Amerikanische Verhältnisse?

29.5.2010 – Der unerfreuliche Anlass soll nicht dazu dienen, ein an sich vernünftiges Modell in Frage zu stellen. Weg mit der Pflichtversicherung klingt gut – aber ist eine private Krankenversicherung mit obligatorischer Annahme bzw. ohne Gesundheitsfragen bekannt? Auch als überzeugter Befürworter der privaten Zusatzversicherungen muss ich feststellen, dass die Grundversorgung anders nicht – jedenfalls nicht besser – darstellbar ist. Wenn man jedoch ein Wahlsystem erlaubt, dann führt dies unweigerlich zu einer negativen Risikoselektion zu Lasten der Pflichtversicherung, das liegt ja auf der Hand.

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Um die Jungen und Gesunden wird sich immer jede Versicherung reißen, aber wie sieht es mit den anderen aus? Oder gibt es jemanden in unserer Branche, der noch nie mit nicht versicherungsfähigen Kunden zu tun gehabt hat?

Was die Pflichtmitgliedschaft in der Kammer anlangt, so ist dies ähnlich gelagert. Bei aller berechtigten Kritik muss man auch die Grundidee dieser freiwilligen Entscheidung aus dem Jahr 1849/49 in Erinnerung gerufen werden. Damals (wie heute?) ging es darum, eine Vertretung aller Selbständigen zu schaffen. Eine Vereinigung auf freiwilliger Basis führt zwangsläufig zunächst zum Trittbrettfahrertum und letztlich zur Oligarchie jener, die freiwillig Beiträge einzahlen. Wir erwarten ja auch nicht von der Gewerkschaft (die freiwillig ist), dass diese die Interessen der Gewerbetreibenden mit vertritt!

Nichtsdestotrotz weist die niedrige Wahlbeteiligung bei den soeben abgehaltenen Kammerwahlen nicht nur auf die allgemeine Politikverdrossenheit hin, sondern sollte durchaus als Anlass für grundlegende Reformen betrachtet werden. Doch eines sollte man immer beachten: Bevor man ein (bewährtes) System abschafft, sollte man (bessere) Alternativen zu Hand haben.

Wir sehen ja in den USA, wie schwierig es ist, trotz expliziten Wunsches des Präsidenten eine allgemeine Sozialversicherung zu begründen. Und über die sonstigen Kosten des dortigen Gesundheitssystems breiten wir besser den Mantel des Schweigens: Die Realität läuft nämlich anders als in den Fernsehserien dargestellt.

Rudolf Mittendorfer

r.mittendorfer@verag.at

zum Leserbrief: „Weg mit der Pflichtversicherung”.

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