7.11.2024 – Nicht jede Form der Zusammenarbeit ist gleich Teamwork, und bei der Bildung von Teams kann man auch so manches falsch machen, gibt Unternehmensberater Stefan Bald zu bedenken. Teambildung durchläuft verschiedene Phasen, der „Output“ steigt mit der Zeit, erklärt Bald in diesem Beitrag.
Welche Mitarbeiter eines Unternehmens müssen „teamfähig“ sein? Alle! Diesen Eindruck gewinnt man bei der Lektüre von Stellenanzeigen. In ihnen wird von den neuen Mitarbeitern meist gefordert, sie sollen „teamfähig“ sein – und zwar unabhängig davon, ob das Unternehmen gerade einen Pförtner, Verkäufer, ITler oder Bereichsleiter sucht.
Fakt ist: Der Begriff „teamfähig“ hat sich zu einer Leerformel entwickelt. In Stellenanzeigen kann er vieles bedeuten. Zum Beispiel, dass der neue Mitarbeiter, ohne nachzudenken und nachzufragen, macht, was man ihm sagt. Gemäß der Maxime: Nicht schwätzen, sondern schaffen! Der Mitarbeiter soll – aus Sicht der Führung – also „pflegeleicht“ sein.
Der Begriff kann aber auch das Gegenteil bedeuten: Der Neue soll bei seiner Arbeit über den Tellerrand hinausschauen, mitdenken und eigene Ideen einbringen, wie Aufgaben (künftig) besser gelöst werden könnten – selbst, wenn er dabei tradierte Lösungen hinterfragt.
Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff „Teamarbeit“. Auch er wird inflationär und unterschiedlich gebraucht.
Manche Unternehmen sprechen bereits von Teamarbeit, wenn zwei Mitarbeiter gemeinsam Briefe in Kuverts stecken. Bei solchen Routinearbeiten von Teamarbeit zu sprechen, ist Nonsens – selbst wenn sich die Mitarbeiter dabei ab und zu darüber abstimmen müssen „Wer macht was bis wann?“. Dann praktizieren sie trotzdem keine Teamarbeit. Sie arbeiten schlicht zusammen.
Echte Teamarbeit wird in der Regel in Unternehmen nur praktiziert, wenn es „harte Nüsse“ zu knacken gilt. Also wenn zum Beispiel komplexe Aufgaben zu lösen sind, die das Know-how mehrerer Experten unterschiedlicher Disziplinen erfordern.
Teamarbeit ist zudem meist sinnvoll und erforderlich, wenn Lösungen für Probleme gefunden werden sollen, die mehrere Unternehmensbereiche betreffen – unter anderem damit in die Problemlösung die Erfahrungen und Bedürfnisse aller betroffenen Bereiche einfließen, sodass sich letztlich alle mit der Lösung identifizieren und bei deren Umsetzung möglichst wenig vermeidbare Schwierigkeiten auftreten.
Doch was unterscheidet ein Team von einer Gruppe? Ein Team zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sich seine Mitglieder wechselseitig inspirieren – also den gemeinsamen Horizont erweitern.
Wenn alle Beteiligten dasselbe Know-how, dieselbe Erfahrung und dieselbe Sichtweise auf das zu lösende Problem haben, brauchen Unternehmen kein Team zu gründen. Denn dann befruchten sich dessen Mitglieder nicht wechselseitig. Folglich werden auch keine innovativen Lösungen entwickelt, was gerade in einer Zeit, in der sich die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns der Unternehmen rasch und radikal wandeln, oft nötig ist.
Ein Team organisiert zudem seine Zusammenarbeit weitgehend selbst. Es bestimmt ausgehend vom angestrebten, oft vorgegebenen Ziel selbst, wer welche (Teil-)Aufgabe übernimmt und wie beim Lösen des Problems vorgegangen wird.
Hier liegt der zentrale Unterschied zwischen einem Team und einer Gruppe. Einer Gruppe werden die Regeln der Zusammenarbeit weitgehend vorgegeben. Auch ihr Leiter wird von den „Chefs“ ernannt.
Ein Team hingegen wählt bzw. bestimmt seinen Leiter selbst. Er ist zudem nicht der Chef des Teams. Seine Funktion beschränkt sich vielmehr darauf, die Arbeit des Teams zu steuern und zu koordinieren und es nach außen zu vertreten. Im Idealfall ist er ein „primus inter pares“ und kristallisiert sich erst im Teamfindungsprozess heraus.
Im Idealfall – wohlgemerkt! Oft praktizieren Unternehmen nämlich ein anderes Verfahren. Sie benennen zunächst den Teamleiter. Dieser soll dann „sein Team“ bilden. Dies tut er auch – häufig nach den Kriterien: Mit wem komme ich gut klar? Und: Wer hat gerade Zeit? Die zu erfüllende Aufgabe spielt hingegen bei der Auswahl der Teammitglieder zuweilen eine marginale Rolle.
Eine Ursache hierfür ist: Es gibt wenig gute Hilfsmittel für das Zusammenstellen von Teams. Zwar werden viele Tests im Markt angeboten, die angeblich helfen, das „ideale Team“ zu finden. Ihr Nutzen ist aber oft gering.
Unter anderem aus folgenden Gründen: Diese Tests blenden meist aus, dass ein Team nur erfolgreich arbeiten kann, wenn seine Mitglieder (gemeinsam) ein breites Fachwissen und die erforderliche Expertise zum Lösen des Problems bzw. der Aufgabe haben. Sonst hätte ja kein Team gegründet werden müssen.
Sie berücksichtigen zudem nicht, dass jedes Team so in seinem Umfeld verankert sein muss, dass es die nötige Unterstützung erfährt. Deshalb erleiden Unternehmen meist Schiffbruch, wenn sie Teams gemäß der Faustregel bilden „Man nehme einen Fachmann, einen Visionär, einen Organisator und einen Kommunikator und fertig ist das perfekte Team“.
Trotzdem wird im Firmenalltag oft so verfahren – auch weil die Entscheidung „Wir forcieren die Teamarbeit“ oder „Wir bilden ein Projektteam“ häufig über Nacht fällt. Entsprechend hastig werden die Teams formiert.
Und vom ersten Tag an sind sie mit der Erwartung konfrontiert, entweder mehr zu leisten oder kreativer und innovativer zu sein, als wenn seine Mitglieder als Einzelkämpfer agieren würden. Schließlich erhoffen sich die Unternehmensführer von der Teamarbeit in der Regel eine Steigerung der Produktivität sowie Innovationskraft und -geschwindigkeit der Organisation.
Dabei wird übersehen: Jedes Team durchläuft, bevor es voll leistungsfähig ist, zunächst einen längeren Prozess der Selbstfindung. Dieser Prozess gliedert sich in vier Phasen:
In den ersten drei Phasen ist das Team stark mit sich selbst beschäftigt. Entsprechend mager sind oft seine Arbeitsergebnisse. Sie sind zumeist geringer, als wenn die Mitglieder alleine arbeiten würden, und einer die Kommandos, was jeder zu tun hat, vorgäbe. Deshalb wird die Teamarbeit in diesen Phasen oft als ineffektiv erlebt – von den Teammitgliedern selbst und ihrem Umfeld.
Ein entsprechendes Feedback erhalten sie von ihren Kollegen bzw. ihrem Umfeld: „Wann kann man mit ersten Lösungsansätzen rechnen?“ Dies fördert nicht die Stimmung. Entsprechend groß ist die Gefahr, dass sich einzelne Teammitglieder aus der Teamarbeit verabschieden, bevor sie eigentlich begonnen hat.
Deshalb sollte der Teambildungsprozess – speziell von Teams, die sich mit einem hohen Erwartungsdruck konfrontiert sehen – von einem Coach oder erfahrenen Teamentwickler begleitet werden. Er kann, indem er zum Beispiel die richtigen Fragen stellt, den Teambildungsprozess beschleunigen.
Ein ähnlicher Effekt tritt ein, wenn die Teammitglieder in der Startphase ein Teamtraining besuchen, um sich dort sozusagen im Zeitraffer zusammenzuraufen. Dies ist gerade bei virtuellen und hybriden Teams meist extrem wichtig; also Teams, deren Mitglieder sich im Arbeitsalltag, wenn überhaupt, nur sporadisch persönlich treffen und sonst weitgehend per Telefon oder digital miteinander kommunizieren.
Denn das für eine effektive Zusammenarbeit nötige Vertrauen zwischen den Teammitgliedern setzt auch ein Gespür dafür voraus, wie das Gegenüber tickt und was ihm (in der Zusammenarbeit) wichtig ist.
Keineswegs müssen die Teammitglieder jedoch wie eine Fußballtruppe „elf Freunde“ sein. Im Gegenteil: Eine zu große Kumpanei schmälert oft den Output von Teams. Denn dann geraten schnell die Aufgabe und das Arbeitsziel aus dem Blickfeld; zudem werden Probleme und Verhaltensweisen, die die Zielerreichung erschweren, nicht offen artikuliert.
Das gilt es insbesondere beim Implementieren von Teams, die als „Innovation Labs“ in Unternehmen fungieren sollen, zu bedenken; Teams also, die ganz neue, zukunftsweisende Ideen und Problemlösungen generieren sollen; zum Beispiel, weil sich die Rahmenbedingungen des Handelns des Unternehmens fundamental gewandelt haben.
Denn auch diese Teams agieren nicht zweck- und zielfrei. Ihre Funktion ist es vielmehr, Wege aufzuzeigen und zu entwickeln, wie das Unternehmen auch künftig mit Erfolg agiert.
Entsprechend radikal müssen in ihnen die bisher praktizierten Vorgehensweisen und Problemlösungen hinterfragt werden – und zwar ohne Rücksicht auf individuelle Vorlieben sowie einzelne Personen und Bereiche.
Stefan Bald
Der Autor arbeitet als Changeberater und Teamentwickler für die Unternehmensberatung Kraus & Partner.
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