Brüssel kündigt Paket für Bürokratieabbau an

30.1.2025 – Mindestens 25 Prozent weniger Verwaltungsaufwand für Unternehmen, mindestens 35 Prozent weniger für KMUs. Regelmäßiger Austausch zwischen Kommission und Wirtschaftsvertretern zu Themen der Regulierung. „Reality-Checks“ und „KMU- und Wettbewerbsfähigkeits-Checks“ für neue Regulierungsvorhaben. Bessere Begleitung für Unternehmen. Mehr Anreize statt „detaillierter Kontrolle“. Das sind Punkte aus einer neuen Strategie der EU-Kommission zum Bürokratieabbau.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Stéphane Séjourné, Kommissar für Wohlstand und Industriestrategie, stellten am Mittwoch in Brüssel den Kompass für Wettbewerbsfähigkeit vor (Bild: Europäische Union, 2025)
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und
Stéphane Séjourné, Kommissar für Wohlstand und
Industriestrategie, stellten am Mittwoch in Brüssel
den Kompass für Wettbewerbsfähigkeit vor
(Bild: Europäische Union, 2025).

„Einfacher, schlanker, schneller“: Dieses Motto soll die europäische Regulierung künftig kennzeichnen. Dieses Bekenntnis gab jedenfalls die EU-Kommission am Mittwoch mit ihrem neuen „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ ab.

Europa habe „alles, was es braucht“, um im Wettbewerb mit anderen großen Volkswirtschaften erfolgreich zu sein, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Gleichzeitig müssen wir jedoch unsere Schwächen überwinden und wieder wettbewerbsfähig werden.“

Eine dieser Schwächen soll durch „Vereinfachung“ abgebaut werden. Anders ausgedrückt, soll „der Regelungs- und Verwaltungsaufwand drastisch reduziert werden“.

„Müssen beim Bürokratieabbau viel weiter gehen als bisher“

Denn immerhin räumt die Kommission in dem Papier ein: Trotz der bereits bestehenden Grundsätze für eine bessere Regulierung sei die regulatorische Belastung für zwei Drittel der EU-Unternehmen ein wesentliches Hindernis für langfristige Investitionen.

Viele hätten darauf hingewiesen, dass Komplexität, Vielfalt und Dauer der Genehmigungs- und Verwaltungsverfahren Europa zu einem im Vergleich mit anderen Regionen weniger attraktiven Raum für Investitionen machen.

Um Europas Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, „müssen wir beim Bürokratieabbau viel weiter gehen als bisher“, schreibt die Kommission. Die Regulierung müsse „verhältnismäßig, stabil, kohärent und technologieneutral“ sein.

Umfassende Anstrengungen auf Unions-, mitgliedstaatlicher und lokaler Ebene seien erforderlich, um Regeln zu vereinfachen und Vewaltungsverfahren zu beschleunigen.

Durchforsten des Rechtsbestands und regelmäßiger Austausch

In der Brüsseler Behörde ist ein eigener Kommissar mit der Durchforstung des EU-Rechtsbestandes beauftragt. Das Ziel: Wege finden, die Gesetzgebung nach Bedarf zu vereinfachen, zu konsolidieren und zu kodifizieren.

Jeder Kommissar halte künftig regelmäßig Dialog mit Interessenvertretern, „zweimal jährlich“, um sich über Themen der Umsetzung der Regulierung auszutauschen, Bedenken der Wirtschaft zu hören und Möglichkeiten zur Vereinfachung und Entlastung zu identifizieren.

„Reality-Checks“, die Dienststellen der Kommission mit Vertretern der Wirtschaft durchführen, sollen ebenso zum „Stresstest“ für die EU-Regulierung beitragen.

Die Vereinfachung müsse von einem „Verständnis der praktischen Funktionsweise von Wertschöpfungsketten“ geprägt sein und ein regulatorisches System im Auge haben, das mehr auf „Vertrauen und Anreizen“ als auf „detaillierter Kontrolle“ basiert.

Zielvorgaben für weniger Verwaltungsaufwand

Als ein konkretes Ziel hatte die Kommission bisher eine Verringerung der Berichterstattungspflichten um mindestens 25 Prozent ausgegeben. Da Berichterstattung nur einen Teil des Aufwands darstelle, soll dieses Ziel künftig für die „Kosten der gesamten administrativen Belastung“ gelten, im Falle von KMUs sollen es mindestens 35 Prozent sein.

Das erste Paket ist für Februar angekündigt und soll unter anderem die Berichterstattung zur Nachhaltigkeit und die Taxonomie behandeln.

Besonderes Augenmerk will die Kommission dabei jenem Effekt widmen, dass umfangreiche Berichterstattungspflichten für größere Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette auf kleinere Unternehmen durchschlagen und bei diesen eine „exzessive“ Berichterstattung verursachen, „die von den Gesetzgebern nie beabsichtigt war“.

Eine neue Kategorie zwischen KMUs und den „Großen“

Aus dem Factsheet zum Kompass für Wettbewerbsfähigkeit (Quelle: EU-Kommission)
Aus dem Factsheet zum Kompass für
Wettbewerbsfähigkeit (Europäische Union, 2025).
Zum Vergrößern Bild anklicken.

Die Verhältnismäßigkeit der Regulierung soll auch verbessert werden, indem eine neue Unternehmenskategorie definiert wird: Sie würde dann Unternehmen zusammenfassen, die größer als KMUs, aber kleiner als die ganz großen Unternehmen sind.

Regulatorische Vereinfachungen würden auf diese Weise unionsweit „tausenden von Unternehmen“ mittlerer Kapitalisierung zugutekommen, heißt es von der Kommission.

KMU- und Wettbewerbsfähigkeits-Check

Apropos KMU: Ein neuer „KMU- und Wettbewerbsfähigkeits-Check“ in Folgeabschätzungen soll einen „Filter“ für neue Regulierungsvorhaben bilden. Dabei sollen nicht zuletzt Kostenunterschiede gegenüber internationalen Konkurrenten geprüft werden.

Im Übrigen gelte es, Unternehmen bei der Umsetzung der EU-Gesetzgebung besser zu begleitet, die Unterstützung dafür soll verstärkt werden. Hier wird digitalen Hilfsmitteln eine wesentliche Rolle zugedacht: Wo es geht, sollen Berichtspflichten digital erledigt werden können.

WKÖ: „Richtige Prioritäten, die rasch umgesetzt werden müssen“

Die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) begrüßte das Vorhaben der Kommission. Es identifiziere „die richtigen Stellschrauben“ und sei „ein wichtiges Signal“, so die stellvertretende Generalsekretärin Mariana Kühnel in einer Aussendung. „Jetzt ist es entscheidend, rasch in die Umsetzung zu kommen.“

Das Ziel, die Kapitalmarktunion mit einer Spar- und Investitionsunion „fair und effizient“ weiterzuentwickeln, sieht sie als „essenziellen Puzzlestein, um Investitionen in Wirtschaft und Innovation zu mobilisieren und damit die globale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu steigern“.

Die Beseitigung regulatorischer Hürden oder die Erleichterung grenzüberschreitender Finanzströme wären für die WKÖ „Schritte in die richtige Richtung“. Beim Abbau bürokratischer Hürden erwartet die Wirtschaft einen „höheren Gang“. Kühnel: „Nach unzähligen Ankündigungen brauchen die Unternehmen eine rasch spürbare Entlastung. Das ist mittlerweile überfällig.“

Zum Herunterladen

Der „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ kann als PDF-Dokument (389 KB, englisch) von der Website der EU-Kommission heruntergeladen werden. Ein kürzeres „Factsheet“ zum Kompass steht ebenfalls auf der Website zum Herunterladen bereit.

Die Wirtschaftskammer Österreich hat ihre wichtigsten Forderungen „für eine resiliente EU in einer sich verändernden Welt“ im Papier „WKÖ-Agenda 2024+“ zusammengefasst. Es kann als PDF-Dokument von der WKÖ-Website heruntergeladen werden.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Nachhaltigkeit · Strategie
 
Ihr Wissen und Ihre Meinung sind gefragt

Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.

Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu! Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.at.

Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.at.

Täglich bestens informiert!

Der VersicherungsJournal Newsletter informiert Sie von montags - freitags über alle wichtigen Themen der Branche.

Ihre Vorteile

  • Alle Artikel stammen aus unserer unabhängigen Redaktion
  • Die neuesten Stellenangebote
  • Interessante Leserbriefe

Jetzt kostenlos anmelden!

VersicherungsJournal in Social Media

Besuchen Sie das VersicherungsJournal auch in den sozialen Medien:

  • Facebook – Ausgewähltes für den Vertrieb
  • Twitter – alle Nachrichten von VersicherungsJournal.at
  • Xing News – Ausgewähltes zu Karriere und Unternehmen
Diese Artikel könnten Sie noch interessieren
3.2.2025 – Der Rechnungshof hat am Freitag seinen Tätigkeitsbericht veröffentlicht, darin nimmt er auch auf die Nachhaltigkeit des Pensionssystems Bezug. Ebenfalls erschienen ist der diesjährige „Global Pension Report“, in dem die Allianz 71 Pensionssystem, darunter das österreichische, analysiert. (Bild: Alexa/Pixabay) mehr ...
 
24.1.2025 – Nachhaltigkeit: Wie sich der abstrakte Begriff in der Praxis der Versicherer konkret niederschlägt, hat Greco in einer Analyse untersucht. (Bild: Rheo/Pixabay) mehr ...