17.12.2024 – Zuletzt habe die Versicherungsbranche steigende Prämien und höhere Erträge verzeichnet, so die FMA. Doch obwohl die Kapitalisierung weiterhin gut ist, seien angesichts aktueller Risiken und Herausforderungen eine vorsichtige Kapitalplanung und Zurückhaltung bei Dividenden und variablen Vergütungen angebracht. Stresstests würden der Versicherungswirtschaft aber Widerstandsfähigkeit bescheinigen.
Österreichische Versicherungsunternehmen seien durch die vielschichtigen und sehr dynamischen Entwicklungen vor besondere, in den letzten Jahrzehnten nicht gekannte Herausforderungen gestellt, schreibt die Finanzmarktaufsicht (FMA) in ihrem Bericht zur Lage der Versicherungswirtschaft 2024.
Geprägt gewesen sei der heimische Versicherungsmarkt im heurigen Jahr von der Zinswende, den Folgen des Klimawandels und dem zunehmenden Einsatz digitaler Technologien. Sowohl vom Markt als auch von der Aufsicht müssten diese Herausforderungen aktiv verfolgt werden.
Dabei stehe die Frage im Mittelpunkt, wie sich die Struktur des Versicherungsmarktes, Geschäftsentwicklung und Anlageverhalten der Unternehmen verändern. Die FMA untersuche die Auswirkungen dieser externen Faktoren vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklungen.
Zinswende und Katastrophenschäden hätten das Liquiditätsrisiko stärker in den Aufsichtsfokus gerückt. Dazu komme, dass Immobilien für österreichische Versicherungen mit rund zehn Prozent des Gesamtvermögens im europäischen Vergleich eine sehr große Rolle spielen.
Bei Betrachtung des gesamten österreichischen Versicherungsmarktes habe sich die Profitabilität, gemessen am Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) im Vergleich zum Vorjahr erhöht, so die FMA.
2023 sei die Versicherungsbranche großteils profitabel gewesen, insbesondere in der Schaden- und Unfallversicherung sowie in der Krankenversicherung. Die Umsatzrenditen in der Schaden- und Unfallversicherung hätten sich erholt, auch die Lebensversicherung zeige eine Stabilisierung.
Im ersten Halbjahr 2024 seien höhere Prämien und eine verbesserte Ertragslage verzeichnet worden, die Dynamik sei erneut in der Schaden- und Unfallversicherung und der Krankenversicherung gelegen.
Allerdings werde das Naturkatastrophenereignis „Boris“ im Herbst das Profitabilitätsergebnis belasten, auch wenn ein Großteil rückversichert sei. Die Zahl der Schadenfälle durch dieses Ereignis werde auf 104.800 geschätzt, die versicherten Schäden dürften bei rund 700 Millionen Euro liegen.
Österreichische Versicherungen seien im europäischen Vergleich weiterhin gut kapitalisiert, so die FMA. Alle Unternehmen würden die vorgeschriebene Solvenzquote erfüllen, der Median liege per 30. Juni bei 260 Prozent gegenüber 214 Prozent der europäischen Versicherungswirtschaft.
Zwar seien bei den Kapitalanlageergebnissen im ersten Halbjahr wieder steigende Erträge verzeichnet worden, die stillen Reserven der Kapitalanlagen (ohne fonds- und indexgebundene Lebensversicherung) sind aber gegenüber dem Vorquartal um 5,17 Prozent auf 12,36 Milliarden Euro gesunken.
Die FMA erwarte sich vor dem Hintergrund der andauernden geopolitischen Unsicherheiten und der weiterhin angespannten wirtschaftlichen Lage eine vorsichtige und nachhaltige Kapitalplanung. Bei Dividenden und variablen Vergütungen solle dem aktuellen Marktumfeld Rechnung getragen werden.
Zwar würden höhere Zinsen für Versicherungsunternehmen meist positive Effekte haben, da sie die diskontierten Verbindlichkeiten in der Solvenz-Bilanz verringern, so die FMA. Gleichzeitig komme es aber auf der Aktivseite zu Marktwertverlusten bei zinssensitiven Vermögenswerten.
Dazu komme, dass mit einem Zinsanstieg auch das Kreditrisiko steige. Daher warne der Gemeinsame Ausschuss der europäischen Aufsichtsbehörden vor den langfristigen Auswirkungen des höheren Zinsniveaus auf die Realwirtschaft.
Vor dem Hintergrund der seit Juni wieder sinkenden Zinsen und im Hinblick auf die Verwundbarkeit auf den Immobilienmärkten sei das Marktrisiko im europäischen Versicherungssektor weiterhin als hoch einzuschätzen, betont die FMA.
Um diese Marktrisiken zu analysieren, hat die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Eiopa) einen Stresstest für europäische Versicherungsgruppen durchgeführt, an dem aus Österreich die Vienna Insurance Group teilnahm.
Parallel dazu hat die FMA auf Basis des europäischen Szenarios einen vereinfachten Kapital-Stresstest mit Zins-, Inflations- und Marktrisikoschock für den heimischen Versicherungsmarkt berechnet.
Die Resultate würden die „solide Kapitalausstattung“ und die Widerstandsfähigkeit der heimischen Versicherungsunternehmen bestätigen, so die FMA. Es zeigen sich aber ein Anstieg im Risiko der Kapitalanlagen und eine Verringerung der Eigenmittel.
In einem weiteren Stresstest haben die europäischen Aufsichtsbehörden erstmals die Folgen der Maßnahmen zur Realisierung des „European Green Deal“ für die Finanzbranche analysiert. Für österreichische Versicherer seien diese verkraftbar und stellen keine Gefahr für die Finanzstabilität dar.
Die FMA habe die Resilienz der österreichischen Versicherungsunternehmen gegenüber Cyber-Risiken von zwei Seiten beleuchtet, heißt es im Bericht.
So sei einerseits die Umsetzung der ab 2025 geltenden Dora-Vorgaben zum IKT-Risikomanagement analysiert worden, andererseits habe man eine Generalprobe zu Erstellung und Übermittlung des vorgesehenen Registers der IKT-Dienstleister abgehalten und die Ergebnisse evaluiert.
Insgesamt zeige sich, dass die Versicherer bereits zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung ihrer IKT-Sicherheit umgesetzt und die für das von Dora vorgesehene Register die nötigen Informationen erhoben haben.
Die FMA habe Bereiche, in denen es noch besonders große Herausforderungen gibt, identifiziert; diese sollen in die „Priorisierung der Aufsichtsaktivitäten“ einfließen.
Der „Bericht der FMA zur Lage der österreichischen Versicherungswirtschaft 2024“ kann von einer Website der FMA als PDF (2,7 MB) heruntergeladen werden.
Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.
Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu! Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.at.
Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.at.
Der VersicherungsJournal Newsletter informiert Sie von montags - freitags über alle wichtigen Themen der Branche.
Ihre Vorteile