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Schockschadenersatz, auch wenn Unfallgegner schuldlos war?

21.2.2025 – Auch wenn nur eine Gefährdungshaftung vorliegt, bestehe die Verletzungshandlung, die zu einem Schockschaden führt, in der Tatsache der Tötung oder schwersten Verletzung eines Angehörigen. Schockschadenersatz stehe daher zu, unabhängig davon, wie es zum Erstschaden gekommen ist, erklärt der Oberste Gerichtshof.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Nach dem Unfalltod ihres Vaters, zu dem sie ein besonders enges und emotionales Verhältnis hatte, erlitt J. eine krankheitswerte Trauerstörung, die mit einem Verlust an Lebensfreude und einer Reduktion der Lebensqualität einherging.

Der Vater war bei einem Verkehrsunfall mit einem Pkw schwer verletzt worden und starb noch am selben Tag. In einer Klage forderte die Tochter vom Haftpflichtversicherer der Unfallgegnerin Trauerschmerzensgeld, Schockschadenersatz und die Feststellung der Haftung.

Der Versicherer lehnte eine Zahlung mit der Begründung ab, der Getötete sei an dem Unfall allein schuld gewesen. Das Erstgericht war der Ansicht, dass die gegnerische Pkw-Lenkerin nur die Gefährdungshaftung nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (EKHG) treffe.

Gleichzeitig erklärte das Erstgericht, den Getöteten treffe ein Mitverschulden von drei Vierteln. Es wies die Forderung nach Trauerschmerzensgeld und das Feststellungsbegehren ab und sprach J. Schockschadenersatz in Höhe von 525 Euro zu.

Berufungsgericht änderte Urteil ab

Das Berufungsgericht wies die Klage zur Gänze ab. Da die Pkw-Lenkerin kein Verschulden treffe, hafte sie nur nach den Bestimmungen des EKHG. Der Ersatz des bloßen Seelenschmerzes komme bei bloßer Gefährdungshaftung aber nicht in Betracht.

Ein Schockschaden sei im Rahmen der Gefährdungshaftung nur dann ersatzfähig, wenn es einen besonders starken Zurechnungsgrund gebe, eine Verletzungshandlung also in hohem Maß geeignet sei, einen Schockschaden herbeizuführen.

Im vorliegenden Fall liege aber keine über die Gefährdungshaftung hinausgehende Verletzungshandlung der Pkw-Lenkerin vor, aus der sich ein besonderer Unrechtsgehalt der Schädigungshandlung ergebe, so das Berufungsgericht.

Zum Begriff des Schockschadens

In der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) argumentiert J., die Verletzungshandlung liege in der Tötung ihres Vaters. Die Schwere des den Schock verursachenden Schadens löse die Ersatzpflicht aus.

Der OGH betont einleitend, dass es in der Revision nur noch um die Frage geht, ob der Klägerin Schockschadenersatz aufgrund einer Gefährdungshaftung des Versicherers bei einem unstrittigen Mitverschulden des Getöteten zustehe.

Bei einem Schockschaden werde die Rechtswidrigkeit nicht aus dem Schutzzweck jener Vorschrift abgeleitet, die die Erstverletzung verhindern soll, sondern aus der bei Verletzung absolut geschützter Rechte gebotenen Interessenabwägung, so die Höchstrichter.

Wann Schockschadenersatz zusteht

Anspruchsberechtigung für Schockschadenersatz sei der Tod oder die schwerste Verletzung des Erstverletzten; andernfalls würde die Verletzungshandlung nicht die für eine Haftungsbegründung nötige, besondere Gefährlichkeit für die Gesundheit des Angehörigen erreichen, betont der OGH.

Der besondere Unrechtsgehalt der Verletzungshandlung gegenüber dem Schockgeschädigten liege nicht darin, wie der Erstschaden herbeigeführt wurde, sondern darin, dass dieser an sich geeignet ist, einen Schockschaden beim Angehörigen herbeizuführen.

Damit weise die Verletzungshandlung, unabhängig von der Schwere der Verletzung jener Norm, die den Erstschaden verhindern soll, gegenüber dem Schockgeschädigten einen besonderen Unrechtsgehalt auf. Dies gelte auch bei bloßer Gefährdungshaftung.

Der geforderte Schockschadenersatz stehe J. daher zu, so der OGH. Die Revision erwies sich als berechtigt, das Urteil des Erstgerichts wurde wiederhergestellt.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 2Ob217/24m vom 22. Jänner 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Gesundheitsreform · Pkw
 
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