Beruf Aktuar: interessanter und spannender als wahrgenommen

18.12.2025 – Längst geht die Tätigkeit von Aktuaren über die Tarifierung von Lebensversicherungen hinaus. Sie beschäftigen sich mit Risikomanagement, sind in die Kapitalveranlagung eingebunden und auch in anderen Branchen tätig. Profi-Aktuar Christoph Krischanitz wünscht sich, dass der Berufsstand auch in der Öffentlichkeit entsprechend wahrgenommen wird.

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Aktuar und Unternehmensberater Christoph Krischanitz (Bild: Krischanitz)
Aktuar und Unternehmensberater
Christoph Krischanitz (Bild: Krischanitz).

Als er Mathematik studiert hat, seien Versicherungen für ihn langweilig gewesen. Das sagt Christoph Krischanitz, Profi-Aktuar und Unternehmensberater, im Gespräch mit dem VersicherungsJournal. Doch das habe sich längst „massiv geändert“.

Der Beruf des Aktuars sei ein „extrem spannender Job“, der in alle Bereiche des Lebens hineinreicht. Während es früher um die Kalkulation von Lebensversicherungen oder Pensionsrückstellungen gegangen sei, gebe es heute eine „schier unendliche Zahl von Themen“.

Zu den Lebensversicherungen sind Sachversicherungen, aber auch Finanzanlagen und Risikomanagement als Aufgabengebiete hinzugekommen. Und heute gehe es zunehmend auch um Daten und künstliche Intelligenz.

Breites Betätigungsfeld

Gesetzlich vorgeschrieben ist die Tätigkeit eines Aktuars für Lebensversicherungen, weil es dort um die Finanzierung der Verpflichtungen gegenüber Kunden geht. Heute würden aber auch Kfz- und andere Tarife mathematisch gerechnet.

Viel habe sich auch durch Solvency II geändert, so Krischanitz. Ausgehend von ökonomischen Bilanzen und der Berechnung von Reserven habe sich das Risikomanagement entwickelt, heute seien Aktuare auch mit Kapitalmodellen und langfristigen Risikoszenarien beschäftigt.

Im Bereich der Kapitalanlage sei es „eine vernünftige Strategie, von den Verpflichtungen auszugehen“. Es gebe heute eine starke Interaktion mit den Veranlagungsverantwortlichen, Aktuare seien allerdings noch nicht so sehr eingebunden, „wie wir uns das gewünscht hätten“.

Als weitere Tätigkeitsfelder, in die Aktuare involviert werden, seien in den letzten Jahren die Implementierung künstlicher Intelligenz, Datenmanagement und Datenmigration dazugekommen.

In vielen Branchen tätig

Und so verwundert es auch nicht, dass Aktuare heute in den verschiedensten Bereichen tätig sind. Bei Wirtschaftsprüfern und in der Finanzmarktaufsicht seien sie in die Prüfung von Versicherungsunternehmen eingebunden.

Natürlich seien sie auch in Rückversicherungen tätig, und auch bei Banken könne man mit versicherungsmathematischem Know-how viel bewirken, ebenso wie bei Klimamodellen oder der Entwicklung von Softwareprodukten.

Inzwischen gebe es auch „kaum eine Versicherungsgesellschaft, in der nicht ein Aktuar im Vorstand sitzt“, so Krischanitz. Für ihn eine „gute Ergänzung zum juristischen Denken“. Und auch die meisten Risikomanager seien Aktuare.

Megathema KI

Künstliche Intelligenz befinde sich noch in der Experimentierphase, betont Krischanitz. Sie helfe, schneller zu sein und könne die Datenqualität verbessern. In der Modellierung seien Aktuare aber noch sehr vorsichtig, es gebe noch zu viele Beispiele, wo KI nicht funktioniert.

Vorteile der KI sieht Krischanitz darin, dass sie Aktuaren helfen könnte, sich für ein gutes Modell zu entscheiden, und diese sich nicht mehr mit Unnötigem beschäftigen müssen. Aktuare hätten aber Verantwortung und seien verpflichtet, zu ihren Ergebnissen zu stehen.

Eine Gefahr sieht Krischanitz: KI könnte einfache Tätigkeiten übernehmen, die man aber als Aktuar brauche, um Erfahrungen zu sammeln. Das könnte es schwieriger machen, erfahrene Aktuare hervorzubringen: „In zehn bis 20 Jahren hat man die Leute nicht mehr.“

Überschaubarer Berufsstand

Rund 450 Aktuare gebe es in Österreich, in Europa seien es etwa 30.000. Krischanitz: „Ein überschaubarer, kleiner Berufsstand.“ Nachwuchs sei wichtig, es „könnten mehr Junge sein“.

Doch in der Bildungspolitik werde nicht viel für Mathematik gemacht, Mathematik und Versicherungen hätten auch nicht das beste Image und gelten nicht als „sexy“. Der Profi-Aktuar ortet hier auch eine „mediale Verzerrung“.

Versicherungsmathematik sei heute ein Vollstudium. Universität, Aktuarsvereinigung und Versicherungsverband würden sich bemühen, die Attraktivität des Berufs für junge Menschen zu steigern – die große Euphoriewelle sei aber bis jetzt ausgeblieben.

Größte Herausforderung sei in diesem Zusammenhang die Positionierung, es gehe darum, die Wichtigkeit der Rolle eines Aktuars hervorzustreichen, damit der Berufsstand in der Öffentlichkeit auch entsprechend wahrgenommen wird.

 
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