7.3.2023 – Ehefrau und Tochter eines Verstorbenen beanspruchten die Auszahlung der Lebensversicherung. Weil sich der Versicherer selbst in die Situation gebracht habe, eine Bezugsrechtsänderungserklärung nicht mehr auffinden zu können, war der Erlag der Summe bei Gericht nicht schuldbefreiend, so der OGH. Der Versicherer ist schadenersatzpflichtig.
Zwischen der Ehefrau und der Tochter eines verstorbenen Versicherungsnehmers entbrannte ein Streit um dessen Lebensversicherung.
Der Verstorbene hatte über eine kombinierte Renten- und Lebensversicherung mit zwei eigenständigen Polizzen verfügt. Ursprünglich sollten seine Frau und seine Tochter jeweils zur Hälfte bezugsberechtigt sein.
Aufgrund von Differenzen mit seiner Tochter ließ er später über eine Versicherungsvermittlerin eine Änderung vornehmen; nunmehr sollte allein seine Frau bezugsberechtigt sein.
Der Versicherer erklärte, dass er für die Lebensversicherung keine schriftliche Änderung der Bezugsberechtigung erhalten habe.
Die Versicherungssumme aus der Rentenversicherung sowie die halbe Versicherungssumme aus der Lebensversicherung zahlte er an die Ehefrau aus, den Rest hinterlegte er bei einem Bezirksgericht.
Daraufhin reichte die Ehefrau Klage gegen den Versicherer ein; sie fordert die Auszahlung von 52.449 Euro sowie die Feststellung der Haftung für künftige Schäden.
Zuletzt hatte das Berufungsgericht dem Zahlungsbegehren stattgegeben, das Feststellungsbegehren aber abgelehnt. Sowohl Versicherer als auch die Ehefrau legten gegen diese Entscheidung außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof ein.
In seiner rechtlichen Beurteilung betont der OGH, dass die seinerzeit vom Verstorbenen ausgefüllte schriftliche Anzeige einer Änderung des Bezugsrechts nach den Feststellungen der Vorinstanzen in der Sphäre des Versicherers verloren gegangen sei.
Ein Versicherungsvermittler sei nach § 45 Abs.1 Z. 2 VersVG bevollmächtigt, das Versicherungsverhältnis betreffende Erklärungen vom Versicherungsnehmer entgegenzunehmen.
Dem Versicherer seien Handlungen und Unterlassungen des von ihm eingesetzten Versicherungsvermittlers zuzurechnen. Der Versicherer habe sich daher selbst in die Situation gebracht, die Bezugsänderungserklärung für die Lebensversicherung nicht mehr auffinden zu können.
Wenn mehrere angeblich Anspruchsberechtigte eine Forderung an ihn stellen, habe ein Schuldner nicht das Recht zu einem gerichtlichen Erlag, wenn ein Anspruch offenkundig unbegründet und dies für ihn leicht erkennbar ist, so der OGH.
Ein gerichtlicher Erlag ohne zureichenden Hinterlegungsgrund befreie den Schuldner nicht. Da im vorliegenden Fall der Versicherer den Grund für den Streit in seiner Sphäre gesetzt habe, war der Erlag der Versicherungssumme bei Gericht nicht schuldbefreiend.
Nach den allgemeinen Regeln des Schadenersatzes müsse ein Schuldner beweisen, dass er an der Erfüllung einer vertragsmäßigen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert war. Der Versicherer könne aber keine Gründe für eine schuldbefreiende Hinterlegung des Betrags aufzeigen.
Daher habe der Versicherer das Bezugsrecht der Ehefrau schuldhaft vereitelt und sich schadenersatzpflichtig gemacht. Der OGH hat daher die außerordentliche Revision des Versicherers zurückgewiesen.
Ebenfalls erfolglos blieb die Revision der Ehefrau gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts. Sie hatte die Feststellung gefordert, dass der Versicherer ihr für sämtliche zukünftigen Schäden aus der nicht erfolgten Änderung der Bezugsberechtigung Ersatz leisten müsse.
Dies hatte sie damit begründet, dass sie möglicherweise mit Prozesskosten konfrontiert sein könnte, weil es völlig ungewiss sei, ob über die hinterlegte Summe zwischen ihr und ihrer Tochter ein Prozess geführt werden würde.
Diese behaupteten Schäden würden ihr aber nicht drohen, weil sie kein Verfahren gegen ihre Tochter führen müsse. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts sei nicht korrekturbedürftig, so die Höchstrichter.
Die OGH-Entscheidung 7Ob213/22g vom 25. Jänner 2023 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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