11.11.2024 – Der Anspruch auf Rehabilitationsgeld oder BU-Pension, das Verfahren vor der PVA, die (Nicht-)Feststellung der Berufsunfähigkeit, Berufsschutz und das Vorgehen im Fall eines negativen Bescheids – Jürgen E. Holzinger setzt sich in diesem Beitrag mit der Geltendmachung von Ansprüchen auseinander.
Ein sehr praxisrelevantes Thema ist immer wieder die Frage, wie es im bzw. nach einem Langzeitkrankenstand für Betroffene weiter geht.
Wird aufgrund körperlicher und/oder psychischer Krankheiten ein längerer Krankenstand notwendig, ist es ratsam, sich bereits vor der Aussteuerung (Ausschöpfung des Krankenstandes nach 52 Wochen) Gedanken über die weitere Vorgehensweise zu machen – vor allem dann, wenn an Erwerbsarbeit aus gesundheitlichen Gründen (noch) nicht gedacht werden kann.
Rein rechtlich hat man Anspruch auf Rehabilitationsgeld/Berufsunfähigkeitspension, wenn man voraussichtlich mindestens sechs Monate im Krankenstand bleiben muss.
Achtung, es ist dabei irrelevant, ob man bereits im Krankenstand war oder ob bereits eine Aussteuerung stattgefunden hat – lediglich die künftige Prognose ist ausschlaggebend.
Sinnvoll ist es also, sich nach spätestens einem halben Jahr Krankenstand mit den behandelnden Ärzten zu besprechen, wie die Zukunftsprognose für die künftigen Monate aussieht.
Kommen diese zum Schluss, dass der Krankenstand noch mindestens weitere sechs Monate dauern wird, ist es sinnvoll, sich mit der Antragsstellung des Rehabilitationsgeldes oder der BU zu befassen.
Unterschätzt wird in der Praxis häufig auch die Dauer eines Verfahrens mit der Pensionsversicherungsanstalt sowie die hohe Ablehnungsquote – aktuell werden rund 74 Prozent der Anträge an die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) zunächst abgelehnt.
Wird dann ein Klageverfahren begonnen, kann man noch einmal einige Monate an Wartefrist bis zum endgültigen Ergebnis dazu rechnen.
Wie läuft nun so ein Verfahren vor der PVA ab?
Am wichtigsten ist es, dass aktuelle Befunde (also Befunde, die nicht älter als ein Jahr sind) einen guten Überblick über den körperlichen und psychischen Zustand der betroffenen Person geben. Diese werden gemeinsam mit dem ausgefüllten Antrag bei der zuständigen Pensionsversicherungsanstalt abgegeben.
Stichtag der Gültigkeit des Antrages ist dabei immer der erste Tag des Folgemonates – wird der Antrag also am 2.11.2024 abgegeben, würde die Pensionsleistung nach Ablauf des Verfahrens rückwirkend ab 1.12.2024 ausbezahlt werden.
Nach Einlangen der Unterlagen wird ein oder werden mehrere Sachverständige aus dem jeweiligen medizinischen Gebiet der Krankheiten von der Pensionsversicherung bestellt, wovon die antragstellende Person schriftlich informiert wird.
Nach einem oder mehreren Untersuchungsterminen wird dann im Zuge eines Gesamtgutachtens festgestellt, ob (vorübergehende) Berufsunfähigkeit vorliegt.
Achtung: Es kommt dabei nicht darauf an, ob die antragstellende Person noch einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen kann oder nicht. Es wird begutachtet, ob die antragstellende Person noch mindestens 50 Prozent der Arbeitszeit einer vergleichbaren Person ohne Einschränkungen erwirtschaften kann.
Vereinfacht ausgedrückt, bedeutet das Folgendes: Wird festgestellt, dass die antragstellende Person noch 20 Stunden arbeiten und somit einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen kann, liegt (vorübergehende) Berufsunfähigkeit nicht vor.
Wird eine reduzierte Arbeitsfähigkeit von 19 Stunden und weniger festgestellt, so wird die (vorübergehende) Berufsunfähigkeit zugesprochen.
Eine besondere Rolle kommt dabei auch dem sogenannten Berufsschutz zu, also der Frage, ob Verweistätigkeiten möglich wären oder ob mit vorhandenem Berufsschutz eine Arbeitsfähigkeit im erlernten oder zuletzt ausgeübten Beruf nicht möglich ist.
Seit der Reform 2014 ist der Berufsschutz jedoch in einen Qualifikationsschutz aufgeweicht worden, sodass eine Verweisung erleichtert wurde.
Sollte ein negativer Bescheid ausgestellt werden gibt es ab der Zustellung des Bescheides eine dreimonatige Frist, um eine Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht einzubringen.
Um adäquat einzuschätzen, wie aussichtsreich so ein Klageverfahren ist, muss zuerst bei der zuständigen Pensionsversicherungsanstalt per Mail oder telefonisch das zum Bescheid gehörende medizinische Gutachten angefordert werden.
Erst damit kann überprüft werden, wie die Chancen auf einen positiven Ausgang des Klageverfahrens einzuschätzen sind.
Nach Überprüfung der Unterlagen kann eine Kanzlei eingeschaltet werden, die bestenfalls eine Spezialisierung auf den Bereich des Arbeits- und Sozialrechtes hat.
Diese kann dann fristgerecht die Klage einbringen, woraufhin das Gericht eigene Sachverständige aus den jeweiligen medizinischen Gebieten mit der Begutachtung der antragstellenden Person beauftragt.
Auch hier wird wieder ein Gesamtgutachten erstellt, welches dann feststellt, ob die Ersteinschätzung der Behörde richtig war oder ob doch (vorübergehende) Berufsunfähigkeit vorliegt.
Der Autor ist Obmann des Vereins Chronischkrank Österreich. Zu den Zielen des Vereins gehört Bewusstseinsbildung rund um den Wert der Arbeitskraft. Der Verein bietet Vorträge und Workshops zum Thema Berufsunfähigkeit an und bietet Betroffenen Hilfestellung.
Hinweis: Der siebte Teil der Serie erscheint in einer Woche.
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