11.4.2025 – Ein Teil der Kunden ist unzufrieden, viele von ihnen teilen das ihrem Versicherer aber gar nicht erst mit, sondern ziehen still und leise weiter, sagt Unternehmensberater Wolfgang Seidel. Er rät dazu, diese Kunden zum Reden zu bewegen. Denn wer sich nicht beschwert, dessen Problem könne nicht gelöst werden und laufe Gefahr, als Kunde verlorenzugehen.
Die „Netto“-Weiterempfehlungsbereitschaft der Kunden, gemessen am „Net Promoter Score“, besteht aus zwei Komponenten: dem Anteil der Weiterempfehlungsbereiten („Promotoren“) und dem – davon abzuziehenden – Anteils jener Kunden, die von dem Unternehmen abraten würden („Detraktoren“).
Die „Weiterempfehlungsstärke“ kann also auf zweierlei Arten gesteigert werden: durch Erhöhung des Anteils der „Fans“ und der Verkleinerung des Anteils jener, die abwandern oder gar negative Mundpropaganda entfalten könnten.
Wie Robert Sobotka, Geschäftsführer von Telemark Marketing, am Donnerstag bei einem „Financial Breakfast“ des Finanz-Marketing Verbandes (FMVÖ) ausführte, gibt es mehrere Punkte, an denen Versicherer ansetzen können, um „Detraktion“ zu verhindern (lesen Sie dazu den heutigen Artikel „Risiken der Kundenunzufriedenheit und wie sie entstehen“).
Wie das in der Praxis vonstattengehen kann, skizzierte Wolfgang Seidel von der Ingolstädter Servmark Unternehmensberatung.
Zunächst gelte es, den „Nährboden“ zu identifizieren, auf dem Detraktion wächst. Zweitens: Kunden identifizieren, die Detraktoren sind oder Gefahr laufen, solche zu werden. Drittens: Sicherstellen, dass diese Kunden keine negative Kommunikation tätigen oder eine solche wieder zurücknehmen.
Und schließlich viertens: die Gründe, die aus Kunden Detraktoren machen, erkennen und beseitigen.
Um Problemen auf den Grund zu gehen, empfiehlt Seidel, sich mit den Kundenanliegen zu beschäftigen, die täglich eingehen – mit anderen Worten: das Kunden-Feedback als „Marktforschungsinstrument“ nutzen.
Unzufriedenheit und Enttäuschung entstehen dadurch, dass Leistungserwartung und Leistungswahrnehmung in negativer Weise auseinanderklaffen, so Seidel. Dann gebe es für Kunden vier Handlungsmöglichkeiten: Abwanderung, negative Mundpropaganda, Inaktivität oder Beschwerde.
Viele Kunden beschweren sich aber nicht, stellte Seidel fest. Das könne verschiedene Gründe haben, etwa den damit verbundenen Zeitaufwand oder dass sich der Kunde fragt, was seine Beschwerde tatsächlich bringt.
Seidel gibt den Unternehmen aber zu bedenken: „Alles außer der Beschwerde hat negative Auswirkungen für Sie.“ Deshalb sei es wichtig, unzufriedene Kunden zu erkennen und dazu zu bewegen, dass sie sich beschweren – nur so kann auf ihr Problem eingegangen werden.
Seidel zeigte an Hand einer Kundenbefragung aus dem Bereich der Sachversicherung, dass zwei Drittel der unzufriedenen Kunden ihre Beschwerden gar nicht erst artikulierten.
Vom restlichen Drittel seien auf dem Weg durch das Beschwerdemanagement viele Beschwerden untergegangen, sodass am Ende nur ein kleiner Bruchteil an Beschwerden tatsächlich registriert worden sei. Hier liege der Nährboden für Detraktion – und „eine große Herausforderung“.
Aufgabe Nummer eins sei: den großen Teil an nicht erfassten Beschwerden aufzudecken. Aufgabe Nummer zwei: „Beschwerden maximieren“, denn, so Seidel, „das Beste, was passieren kann, ist: Der Kunde spricht mit Ihnen!“ Wenn er es nicht tut, „haben Sie schon verloren“. Und ein Kunde, der erst einmal weg ist, sei schwer wieder zurückzugewinnen.
„Beschwerden maximieren“ sollte freilich nicht missverstanden werden. Wichtig sei, den Anteil der verärgerten Kunden von vornherein zu minimieren.
Wenn der Kontakt zum verärgerten Kunden hergestellt ist, können Maßnahmen ergriffen werden, die verhindern, dass er zum Detraktor wird. Das kann sowohl individuelle Umstände des Kunden berühren als auch „kundenübergreifende“ Gründe, die Unzufriedenheit auslösen.
So könne aus einem unzufriedenen Kunden, dem zugehört wurde und um dessen Anliegen man sich gekümmert hat, ein loyaler Kunde werden.
Die Herausforderung für diesen Prozess bestehe in einem authentischen Verstehen und Dokumentieren aller relevanten Informationen und Umstände, im Kategorisieren der Probleme, die Kunden zu Detraktoren werden lassen. Dazu müsse man die „Kundennarrative“ in den Mittelpunkt rücken.
Und diese Kundengeschichten, die das Entstehen der Unzufriedenheit erzählen, bekomme man beispielsweise durch E-Mail-Beschwerden kostenlos zugeschickt. Künstliche Intelligenz könne wertvolle Dienste in der Problemerkennung und -kategorisierung leisten.
Unzufriedenheit sei ein einflussreicherer Faktor für das Verhalten des Kunden als Zufriedenheit, und eine adäquate Lösung könne zu starken positiven Emotionen führen.
Um einer Abwanderung vorzubeugen, sei aber auch nötig, dass der Kunde nicht damit rechnen muss, dass die Probleme in Zukunft wieder auftreten.
„Was muss getan werden, um Kundenverluste, Unzufriedenheit, Verärgerung zu vermeiden?“ Diese Fragestellung, unterstrich Seidel, sorge „für die notwendige Erweiterung des Blickwinkels für tatsächlich nachhaltige Kundenbindung“.
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