt und damit die Vermögenseinbußen rechtswidrig und schuldhaft verursacht.

Bedingungslage

Der Arzt hatte eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, vereinbart waren die Allgemeinen und die Ergänzenden Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2004 und EHVB 2004).

Nicht versichert waren Schadenersatzverpflichtungen für Schäden, die rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt wurden. Dem Vorsatz gleichgehalten war eine Handlung oder Unterlassung, bei der der Schadeneintritt mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden musste, aber in Kauf genommen wurde.

Ebenfalls dem Vorsatz gleichgehalten wurde in den Bedingungen die Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit von hergestellten oder gelieferten Waren oder geleisteten Arbeiten.

Vorinstanzen weisen Klage ab

Die Vorinstanzen hatten erklärt, der Arzt habe jedenfalls Kenntnis von den Vorschriften und den Folgen gehabt, die durch sein Handeln möglicherweise eintreten könnten.

Er habe bewusst diesen Vorschriften zuwider gehandelt und in Kauf genommen, dass die Schadeneintritte wahrscheinlich eintreten werden. Damit sei der Risikoausschluss der AHVB verwirklicht.

Die Trägerin der Klinik legte daraufhin außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof ein.

Wofür der Versicherer haftet

In seiner rechtlichen Beurteilung geht der OGH auf die Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine gesetzliche Verpflichtung besteht, ein.

Nach § 158c VersVG bleibe die Verpflichtung des Versicherers gegenüber einem geschädigten Dritten bestehen, auch wenn er gegenüber dem Versicherungsnehmer leistungsfrei, also von seiner Einstandspflicht für einen Versicherungsfall allseitig befreit ist.

Allerdings hafte der Versicherer immer nur im Rahmen der von ihm übernommenen Gefahr. Zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer zulässig vereinbarte Ausschlüsse gelten auch gegenüber Dritten, betont der OGH.

Bewusster Verstoß genügt

Dem Vorsatz werde einerseits die Inkaufnahme des Schadens, der als Folge einer Handlung oder Unterlassung mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, andererseits auch die Kenntnis der Mangelhaftigkeit oder Schädlichkeit der geleisteten Arbeiten gleichgestellt.

Das Bedenken und der Beschluss des Versicherungsnehmers müssen sich dabei nicht auf den Schadenerfolg selbst beziehen, sondern nur auf einen diesem Erfolg vorgelagerten Umstand, durch den eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass es zum Eintritt des Schadens kommen kann.

Selbst wenn der Versicherungsnehmer hofft, dass der Schaden nicht eintreten werde, genüge der bewusste Verstoß, um Leistungsfreiheit des Versicherers zu bewirken.

Versicherer leistungsfrei

Im vorliegenden Fall habe der Arzt Kenntnis von den einschlägigen Gebrauchsanweisungen zur konkreten Anwendung, Lagerung und Entsorgung des Narkosemittels gehabt. Er habe über die Gefahren und Vorsichtsmaßnahmen bei dessen Anwendung Bescheid gewusst.

Insbesondere habe er Kenntnis von der besonderen Verkeimungsgefahr der fetthaltigen Lösung gehabt und gewusst, dass das Injizieren eines Keims in die Blutbahn eine Sepsis auslösen und zum Tod führen kann.

Die Ansicht der Vorinstanzen, dass damit der Risikoausschluss verwirklicht sei, halte sich im Rahmen bisheriger oberstgerichtlicher Rechtsprechung. Die außerordentliche Revision des Klinikbetreibers wurde vom OGH mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob185/24t vom 18. Dezember 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

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Haftpflichtversicherung
 
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