Parlament verabschiedet Änderungen für Rechtsschutz

12.7.2024 – Verbandsklage auf Abhilfe, Verbandsklage auf Unterlassung, Ausweitung des Verteidigungskostenbeitrags: Eine Reihe gesetzlicher Neuerungen hat das Parlament passiert. Das bedeutet zusätzliche Möglichkeiten, Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen sowie die Aussicht auf höheren Kostenersatz sowie auch Ersatz bei Einstellung eines Ermittlungsverfahrens.

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Richterhammer (Bild: Animation Production Company auf Pixabay)
Bild: Animation Production Company auf Pixabay

Vor kurzem hat der Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und FPÖ die Verbandsklagen-Richtlinie-Umsetzungs-Novelle (VRUN) beschlossen, am Donnerstag hat sich auch der Bundesrat abgesegnet.

Mit ihr werden das „Bundesgesetz über Qualifizierte Einrichtungen zur kollektiven Rechtsverfolgung“, kurz QEG, geschaffen und Änderungen an diversen bestehenden Gesetzen vorgenommen.

Das QEG listet eine Reihe solcher Einrichtungen auf, beispielsweise die Wirtschaftskammer und die Arbeiterkammer oder, für rein innerstaatliche Verbandsklagen, den Verein für Konsumenteninformation.

Weitere juristische Personen, die im Gesetz nicht genannt sind, können unter bestimmten Voraussetzungen beim Bundeskartellanwalt die Anerkennung als „Qualifizierte Einrichtung“ beantragen.

Verbandsklage auf Abhilfe

Neu ist die „Verbandsklage auf Abhilfe“, die Qualifizierte Einrichtungen gegen Unternehmen anstrengen und etwa Schadenersatz geltend machen können.

So soll gegen Rechtsverletzungen vorgegangen werden können, „die nicht nur die kollektiven Interessen von Verbrauchern beeinträchtigen oder zu beeinträchtigen drohen, sondern bereits bei konkreten Verbrauchern Ansprüche auf Abhilfe entstehen haben lassen, die aber außergerichtlich bestritten werden“, wie es in den Erläuterungen zum Gesetz heißt.

Voraussetzung ist, dass bereits mindestens 50 solcher Ansprüche bestehen und diese „einen gemeinsamen Kern“ haben.

Drittfinanzierung

Explizit ermöglicht wird außerdem die Drittfinanzierung von Verbandsklagen auf Abhilfe.

Die konkrete Ausgestaltung soll der Privatautonomie überlassen bleiben, wird in den Erläuterungen ausgeführt. „Gesetzliche Vorgaben dazu scheinen weder notwendig noch sinnvoll, vielmehr soll jeweils eine auf den Einzelfall zugeschnittene Vereinbarung gefunden werden.“

Wichtig sei, „dass sichergestellt wird, dass die Einflussnahme des Drittfinanzierers nicht über das aus der Drittfinanzierung heraus resultierende finanzielle Interesse hinausgeht“.

Verbandsklage auf Unterlassung

Die „Verbandsklage auf Unterlassung“ soll es Qualifizierten Einrichtungen ermöglichen, gegen Rechtsverletzungen von Unternehmern vorzugehen, die „die kollektiven Interessen von Verbrauchern beeinträchtigen oder zu beeinträchtigen drohen“ – eben mit dem Ziel einer Unterlassung.

Damit sollen aber bereits vorhandene Möglichkeiten einer Verbandsklagen nach anderen Vorschriften – etwa §§ 28 ff. KSchG und § 14 UWG – nicht berührt werden. Vielmehr handelt es sich um einen „parallelen Rechtsschutzweg“, den die dazu berechtigten Einrichtungen wahlweise einschlagen können.

Vorgaben für Qualifizierte Einrichtungen

Das Gesetz macht eine Reihe von Vorgaben, die Qualifizierte Einrichtungen einhalten müssen, beispielsweise Informationspflichten.

Auch zu den Kosten für Interessenten gibt es eine Regelung. § 9 Abs. 4 QEG bestimmt: „Eine allfällige Beitrittsgebühr darf weder höher als 20 Prozent der jeweils geltend gemachten Anspruchssumme sein, noch darf diese 250 Euro überschreiten.“

Ausweitung des Verteidigungskostenbeitrags

Einstimmig verabschiedet hat der Nationalrat eine Novelle zur Strafprozessordnung (StPO), auch für sie hat der Bundesrat am Donnerstag grünes Licht gegeben. Sie beinhaltet eine Ausweitung des Verteidigungskostenbeitrags in Strafverfahren.

Das inkludiert eine Erhöhung von Pauschalkostenbeiträgen ebenso wie die „Möglichkeit einer Überschreitung für den Fall der längeren Dauer der Hauptverhandlung und einer weiteren derartigen Möglichkeit für den Fall extremen Umfangs des Verfahrens“, so die Erläuterungen.

Damit sollen insbesondere bei Verfahren von größerem und außergewöhnlichem Umfang „deutlich einzelfallgerechtere Entscheidungen hin zu einem adäquateren Zuspruch an Freigesprochene“ getroffen werden können.

Die Parlamentskorrespondenz fasst die Änderungen so zusammen:

  • Bei Freispruch sollen die Pauschalhöchstsätze für die Bemessung des Verteidigungskostenbeitrags für Schöffen- und Geschworenenverfahren im Vergleich zu den bisherigen auf künftig 30.000 Euro versechs- bzw. verdreifacht werden.
  • Beim Höchstsatz für Einzelrichterverfahren am Landesgericht ist eine Vervierfachung auf 13.000 Euro, für Verfahren vor den Bezirksgerichten eine Verfünffachung auf 5.000 Euro vorgesehen.
  • Etwa bei längeren bzw. komplexeren Verfahren soll der Betrag jeweils um die Hälfte, bei „extremem Umfang“ des Verfahrens auf das Doppelte erhöht werden können.

Neu: Ersatzanspruch bei Einstellung eines Ermittlungsverfahrens

Neu geschaffen wird ein Ersatzanspruch bei Einstellung eines Ermittlungsverfahrens. Der Beitrag ist mit 6.000 Euro gedeckelt. Auch hier ist aber eine Überschreitung möglich.

So legt § 196a Abs. 2 fest: „Das Höchstmaß des Beitrags kann bei Verfahren, die durch außergewöhnlichen Umfang oder besondere Komplexität gekennzeichnet sind, sowie im Falle der Überschreitung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens (§ 108a Abs. 1) um die Hälfte überschritten und im Falle extremen Umfangs des Verfahrens auf das Doppelte erhöht werden.“

Gerade Freisprüche und Einstellungen zeichneten einen gut funktionierenden Rechtsstaat aus; ein Ermittlungsverfahren oder eine Anklage bedeute nicht automatisch einen Schuldspruch, was sich nun auch finanziell widerspiegeln solle, kommentierte Justizministerin Alma Zadi? die StPO-Novelle.

Änderungsbedarf in der Rechtsschutzversicherung?

Martin Moshammer, Hauptbevollmächtigter Roland Rechtsschutz Österreich (Bild: Martin Jordan Fotografie)
Martin Moshammer,
Hauptbevollmächtigter
Roland Rechtsschutz
Österreich (Bild:
Martin Jordan Fotografie)

Ergibt sich aus all diesen Änderungen auch in der Rechtsschutzversicherung Änderungsbedarf?

Die Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG sieht hinsichtlich der neuen Verbandsklageregeln „keine Alternative zu einer Rechtsschutzversicherung, sondern allenfalls eine sinnvolle Ergänzung, und zwar beispielsweise dort, wo bedingungsgemäß keine Deckung bestünde“, sagt Martin Moshammer, Hauptbevollmächtigter des Versicherer in Österreich, dem VersicherungsJournal.

„Die Praxis wird zeigen, inwieweit es einer (besseren) Abgrenzung zwischen den Instrumentarien bedarf und die Rechtsschutzversicherung auch einen sinnvollen Beitrag zu derartigen Klagen leisten kann und soll.“ Entsprechende Überlegungen flössen aktuell in die Produktentwicklung ein.

Schadenzahlungen „in aller Regel“ über den Beitragsgrenzen

Im „Verteidigungskostenersatz neu“ sieht Roland „einen wesentlichen Beitrag zur Gewährleistung des Rechtsfriedens sowie der Rechtssicherheit“. An der Relevanz einer Strafrechtsschutzversicherung „hat sich unserer Einschätzung nach aber nicht grundlegend etwas geändert“, so Moshammer.

Es handle sich „um einen bloßen Beitrag zu den Kosten eines Strafverfahrens und nicht um einen vollständigen Kostenersatz“.

Wenn man aktuelle Schadenzahlungen betrachte, werde man „feststellen, dass sie einerseits kontinuierlich im Steigen begriffen sind und andererseits die Volumina doch in aller Regel klar über den nun festgelegten Beitragsgrenzen liegen“.

Die Entscheidung über den Kostenersatz liege au0erdem in richterlichem Ermessen.

Versicherung kann auch weitere Leistungen umfassen

Zu berücksichtigen sei auch, dass sich die Strafrechtsschutzdeckung nicht zwingend im Ersatz der Verteidigungskosten erschöpfen muss, sondern auch weitere Leistungen umfassen könnte.

„Erfolgt nämlich letztlich, entgegen der Anklage, doch nur eine Verurteilung wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts, so stünde auch weiterhin kein Kostenbeitrag zu“, sagt Moshammer.

Im Übrigen enthalte das Gesetz Regelungen, die den Anspruch unter bestimmten Bedingungen ausschließen.

„Gehen nicht von Reduktion der Auszahlungen aus“

„Im Zuge der Bewertung dieser Gesetzesänderung muss man sich letztlich auch vergegenwärtigen, dass sich das strafrechtliche Gefährdungspotenzial aufgrund gestiegener regulatorischer Anforderungen kontinuierlich erhöht“, fügt Moshammer hinzu.

„Insofern gehen wir nicht davon aus, dass die Neuregelungen unterm Strich zu einer Reduktion der Auszahlungen in der Strafrechtsschutzversicherung führen werden.“

Einen Adaptierungsbedarf bei seinen bestehenden Produkten sehe Roland aktuell nicht, „wobei wir hier für eine seriöse Feststellung erst selbst die zukünftigen Entwicklungen abwarten müssen“.

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