10.1.2025 – Der OGH entschied: Grundsätzlich schließt die Deckung des Versicherungsfalls eines Diebstahls im Rahmen der Teilkaskoversicherung auch einen auf diesen Diebstahl folgenden Unfall mit ein. Und insbesondere wegen der heute üblichen elektronischen Schlüssel entfalle das äußere Bild einer Kfz-Entwendung nicht dadurch, dass das Fahrzeug später ohne Spuren an den Schließzylindern wieder aufgefunden wird.
Im Februar 2020 wurde ein Fahrzeug nach einem Unfall, der zu einem Totalschaden geführt hatte, auf der Höhenstraße in Klosterneuburg abseits der befestigten Straße aufgefunden. Der Zulassungsbesitzer erklärt, das Fahrzeug sei zuvor von unbekannten Tätern gestohlen worden.
Von seinem Teilkasko-Versicherer fordert er den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwerts und Selbstbehalts. Der Versicherer erklärte, das Fahrzeug sei nicht gestohlen worden, dem Zulassungsbesitzer sei es nicht gelungen, dafür den Vollbeweis zu erbringen.
Beweiserleichterungen würden dem Fahrzeughalter nicht zustehen, da das Fahrzeug wieder aufgefunden worden ist, so der Versicherer. Abgesehen davon wäre das Ereignis aufgrund des Unfalls unter das Unfallrisiko zu subsumieren, das mangels Vollkaskoversicherung nicht versichert sei.
Der Fahrzeugbesitzer verfügt für das Fahrzeug über einen Teilkasko-Versicherungsvertrag, vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für die Teilkaskoversicherung mit Parkschaden (AK2 2018).
Demnach ist das Fahrzeug unter anderem gegen Beschädigung, Zerstörung und Verlust durch Diebstahl, Unterschlagung, Raub oder unbefugten Gebrauch durch betriebsfremde Personen versichert.
Gestohlene, unterschlagene oder geraubte Gegenstände, die mehr als einen Monat nach Zugang der Schadensanzeige wieder zur Stelle gebracht werden, werden Eigentum des Versicherers.
Führt ein unter die Versicherung fallendes Ereignis zu einem Totalschaden, so zahlt der Versicherer laut den Bedingungen den Wiederbeschaffungswert; im Fall, dass ein gestohlenes Fahrzeug wiedergefunden wird, maximal zwei Prozent des Wiederbeschaffungswertes für die Rückholkosten.
Der Fahrzeugbesitzer reichte nach der Ablehnung durch den Versicherer Klage ein. Im bereits zweiten Rechtsgang traf das Erstgericht nach der vom Berufungsgericht aufgetragenen Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Diebstahls eine Negativfeststellung.
Die vom Fahrzeugbesitzer dagegen erhobene Beweisrüge behandelte das Berufungsgericht nicht, hob aber das Urteil des Erstgerichts auf, weil dieses zu Unrecht die für derartige Konstellationen vorgesehene Beweiserleichterung nicht angewendet habe.
Der Versicherer legte gegen diesen Beschluss Rekurs beim Obersten Gerichtshof ein.
In seiner rechtlichen Beurteilung beschäftigt sich der OGH einleitend mit der Frage, ob ein auf einen Diebstahl folgender Unfall im Rahmen der Teilkaskoversicherung gedeckt ist, wobei der Begriff „Diebstahl“ eine bestimmte, unstrittige Bedeutung habe und im Sinn des § 127 StGB auszulegen sei.
Der Ansicht des Versicherers, dass ein auf einen Diebstahl folgender Unfall ausschließlich unter dem Unfallrisiko der Vollkaskoversicherung versichert wäre, weil der Wertverlust des Fahrzeugs nicht durch den Diebstahl, sondern durch die Entschädigung eingetreten sei, widerspricht der OGH.
Dafür, dass die Beschädigung eines zuvor gestohlenen Fahrzeugs vom versicherten Risiko des Diebstahls umfasst ist, spreche schon, dass der Versicherungsnehmer keinen Einfluss darauf hat, ob der Dieb mit dem gestohlenen Fahrzeug verunfallt und dieses dabei beschädigt.
Auch die Formulierung der Bedingungen spreche dafür, da darin der Umfang der Versicherung mit der Beschädigung oder Zerstörung des Fahrzeugs durch Diebstahl beschrieben und damit mit dem Verlust des Fahrzeugs durch Diebstahl gleichgesetzt werde, so der OGH.
Dass auch nach dem Auffinden eines gestohlenen Fahrzeugs Leistungen erbracht werden, gehe auch daraus hervor, dass in den Bedingungen eine Vergütung der Rückholkosten in bestimmtem Ausmaß vorgesehen ist.
Grundsätzlich schließe daher die Deckung des Versicherungsfalls eines Diebstahls im Rahmen der Teilkaskoversicherung auch einen auf diesen Diebstahl folgenden Unfall mit ein, so die Höchstrichter.
Grundsätzlich habe der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalles zu beweisen, betont der OGH. Wegen der oft großen Beweisschwierigkeiten stünden ihm aber in der Schadensversicherung gewisse Beweiserleichterungen zu.
Es genüge dann, ein Mindestmaß an Tatsachen zu beweisen, die das äußere Erscheinungsbild eines Versicherungsfalles bilden. Dies werde von der ständigen Rechtsprechung auch auf Fälle des Kfz-Diebstahls angewandt.
Typischerweise könne das tatsächliche Geschehen, nämlich der Diebstahl, nicht bewiesen werden. Der Versicherungsnehmer müsse daher nur beweisen, dass er das Fahrzeug ordnungsgemäß abgestellt und bei seiner Rückkehr nicht mehr aufgefunden hat.
Anschließend könne der Versicherer Umstände beweisen, die gegen das Vorliegen eines Versicherungsfalles sprechen, wobei auch dem Versicherer die gleichen Beweiserleichterungen zustehen.
Der bloße Anschein eines Diebstahls sei bereits dann widerlegt, wenn nachgewiesene Umstände ernsthaft für die Möglichkeit eines anderen Geschehensablauf sprechen. Dem Versicherungsnehmer bleibe in diesem Fall nur noch der Vollbeweis offen.
Das Argument, dass es im Falle des Wiederauffindens eines Fahrzeugs eine verwertbare Spurenlage geben müsse, weshalb für Beweiserleichterungen wie bei der Totalentwendung kein Raum bleibe, greife nicht, so der OGH.
Dies treffe insbesondere auf die in jüngerer Zeit verwendeten elektronischen Schlüssel zu, die mittels elektronischer Auslesung gehackt werden können. So judiziere der deutsche Bundesgerichtshof, dass das äußere Bild einer Kfz-Entwendung nicht dadurch entfalle, dass das Fahrzeug später ohne Spuren an den Schließzylindern wieder aufgefunden werde.
Das Beibehalten der Beweiserleichterungen für den Versicherungsnehmer zum Nachweis eines Diebstahls auch im Fall des späteren Auffindens des Fahrzeugs sei überzeugend, so der OGH.
Dem Versicherer stehe nämlich der Erschütterungsbeweis offen; alle Umstände, die beim Wiederauffinden des Fahrzeugs zutage treten und Rückschlüsse auf einen nicht stattgefundenen Diebstahl zulassen, müssten dabei berücksichtigt werden.
Damit liege, wie vom Berufungsgericht festgestellt, der Fall einer anzuwendenden Beweiserleichterung vor. Die Frage, ob dieser Beweis erbracht wurde, könne aber vom OGH nicht überprüft werden.
Da das Berufungsgericht die Beweisrüge des Fahrzeugbesitzers nicht behandelt hat, wurde der Fall an das Berufungsgericht zu deren Erledigung zurückverwiesen.
Die OGH-Entscheidung 7Ob140/24z vom 20. November 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.
Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu! Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.at.
Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.at.
Der VersicherungsJournal Newsletter informiert Sie von montags - freitags über alle wichtigen Themen der Branche.
Ihre Vorteile