9.3.2023 – Weil die Haftpflichtversicherung des Subunternehmers nur einen Teil des Schadens decken wollte, meldete ein Generalunternehmer diesen auch seinem – zufällig selben – Haftpflichtversicherer. Er erhielt zwei Vergleichsangebote und nahm beide an, weil sie in Summe seinen Schaden nicht ganz abdeckten. Der Versicherer hätte das zweite Angebot aber nicht abgegeben, hätte er gewusst, dass auch ein anderes Angebot vorliegt. Der OGH entschied: Voraussetzung für eine Anfechtung des Vergleichs ist eine vorsätzliche Täuschung; da dazu Feststellungen fehlen, wurde der Fall an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die R. GmbH & Co KG war Generalunternehmerin eines Bauvorhabens und bediente sich dabei mehrerer Subunternehmer, unter anderem der K. GmbH, die selbst wieder die Firma I. als Subunternehmerin beschäftigte.
Diese Firma I. hat eine mangelhafte Abdichtung zu verantworten, wodurch es im Jänner 2019 zu Wassereintritten und in der Folge zu Schäden kam. Für Sanierungsarbeiten aufgrund dieses Schadenfalls forderte die R. insgesamt 53.532,81 Euro zuzüglich USt vom Haftpflichtversicherer der I.
Der Versicherer war allerdings der Meinung, dass die I. nur für einen Teil des Schadens verantwortlich war; er unterbreitete der R. einen unpräjudiziellen Vergleichsvorschlag über 25.000 Euro.
Daraufhin bat die R. ihre Versicherungsmaklerin, den Schadenfall auch ihrem eigenen Haftpflichtversicherer zu melden, weil aus dem Haftpflichtversicherungsverhältnis der Subunternehmerin zunächst keine Regulierung zu erreichen wäre.
Die R. hatte eine Haftpflichtversicherung bei der G. AG abgeschlossen; der Schadenfall wurde von der Regionaldirektion für Oberösterreich und Salzburg bearbeitet. Die Versicherung beinhaltete auch die Abdeckung von Schäden, die von Subunternehmern verursacht wurden.
Eine Referentin der G. AG in Linz anerkannte einen Teil des Schadens als gedeckten Fremdschaden, der Rest betreffe das eigene Gewerk der R. und sei nicht gedeckt. Sie bot für einen außergerichtlichen Vergleich einen Betrag von 23.701 Euro an.
Die G. AG war darüber hinaus auch Haftpflichtversicherer der Firma I.; der gleiche Schadenfall wurde dort von der Regionaldirektion für Tirol und Vorarlberg bearbeitet. Die Mitarbeiter der beiden Regionaldirektionen kannten die Schadensmeldungen der anderen Seite nicht.
Am 16. Dezember 2020 veranlasste ein Referent der G. AG in Tirol die Überweisung von 25.000 Euro an die R. Ungefähr zur selben Zeit teilte die Maklerin der R. dieser mit, dass sie einen Erledigungsvorschlag der Regionaldirektion für Oberösterreich und Salzburg über 23.701 Euro erhalten habe.
Die R. entschied sich dafür, beide Erledigungsvorschläge anzunehmen, da die beiden Zahlungen zusammen ungefähr den von ihr getragenen Schaden abdeckten.
Erst als die Linzer Referentin ein Regressverfahren gegen die I. einleitete, erfuhr sie von der Zahlung der 25.000 Euro durch die Regionaldirektion für Tirol und Vorarlberg. Hätte sie deren Angebot gekannt, hätte sie selbst kein Angebot für die Schadenregulierung über 23.701 Euro gemacht.
In einer Klage fordert die G. AG von der R. nun die Rückzahlung der 23.701 Euro. Aufgrund der Mitteilung, dass die Schadensabwicklung mit den Schadenverursachern nicht gelungen sei, sei sie davon ausgegangen, dass die R. keine Zahlung vom Haftpflichtversicherer der I. erhalten habe.
Die G. AG erklärte, die Zahlung sei irrtümlich und rechtsgrundlos erfolgt; sie habe die R. auch darauf hingewiesen, dass sie bloß teilweise Ersatzpflicht habe. Außerdem habe die R. ihre Obliegenheit verletzt, den Schaden gering zu halten und den Versicherer bei der Erledigung des Schadens zu unterstützen.
Die R. argumentierte, sie habe als Generalunternehmerin alle Schadensbehebungskosten getragen, die beiden Zahlungen hätten diesen Schaden nur annähernd refundiert. Es sei nicht verständlich, warum Schäden, die an ihrem Gewerk von der I. verursacht wurden, nicht ersetzt werden sollten.
Erst- und Berufungsgericht gaben der Klage des Versicherers statt. Kausal für den Vergleichsabschluss sei ein Irrtum der G. gewesen, während die R. bereits wusste, dass sie 25.000 Euro erhalten habe oder in Kürze erhalten würde.
Die unterschiedlichen Vorstellungen über die Vergleichsgrundlage hätten ihren Grund ausschließlich in der sittenwidrig unterlassenen Aufklärung durch die R. Diese habe auch eine Obliegenheitsverletzung zu verantworten, weil sie ihren Versicherer im Glauben gelassen habe, keine Einigung mit dem Haftpflichtversicherer der I. erzielen zu können.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts legte die R. Revision beim Obersten Gerichtshof ein. Dieser betont einleitend, dass der nunmehr zurückgeforderten Zahlung ein außergerichtlicher Vergleich zugrunde liege.
Nach § 1380 ABGB verstehe man unter einem Vergleich eine unter beiderseitigem Nachgeben einverständliche neue Festlegung strittiger oder zweifelhafter Rechte.
Im vorliegenden Fall sei es zunächst zweifelhaft gewesen, ob und in welcher Höhe Anspruch auf eine Versicherungsleistung besteht. Nachdem der Versicherer ein Vergleichsangebot gestellt hat, sei dieses von der R. angenommen worden; damit sei ein beiderseitiges Nachgeben erfolgt.
Eine Irrtumsanfechtung komme nur dann in Betracht, wenn der Irrtum das Wesentliche betrifft, das die Parteien zur Zeit des Vergleichsabschlusses als feststehend, unzweifelhaft und unstreitig angenommen haben. Nur ein Irrtum über die Vergleichsgrundlage könne eine Vergleichsanfechtung rechtfertigen.
Im vorliegenden Fall habe es sich nicht um einen gemeinsamen Irrtum gehandelt, weil nur der Versicherer, ausgelöst durch das Verhalten der R., einem Irrtum darüber unterlegen ist, dass keine weiteren Zahlungen an die R. für den Schadensfall geleistet werden.
Damit scheide ein Irrtum über die Vergleichsgrundlage aus. Ein Irrtum über einen einzelnen Vergleichspunkt berechtige aber nur bei listiger Irreführung durch den Gegner zur Anfechtung. Auf eine solche berufe sich die G. AG auch mit ihren Ausführungen.
List sei im Sinn von § 870 ABGB eine bewusste Täuschung, die vorsätzliches Verhalten des Irreführenden voraussetzt, so der OGH. Der Irreführende müsse dabei wissen, dass der andere irrt und dass der Irrtum Einfluss auf dessen Willensentschluss ausübt.
Dafür genüge bedingter Vorsatz, der Täuschende muss den Irrtum des anderen Teils ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden. Grobe Fahrlässigkeit reiche nicht aus.
Auch das bewusste Verschweigen wahrer Tatsachen könne eine List begründen. Voraussetzung dafür sei, dass der Schweigende gegen eine ihm obliegende Aufklärungspflicht verstößt, der andere Teil aber eine solche Aufklärung erwarten durfte.
Im vorliegenden Fall habe der Versicherer aufgrund der Angaben der Maklerin berechtigterweise davon ausgehen können, dass eine Schadensabwicklung mit dem schadenverursachenden Unternehmen oder dessen Haftpflichtversicherer nicht möglich gewesen sei.
Dies habe der Versicherer auch seinem Vergleichsangebot zugrunde gelegt, was auch für die R. erkennbar gewesen sei.
Ebenso seien die Vergleichsbereitschaft und die Höhe des Angebots davon abhängig gewesen, ob nach einer Zahlung eine Regressmöglichkeit beim schadenverursachenden Subunternehmer bestand. Auch dies sei für die R. erkennbar gewesen.
Jedenfalls durfte der Versicherer erwarten, dass er von der R. über eine erwartbare Zahlung für den Schadensfall durch den Subunternehmer informiert wird. Damit würden Anhaltspunkte für eine Anfechtung des Vergleichs nach § 870 ABGB vorliegen, so der OGH.
Allerdings würden Feststellungen dazu fehlen, ob die R. bzw. die ihr zuzurechnende Versicherungsmaklerin mit einer entsprechenden Täuschungsabsicht gegenüber dem Versicherer gehandelt haben.
Die R. habe sich nämlich darauf berufen, dass sie aufgrund der Identität des Versicherers davon ausgehen durfte, dass dieser Kenntnis darüber habe, dass auch aus den anderen Schadensakten eine Zahlung geleistet wurde.
Da die Kausalität des Irrtums für die Zahlung feststehe, müssten im fortgesetzten Verfahren festgestellt werden, ob eine vorsätzliche Täuschung des Versicherers durch die R. vorlag.
Nur im Fall einer vorsätzlichen Täuschung wäre eine Anfechtung des Vergleichs möglich; lag dagegen nur ein grob fahrlässiges Verhalten der R. vor, so wäre die Anfechtung wegen List nicht berechtigt. Der OGH verwies den Fall an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück.
Die OGH-Entscheidung 7Ob221/22h vom 25. Jänner 2023 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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