An der Wurzel packen

16.12.2010 – Fehlberatung insbesondere in Wissensberufen wird es immer geben. Die Aufarbeitung von bereits eingetretenen Beratungsschäden hat eine ähnliche Problematik wie die Leseschwäche von Kindern. Man kann es kaum mehr rückgängig machen. Der Versuch, im Rechtsweg Strukturversäumnisse auszugleichen, muss scheitern. Der volkswirtschaftliche Schaden verlagert sich bestenfalls vom Kunden zum Berater. Ein Nullsummenspiel mit hohen Nachbearbeitungskosten.

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Die Gewinner der verlorenen Finanzmittel oder des mangelhaften Versicherungsschutzes können durchaus legal nicht belangt werden. Es war einfach meist das falsche Produkt zur falschen Zeit gekauft worden. Nur in Einzelfällen lag eine Irreführung durch übertriebene Marketingdurchdringung der Angebotstexte vor oder eine systematische Fehlberatung, durch Gier getrieben. Jeder Sieg und umso mehr jede Niederlage hat stets mehrere Väter. Bis heute hat die Bundesregierung keine Gesetzesvorlage zur umfassenden Reform der Anlageberatungsberufe vorgelegt. Unverändert ist die Ausübung des „Finanzdienstleistungs-Asistenten“ ohne Befähigung gesetzlich zulässig.

Es ist empirisch durch das „finanzportal.at“ erwiesen, dass Verbraucher, also Menschen in Österreich beim Versicherungswissen die Schulnote 4 und beim Finanzwissen die Schulnote 5 haben. Und das zu 75 Prozent, Tendenz steigend. PISA ist nicht allein in der Schule zuhause, sondern in allen Haushalten in allen Generationen! Es braucht einen Kraftakt, das Problem an der Wurzel zu packen und nachhaltig zu lösen.

Es gilt unter anderem, bei der Ausbildung wie Weiterbildung der Wissensberufe für Kredit, Versicherung und Wertpapier kräftig und rasch die Anforderungen zu verschärfen, klare Berufsbilder mit klaren Haftungen zu schaffen. Der Kunde muss ohne viel Nachfragen weitgehend im Vorfeld wissen – diese Verpflichtung haben wir doch schon, oder? –, in welcher Rechtsform und welcher Qualifikation ein Berater ihm begegnet. Kurz: „Was drauf steht, muss drin sein“ und wo das nicht zutrifft, soll es heftige Sanktionen geben.

Seit 2008 heißt es von allen Seiten: Ja, wir wollen den Inhalt des Beratermarkt Neu samt formaler Anlegersicherheit. Nur ist keiner bereit, es umzusetzen, in Gesetzesform vorzulegen. Tun wir es doch endlich, unserer eigenen besseren Zukunft wegen.

Walter Michael Fink

office@RMF.at

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