Cholesterintest beim Wurstsemmelkauf?

12.11.2020 – Im Zusammenhang mit der Corona-Problematik wird laufend über die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen diskutiert. Den einen geht etwas zu weit, den anderen greift etwas zu kurz – man wird nie alle zufriedenstellen können.

Die POG-Diskussion ist ein sehr ähnliches Beispiel. Zusätzlich zu den ohnedies längst ausufernden Informations-und Dokumentationspflichten wird nun eine weitere Verschärfung oder eine weitere Checkliste ins Auge gefaßt.

Vergessen wird, dass wir längst einen Overkill an Informationen haben; diese Problematik wurde sogar von der Vertreterin des Konsumentenschutzministeriums bei der IFA in Rust eingeräumt.

Maklervertrag, Vollmacht, AGBs, Sepa, POGs, DSGVO-Einwilligungserklärung, Risikoerfassungsbögen, Summenerfassungsbögen, Zielmarktdiskussion, 40- bis 60-seitige Anträge und schlussendlich das Beratungsprotokoll. All dies muss gemacht und auch IT-maßig verarbeitet werden.

Wenn eine Rechtsanwältin ein weiteres Papier ins Auge fasst, so denkt sie wohl in den Sphären der 15-minütigen Abrechnungen der Honorare. Kommt halt noch eine Viertelstunde zu ... Euro dazu.

Im sogenannten Breitengeschäft sprechen wir aber von Jahresprämien von 200 bis 300 Euro für Haushalts-, Rechtschutz- oder Unfallversicherungen, von denen der Vermittler Provision bekommt.

Mit all den überbordenden Auflagen wird analoge Beratung aus dem Markt gedrängt, das kann man wirtschafltich schlicht nicht mehr darstellten. Umgekehrt „strampfen” die Klienten längst gegen den Papierkrieg.

Ein Vergleich mit einer anderen Branche ist immer interessant: Der Beratungsprozess bei Versicherungen hat die Allergenverordnung bei Lebensmitteln längst weit übertroffen. Umgelegt auf diese müsste die Fleischabteilung im Supermarkt den (übergewichtigen?) Kunden schon längst um die Blutfette und den Cholesterinstatus fragen.

Und – bei allem Respekt vor Checklisten: Hätte sich Mr. Sullenberger sklavisch an diese gehalten, dann hätte er die Airbusmaschine am 15.1.2009 nicht bravourös im Hudson River „gelandet”, sondern 155 Menschen wären tot gewesen.

Rudolf Mittendorfer

r.mittendorfer@verag.at

zum Artikel: „Wenn der Versicherer das Beratungsprotokoll sehen will”.

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