Szenarien für Versicherer in einer auseinanderdriftenden Welt

21.1.2025 – Eine Welt, die näher zusammenrückt – das war (vielleicht) einmal. Heute nehmen geopolitische Instabilität und Fragmentierung zu. Ein neuer Bericht der Geneva Association zeichnet ein Szenario als wahrscheinlich, das zwischen einer „milden“ und einer „extremen“ Entwicklung angesiedelt ist. Für Versicherer könnte dies Umstellungen etwa im Underwriting und im Asset-Management bedeuten, für Kunden höhere Prämien.

Insurance in a Fragmented World Economy (Cover; Quelle: Geneva Association)
Cover (Quelle: Geneva Association)

„Slowbalisierung“ statt Globalisierung: Die Weltwirtschaft verlagert sich von der Integration zur Fragmentierung, da die Staaten der Sicherheit Priorität gegenüber der Effizienz einräumen.

So beschreibt der neue Bericht „Insurance in a Fragmented World Economy“ der Geneva Association, eines globalen Netzwerks von Spitzenmanagern von Versicherern und Rückversicherern, knapp die aktuelle Lage.

Die negativen Folgen der Zersplitterung der Welt

Die „geoökonomische Fragmentierung“ birgt demnach „disruptives Potenzial“ für das weltweite Risikomanagement:

  • Sie schwächt die multilaterale Zusammenarbeit hinsichtlich globaler Risiken wie etwa Klimawandel, Pandemien, Cybersicherheit.
  • Sie schmälert die Möglichkeiten für Risikodiversifikation, sowohl mit Blick auf das Underwriting als auch auf Investments. Letzten Ende könnte das höhere Prämien nach sich ziehen.
  • Sie erzeugt operationelle Hürden aufgrund unterschiedlicher Regulierung. Auch das ist ein möglicher Kostentreiber – der zum Rückzug aus bestimmten Märkten und zur Marktkonsolidierung in der Versicherungsindustrie führen könnte.

Politische Instabilität und Lieferkettenunterbrechungen sind ein weiteres Risiko, das in den Vordergrund rückt. Gleichzeitig könne dies allerdings auch ein Wachstumstreiber sein, wenn etwa Staaten in wesentliche Infrastruktur wie Halbleiterproduktion oder erneuerbare Energie investieren.

Auch Versicherungen gegen politische Risiken, Cyberversicherungen und D&O-Versicherungen könnten unter unsicheren geopolitischen Bedingungen an Bedeutung gewinnen.

Ein gemäßigtes, ein mittleres und ein extremes Szenario

Wie aber darauf reagieren? Versicherer müssen sich der geoökonomischen Fragmentierung „proaktiv“ anpassen, um ihre Widerstandsfähigkeit und ihre Relevanz als stabilisierende Faktoren aufrechtzuerhalten, schreibt Kai-Uwe Schanz, Autor des Berichts und Director Macro & Geoeconomic Shifts bei der Geneva Association.

Er skizziert drei Szenarien. Das erste beschreibt einen sozusagen „milden Verlauf“, mit einer schrittweisen und kontrollierten Intensivierung der Fragmentierung. Das dritte ist das „extreme“ Szenario: eine Spaltung in zwei einander gegenüberstehende Blöcke infolge eines großen geopolitischen Konflikts und umfangreicher Wirtschaftssanktionen.

Das nach Einschätzung Schanz’ wahrscheinlichste Szenario ist das zweite, mittlere: Die geoökonomische Fragmentierung verschärft sich aufgrund handelskriegsähnlicher Maßnahmen, eskalierender Protektionismus verursacht höhere Volatilität im globalen Verkehr und in Lieferketten.

Mögliche Antworten der Versicherungswirtschaft

Welche Schlussfolgerungen wären der Analyse zufolge aus diesem mittleren Szenario für Versicherer abzuleiten?

  • Sie müssten sich auf erhöhte Risiken aufgrund von Handelsstörungen einstellen, verbunden mit einem Anstieg der Nachfrage nach Produkten, die Deckung für Handelskonflikte und Vergeltungsmaßnahmen bieten.
  • Das Underwriting müsste sich der „unvorhersehbaren Natur“ sich aufbauender Handelsbarrieren anpassen. Das erfordere „dynamische Risikobewertungen“ und Stresstests.
  • Im Kapitalmanagement müsste der Fokus auf „Liquidität und Flexibilität“ liegen, um eine schnelle Verlagerung der Mittel in weniger exponierte Regionen zu ermöglichen.
  • Im Asset-Management würden „defensive Strategien“ dominieren, mit einer verstärkten Allokation hin zu Märkten, die von geopolitischen Konflikten abgeschirmt sind.
  • Versicherer könnten sich insbesondere der spezifischen Bedürfnisse einheimischer Industrien annehmen, die von der geoökonomischen Fragmentierung profitieren.

„Strategische Agilität entscheidend“

„Während eine vollständige Deglobalisierung unwahrscheinlich bleibt, sind Versicherer mit zunehmenden Herausforderungen konfrontiert – von einem größeren Exposure gegenüber Klima- und Cybersicherheitsrisiken bis hin zu einem kleineren Spielraum für Diversifizierung im Underwriting und im Anlagemanagement“, fasst Schanz zusammen.

Strategische Agilität werde entscheidend sein, „um die Volatilität zu managen und neue Chancen in diesem sich entwickelnden Umfeld zu erschließen“.

Zum Herunterladen

„Insurance in a Fragmented World Economy“ kann als PDF-Dokument von der Website der Geneva Association heruntergeladen werden. Eine Zusammenfassung steht ebenfalls zum Herunterladen bereit.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Cyberversicherung · Managerhaftpflicht · Strategie
 
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