Von sich aus melden sich nur wenige Kunden

23.3.2016 – Zumindest in Deutschland hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass auch eine bereits lange zurück erfolgte Kündigung und Rückkauf oder gar der frühere Ablauf einer Lebensversicherung dem späteren Widerruf nicht entgegensteht. Das Widerrufsrecht besteht also auch bei bereits seit langem nicht mehr bestehenden Verträgen weiter.

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Auch in Deutschland wird die Zahl der widerrufbaren Verträge vergleichbar hoch wie in Österreich eingeschätzt. Auch dort will der Versichererverband nur Einzelfälle sehen. Hingegen hat bereits Allianz vor dem Europäischen Gerichtshof die große wirtschaftliche Bedeutung eines unbefristeten Widerrufsrechts bei ungenügender Widerufsbelehrung vorgebracht, um ein günstigeres Urteil zu erhalten.

Nach meiner Erfahrung fallen rund 40 % der Widerrufsfälle in Deutschland auf bereits seit bis zu mehr als 10 Jahren gekündigte und zurückgekaufte Lebensversicherungen, weitere 15 % auf bereits seit vielen Jahren regulär abgelaufene. Hier kann ein Widerruf nur zu einer eventuell höheren Zahlung führen.

Da die meisten gekündigten Verträge in den ersten 12 Jahren gekündigt werden und somit in Deutschland ohnehin zu versteuern sind, kann der Widerruf bei diesen bereits gekündigten Verträgen auch nach Steuern nicht zu einem schlechteren Ergebnis führen. Bei regulär abgelaufenen Verträgen kommt dies aber konkret in Einzelfällen vor.

Die Erfahrung, dass sich von selbst nur wenige Kunden wegen des Widerrufs melden, kann aus Deutschland bestätigt werden. Die meisten werden hier vielmehr durch eine wachsende Anzahl von „Anwaltsdienstleistern“, teilweise ehemaligen oder auch weiter bestehenden Makler- und Finanzberatungsbetrieben nicht nur aus eigenen Kundenbeständen, sondern auch durch breitflächige Ansprache von Versicherungsvermittlern akquiriert.

Diese bieten dem Kunden eine entsprechende Serviceleistung inkl. Kostenübernahme gegen Gewinnbeteiligung. Manche „Verbraucheranwälte“ erklären nur den Widerruf und ausdrücklich keine Kündigung, damit im Streitfall der Streitwert durch eine sonst erhaltene Rückkaufsleistung nicht vermindert ist.

Zumindest die Rechtsschutzversicherungen in Deutschland haben das Ausmaß des Problems erkannt und in neuen Verträgen den Rechtsschutz bei Widerruf von Lebensversicherungen eingeschränkt. Denn nachdem der BGH festgestellt hatte, dass der Rechtsschutzfall erst eintritt, wenn der Versicherer den Widerruf nicht anerkennt, wurden noch vor dem Widerruf viele Rechtsschutzversicherungen neu abgeschlossen.

Peter Schramm

info@pkv-gutachter.de

zum Artikel: „Rücktrittsrecht: VVO reagiert auf Sammelklage-Aktion”.

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