8.10.2024 – Ein gelernter Tischler war 107 Versicherungsmonate lang als Hausmeister tätig, der auch Tischlerarbeiten verrichtete. Weitere 15 Monate lang war er in zwei geringfügigen Beschäftigungen als Tischler und als Hausbesorger tätig. Reicht das, um die Bedingung von 120 Versicherungsmonaten für eine Invaliditätspension zu erfüllen? (Bild: Tingey Injury Law Firm)
Ein 1961 geborener, gelernter Tischler hat in den 15 Jahren vor dem 30. November 2022 verschiedene Tätigkeiten ausgeübt. Dabei erwarb er neun Versicherungsmonate als selbständiger Tischler nach GSVG und fünf Versicherungsmonate als unselbständiger Tischler nach ASVG.
15 Monate lang war er nach ASVG vollversichert, da er zwei geringfügigen Beschäftigungen (Tischler und Hausbesorger) nachging. Schließlich erwarb er 107 Versicherungsmonate als Haus- und Gebäudebetreuer, wobei rund zehn Prozent seiner Tätigkeit Tischlerarbeiten waren.
Die Tätigkeit als Hausbesorger ist ihm nicht mehr zumutbar, auch ist er unter der Annahme eines Tätigkeitsschutzes nicht mehr verweisbar. Berufsschutz als Tischler besteht unstrittig nicht. Er könnte aber diverse Verweisungstätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten.
Ende August 2022 beantragte er eine Invaliditätspension, was von der Pensionsversicherungsanstalt abgelehnt wurde.
Daraufhin reichte er Klage ein; er habe in den letzten 15 Jahren mehr als 120 Kalendermonate als Hausverwalter bzw. Hausmeister gearbeitet, weshalb nach § 255 Absatz 4 ASVG Tätigkeitsschutz bestehe.
Das Erstgericht wies die Klage ab; es lägen keine 120 Versicherungsmonate einer Tätigkeit in den letzten 180 Monaten vor, auch wenn der Kläger aufgrund mehrfacher geringfügiger Beschäftigungen eine Beitragszeit für die Pensionsversicherung erworben habe.
Grund sei, dass er die geringfügige Beschäftigung nicht überwiegend als Hausmeister ausgeübt habe. Er könne noch eine Verweistätigkeit ausüben, weshalb Invalidität nicht vorliege.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil ab. Es erklärte, der Kläger habe dem Grunde nach Anspruch auf eine Invaliditätspension ab 1. November 2022. Übe jemand mehrere Tätigkeiten parallel aus, so sei die Gesamttätigkeit maßgebend.
Er habe einerseits geringfügige Beschäftigungen als Hausbetreuer und Tischler ausgeübt, andererseits habe er als Hausbetreuer auch Tischlerarbeiten verrichtet. Dies sei als „eine Tätigkeit“ im Sinne des § 255 Absatz 4 ASVG anzusehen.
Dagegen legte die Pensionsversicherungsanstalt Revision beim Obersten Gerichtshof ein. Diese wurde vom Berufungsgericht zur Frage zugelassen, ob Zeiten einer mehrfach geringfügigen Beschäftigung als Zeiten einer Tätigkeit im Sinne des § 255 Absatz 4 ASVG anzusehen seien.
Einleitend geht der OGH auf die Bestimmung des § 255 Absatz 4 ASVG ein. Es handle sich dabei nicht um einen Arbeitsplatzschutz, sondern um eine besondere Form des Berufsschutzes im Sinn eines Tätigkeitsschutzes für Versicherte, die das 60. Lebensjahr vollendet haben.
Es werde dabei nicht auf die Anforderungen an einem bestimmten Arbeitsplatz abgestellt, sondern auf die Tätigkeit mit dem am allgemeinen Arbeitsmarkt typischerweise gefragten Inhalt.
An das Kriterium der „einen Tätigkeit“ lege die Rechtsprechung keine allzu strengen Maßstäbe an, so der OGH. Darüber hinaus werde das Wort „eine“ nicht als Zahlwort verstanden, mehrere, ähnliche Tätigkeiten könnten zu einer zusammengefasst werden. Entscheidend sei die Gesamttätigkeit.
Für die Erfüllung der geforderten 120 Kalendermonate seien auch nach dem GSVG versicherte selbständige Tätigkeiten sowie Beitragsmonate aufgrund eines freien Dienstvertrags nach § 4 Absatz 4 ASVG zu berücksichtigen, wenn auch Zeiten einer unselbständigen Beschäftigung nach ASVG bestehen.
Nicht differenziert werde im § 255 Absatz 4 ASVG nach der Höhe des Entgelts oder dem Ausmaß der Arbeitszeit, allerdings werde das Vorliegen einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit vorausgesetzt.
Eine (einzige, Anm.) geringfügige Beschäftigung genüge nicht, weil der Abschluss einer Selbstversicherung freiwillig sei und die Einbindung in das System der Pensionsversicherung fehlt, so der OGH.
Beitragsmonate einer freiwilligen Versicherung könnten daher nicht als Monate gewertet werden, in denen eine versicherte Person eine Tätigkeit im Sinne des § 255 Absatz 4 ASVG ausgeübt hat.
Im vorliegenden Fall sei der Kläger aber aufgrund mehrfacher geringfügiger Beschäftigung nach dem ASVG auch in der Pensionsversicherung pflichtversichert gewesen. Damit lag auch die nötige Einbindung in das System der Pensionsversicherung vor.
Was die verschiedenen Tätigkeiten betrifft, komme es entgegen der Ansicht der Pensionsversicherungsanstalt nicht darauf an, ob diese miteinander vergleichbar sind oder ob ihre wesentlichen Tätigkeitselemente übereinstimmen, so der OGH.
Die Tätigkeiten seien nämlich nicht nacheinander oder abwechselnd, sondern stets parallel ausgeübt worden. Damit seien die Tätigkeiten als Tischler und als Hausbesorger und die spätere Tätigkeit als Hausbesorger, der auch Tischlerarbeiten verrichtet, als eine Gesamttätigkeit anzusehen.
Die Revision der Pensionsversicherungsanstalt erwies sich daher als nicht berechtigt.
Die OGH-Entscheidung 10ObS59/24k vom 10. September 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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