Unfallversicherung: Streit über Risikoausschluss für Indoorklettern

12.7.2024 – Jedem Versicherungsnehmer sei das Wissen zuzumuten, dass einer Unfallversicherung bestimmte Begrenzungsnormen zugrunde liegen und dass erhöhte Gefahrensituationen aus dem Versicherungsschutz ausgenommen sein können, so der OGH. Dies treffe auch auf den Risikoausschluss für Indoorklettern zu, unabhängig davon, dass andere Versicherer diese Sportart nicht ausschließen.

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Symbolfoto (Bild: cegoh bei pixabay)
Symbolfoto (Bild: cegoh bei pixabay)

Im Mai 2023 stürzte eine Versicherungsnehmerin beim Klettern in einer Indoorhalle während des Abseilens und verletzte sich. Von ihrem Unfallversicherer fordert sie einen Betrag von mehr als 33.600 Euro. Der Versicherer lehnte mit Hinweis auf die Versicherungsbedingungen eine Leistung ab.

Die Versicherungsnehmerin hatte einen Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen; vereinbart waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung 2010 (AUVB 2010) in der Fassung 02/2015.

Artikel 19 definierte unter anderem „Klettern/Bergsteigen über Schwierigkeitsgrad VI nach französischer Skala; Klettersteig über Schwierigkeitsgrad E“ als „unversicherbare Sportarten“.

Artikel 20 listete Ausschlüsse für „Unfälle, die bei der Ausübung von […] besonders gefährlichen Sportarten eintreten“ auf. Dazu zählten unter anderem „Indoorklettern, Klettern/Bergsteigen über Schwierigkeitsgrad IV nach französischer Skala, Klettersteig über Schwierigkeitsgrad D“.

Vorinstanzen weisen Klage ab

Die Klage der Versicherungsnehmerin wurde von Erst- und Berufungsgericht zurückgewiesen; der Risikoausschluss sei weder intransparent nach § 6 Absatz 3 Konsumentenschutzgesetz, noch ungewöhnlich nach § 864a ABGB oder gröblich benachteiligend nach § 879 Absatz 3 ABGB.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wandte sich die Versicherungsnehmerin in einer außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof.

Dieser erinnert in seiner rechtlichen Beurteilung daran, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen stets am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung auszulegen seien.

Ausschlüsse dürften nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks, der gewählten Ausdrucksweise und des Regelungszusammenhanges erfordert. Unklarheiten würden dabei in der Regel zu Lasten des Versicherers gehen.

Risikoausschlüsse anderer Versicherer nicht relevant

Die Sportart „Indoorklettern“ werde zwar nicht in Artikel 19 der AUVB, sondern in Artikel 20 genannt; dies führe aber nicht dazu, dass die Bestimmung intransparent wäre. Es bedeute nur, dass Indoorklettern grundsätzlich versicherbar wäre, so der OGH.

Weil darüber hinaus in Artikel 20 sowohl Indoorklettern als auch Klettern/Bergsteigen über Schwierigkeitsgrad IV genannt seien, sei völlig klar, dass die Einschränkungen für Klettern bzw. Bergsteigen nicht auch für Indoorklettern gelten.

Nur weil Versicherungsbedingungen anderer Versicherer Indoorklettern nicht als Risikoausschluss anführen, sei die Bestimmung nicht ungewöhnlich. Eine völlige Gleichstellung der Risikoausschlüsse würde nämlich zu einem Verlust der Produktdiversität führen.

Die Bestimmung sei daher weder ungewöhnlich noch gröblich benachteiligend. Darüber hinaus befinde sich die Klausel auch dort, wo sie vom Versicherungsnehmer zu erwarten ist, so der OGH.

Revision zurückgewiesen

Jedem Versicherungsnehmer könne das Wissen zugemutet werden, dass einem Unfallversicherungsvertrag gewisse Begrenzungsnormen zugrunde liegen; er habe daher grundsätzlich mit Risikoausschlüssen und Einschränkungen zu rechnen, betont der OGH.

Außerdem sei es in der Unfallversicherung üblich, dass eine erhöhte Gefahrensituation aus dem Versicherungsschutz ausgenommen wird. Dass die Vorinstanzen Indoorklettern aufgrund der mit dieser Sportart verbundenen Risiken als gefährliche Sportart beurteilt hatten, sei nicht zu beanstanden.

Schließlich werde jeder verständige Versicherungsnehmer unter der Sportart „Indoorklettern“ nicht nur das Hinaufklettern verstehen, sondern auch das Abseilen. Damit gehe das Argument der Klägerin zur fehlenden Kausalität des Risikoausschlusses ins Leere.

Die Versicherungsnehmerin habe daher keine erhebliche Rechtsfrage aufgeworfen, die außerordentliche Revision wurde vom OGH zurückgewiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob92/24s vom 19. Juni 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

 
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