11.4.2025 – Rund eineinhalb Millionen Versicherungskunden sind „Detraktoren“ – Kunden, die ihren Anbieter eher oder gar nicht weiterempfehlen würden, berichtet Telemark Marketing. Abwanderung und negativer Mundpropaganda können die Folge sein. Die Gründe dafür können ganz unterschiedlich sein, haben aber öfters mit dem Preis, mit der Schadenabwicklung oder dem Service zu tun. Ein wesentlicher Faktor seien „unentdeckte“ Beschwerden.
Seit rund zwei Jahrzehnten vergibt der Finanz-Marketing Verband Österreich (FMVÖ) inzwischen den „Recommender Award“, die diesjährige Verleihung findet im Mai statt. Bekommen können ihn Versicherer und Finanzinstitute mit einer hohen Weiterempfehlungsbereitschaft ihrer Kunden.
Die zugrunde liegende Umfrage führt das Wiener Institut Telemark Marketing jeweils in den ersten Monaten eines jeden Jahres durch. Die zentrale Kennzahl, die dabei eruiert wird, ist der „Net Promoter Score“, kurz NPS. Heuer betrug er NPS bei Versicherungsunternehmen im Schnitt 18 Prozent.
Was bedeutet diese Zahl? Die Befragten geben ihre Weiterempfehlungsbereitschaft für ihr Institut auf einer Skala von 0 („sehr unwahrscheinlich“) bis 10 („sehr wahrscheinlich“) an.
Wer 9 oder 10 antwortet, gilt als „Promotor“. Wer im Bereich 0 bis 6 antwortet, gilt als „Detraktor“. Die Rechnung „Anteil der Promotoren minus Anteil der Detraktoren“ ergibt den NPS.
Bei der jüngsten Umfrage 2025 hatten Versicherer in Summe 39 Prozent Promotoren und 21 Prozent Detraktoren. Gegenüber den letzten Jahren ist das eine Verbesserung, letztes Jahr waren es 26 Prozent Detraktoren.
Unternehmen mit geringeren NPS-Werten werden freilich danach trachten, ihren NPS zu steigern – man möchte schließlich weiterempfohlen werden.
Promotoren sind aber nur der eine Teil der Rechnung, der andere Teil sind die Detraktoren. Darauf machte Telemark-Marketing-Geschäftsführer Robert Sobotka am Donnerstag bei einem Online-„Financial Breakfast“ des FMVÖ aufmerksam.
Immerhin handle es sich bei dem Fünftel Detraktoren um rund eineinhalb Millionen Kunden, die es potenziell zu verlieren – oder an anderer Stelle zu gewinnen – gibt.
Mit Detraktoren sind für Versicherer Gefahren verbunden. Eine davon kann in der Neigung zu negativer Mundpropaganda liegen, stellte Sobotka fest.
Es gebe Studien, die darauf hinweisen, dass zufriedene Kunden ihre Erfahrungen mit etwa drei Personen teilen, während negative Mundpropaganda wirksamer ist und an sieben bis 15 Personen weitergegeben wird.
In den Recommender-Daten zeige sich, dass am Ende nur ein geringer Prozentsatz tatsächlich von einem Unternehmen abrät. Ein Grund zur Beruhigung ist das aber noch nicht.
Denn ein weiteres Risiko sei die Kundenabwanderung: Ein unzufriedener Kunde habe den Gedanken ans Wechseln im Hinterkopf.
So ein Wechsel werde nicht immer gleich und sofort vorgenommen, zumal das mit einer gewissen Mühe verbunden ist. Dennoch haben laut Sobotka immerhin mehr als eine Million Kunden 2024 ihre Versicherung gekündigt.
Der meistgenannte Grund dafür sei zwar gewesen, dass die Versicherung ganz einfach nicht mehr gebraucht wurde (28,9 Prozent). Danach kommen aber verschiedene Gründe, die mit einer Art von Unzufriedenheit zu tun hatten.
Nicht sehr viel weniger Kunden war die Versicherung zu teuer (24,9 Prozent). 11,4 Prozent meldeten Probleme bei der Schadensabwicklung, 9,2 Prozent Probleme mit dem Betreuer. 8,6 Prozent fanden den Kundenservice schlecht.
Das stimmt bereits darauf ein, welche Gründe es gibt, zum Detraktor zu werden. Nach den von Sobotka präsentierten Daten spielen vor allem „schlechte Beratung, schlechte Betreuung, schlechter Service“ eine Rolle (16,1 Prozent), gefolgt von „hohen Kosten“ (15,4 Prozent).
9,5 Prozent machten „negative Erfahrungen, Unzufriedenheit“ geltend, 7,6 Prozent einen nur geringen Kontakt oder wenig Erfahrung mit Versicherungen. 5,9 Prozent fanden das Preis-Leistungs-Verhältnis oder die Schadensleistung ungenügend.
4,0 Prozent hatten die Erfahrung gemacht, dass es „kompliziert, unflexibel, langsam“ zuging. 4,3 Prozent haben grundsätzlich ein negatives Bild von Versicherungen. Einige nannten auch andere Gründe wie etwa, dass Versicherung einfach kein Thema ist, über das gesprochen wird.
Welche Ereignisse haben letztlich dazu geführt, dass aus Kunden Detraktoren wurden? Bei Versicherungen war der E-Mail-Kontakt ein besonders häufiger Knackpunkt, an dem die Stimmung kippte (27 Prozent).
Vergleichsweise oft (23 Prozent) war auch klassische Post vom Versicherer – Sobotka nannte etwa die Zusendung von Polizzen als mögliches Ereignis – ein Detraktionskatalysator. In 15 Prozent lag es am Telefonkontakt, in 9 Prozent der Fälle an einem Gespräch mit dem Berater in der Filiale.
Andere Anlässe wie Werbung, ein Beratungsgespräch außerhalb der Filiale oder die Website des Versicherers wurden weniger häufig genannt.
Betreuung ist also einer der wesentlichsten Punkte, an denen Kunden zu Detraktoren werden, betonte Sobotka und merkte an, dass fast die Hälfte (45 Prozent) der Detraktoren innerhalb des letzten Jahres keinen persönlichen oder telefonischen Kontakt zum Versicherer hatten. Eine intensivere Betreuung könne dem Entstehen von Detraktoren entgegenwirken.
Sichtbar wird das gerade im Schadensfall. Unter den Promotoren hatten im letzten Jahr 34,1 Prozent einen solchen. Bei den Detraktoren war der Anteil sogar noch geringer: 30,6 Prozent hatten einen Schadensfall.
Blickt man näher auf diese 30,6 Prozent, dann zeigt sich: 52 Prozent war mit der Schadenerledigung zufrieden (Schulnote 1 oder 2). Unzufrieden waren 27 Prozent (Note 4 oder 5). Für Sobotka weist das auf einen Zusammenhang zwischen schlechter Schadenbearbeitung und dem Wandel zum Detraktor hin.
Daraus ergebe sich die Frage: Wird die richtige Strategie verfolgt? Nämlich von vornherein den Verlust von Kunden zu vermeiden, statt viel Aufwand in die Kundenakquisition zu investieren?
Wenn nein, dann könnte ein gewisses Umdenken sinnvoll sein, sodass nicht nur Promotoren, sondern verstärkt auch Detraktoren Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Ein großer Faktor seien in dem Zusammenhang die „unvoiced complaints“. Gemeint sind damit unzufriedene Kunden, die dem Unternehmen einfach leise bis sang- und klanglos den Rücken kehren. Wie kann es gelingen, solche „unvoiced complaints“ zu verhindern?
Um das Aufdecken und Abstellen von Unzufriedenheit in der Praxis ging es im zweiten Teil des Financial Breakfasts. Lesen Sie mehr dazu im Beitrag „‚Beschwerden-Maximierung‘, richtig gemacht“.
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