Schaden beim Baumfällen: Zahlt Privathaftpflichtversicherer?

12.6.2024 – Die Schlichtungsstelle der Versicherungsmakler wurde mit der Frage befasst, ob der Privathaftpflichtversicherer für einen Schaden aufkommen muss, der durch das Fällen eines Baumes durch den Ehemann der Versicherungsnehmerin verursacht wurde. Da es sich um ein aktives Fehlverhalten gehandelt hat und der Schädiger nicht als Grundstückseigentümer von einer Haftung betroffen ist, wurde dem Versicherer die Deckung dem Grunde nach empfohlen.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Der Ehegatte einer Versicherungsnehmerin hat auf einem ihr gehörenden Grundstück einen Baum gefällt. Durch einen plötzlichen Windstoß fiel der Baum in die falsche Richtung und beschädigte auf der gegenüberliegenden Wegseite einen Zaun und Sträucher.

Ursprünglich hatte die Versicherungsnehmerin den Baum von einer Fachfirma fällen lassen wollen, der Ehemann, der über Erfahrung im Forstbetrieb verfügt, hat die Fällung des Baumes aber ohne ihr Wissen vorgenommen.

An den Geschädigten hat sie inzwischen einen Betrag von 4.361,65 Euro bezahlt. Von ihrem Privathaftpflichtversicherer fordert sie den Ersatz dieses Betrags. Der Versicherer lehnte die Deckung ab, das Risiko sei nur im Rahmen einer Haus- und Grundstückhaftpflichtversicherung versichert.

Bedingungslage

Die Versicherungsnehmerin verfügt über eine Wohnungsversicherung in der Deckungsvariante „Premium“, die auch eine Privathaftpflichtversicherung umfasst. Zu den versicherten Personen zählen Ehegatten, die mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben.

Als Versicherungsfall ist in den Bedingungen ein Schadenereignis definiert, das dem privaten Risikobereich entspringt und aus dem den versicherten Personen Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten.

Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen der versicherten Personen als Privatpersonen aus den Gefahren des täglichen Lebens.

Ausgenommen sind Gefahren einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts, insbesondere als Wohnungsinhaber sowie als „Haus- und Grundbesitzer eines mit einer Eigentum-, Miet- oder Genossenschaftswohnung zur ausschließlichen Nutzung zugewiesenen Gartengrundstückes“.

Grundstück nicht mitversichert

Nach der Ablehnung durch den Versicherer wandte sich die Versicherungsnehmerin mit einem Schlichtungsantrag an die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle des Fachverbands der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten (RSS).

Gegenüber der RSS argumentiert der Versicherer insbesondere, dass in der Wohnungsversicherung nur ein einer Eigentums-, Miet- oder Genossenschaftswohnung zur ausschließlichen Nutzung zugewiesenes Gartengrundstück als mitversichert gilt, was hier nicht vorliege.

Es handle sich um ein von der versicherten Wohnung gesondertes Grundstück, wofür eine Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung erforderlich wäre. In der Wohnungsversicherung sei das Risiko des Haus- und Grundbesitzes grundsätzlich ausgeschlossen, so der Versicherer.

Der Makler der Versicherungsnehmerin erklärt dagegen, es liege zweifelsfrei ein Schaden vor, das Verschulden des Ehemannes sei ebenso gegeben wie die Rechtswidrigkeit seiner Tätigkeit ohne Wissen der Versicherungsnehmerin. Darüber hinaus liege auch Kausalität vor.

Auslegung von Bedingungen

Das Haftpflichtversicherungsrecht sei vom Grundsatz der Spezialität der versicherten Gefahr beherrscht, so die RSS. Es bestehe nur für solche Schadensfälle Versicherungsschutz, die sich aus dem im Versicherungsschein umschriebenen versicherten Risiko ableiten lassen.

Allgemeine Versicherungsbedingungen seien, wenn sie nicht Gegenstand von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut und so auszulegen, wie sie sich dem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen.

Der erkennbare Zweck einer Bestimmung müsse stets beachtet werden, Unklarheiten seien zu Lasten des Versicherers auszulegen, weil dies die Interessen des Vertrauensschutzes erfordern.

Nicht automatisch ausgeschlossen

Laut Bedingungen erstrecke sich die Versicherung auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers und der mitversicherten Personen als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes.

Anschließend folge in den Bedingungen eine demonstrative Aufzählung („insbesondere“, Anm.) von Handlungen und Eigenschaften. Dazu zähle der Punkt „als Haus- und Grundbesitzer eines mit einer Eigentum-, Miet- oder Genossenschaftswohnung zur ausschließlichen Nutzung zugewiesenen Gartengrundstückes“.

Dies bedeute allerdings noch keinen Ausschluss von Schadenersatzverpflichtungen, die sich aus dem privaten Besitz von Grundstücken ergeben, die sich nicht an der bei der Wohnungsinhaltsversicherung angeführten Adresse befinden.

Aktives Fehlverhalten des Ehegatten

Zweck einer Haus- und Grundbesitz-Haftpflichtversicherung sei die Deckung von Schäden insbesondere aus Haftungsrisiken aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten und anderen Pflichten, die den Grundstückseigentümer treffen, betont die RSS in ihrer Empfehlung.

Im vorliegenden Fall werde aber Deckung für ein aktives Fehlverhalten des mitversicherten Ehegatten der Versicherungsnehmerin beim Fällen eines Baumes gefordert. Der Ehemann sei also nicht als Grundstückseigentümer von einer Haftung betroffen.

Die RSS empfiehlt deshalb die Deckung dem Grunde nach. Allerdings wäre zu prüfen, ob den Ehegatten am Umstürzen des Baumes überhaupt ein Verschulden trifft und inwieweit die von der Versicherungsnehmerin bezahlten Schäden durch das Umstürzen des Baumes verursacht wurden.

Da die Schlichtungsstelle keine fachfremden Haftungsfragen klären kann und die Behandlung solcher Fragen den ordentlichen Gerichten vorbehalten bleiben soll, wurde von einer weiteren inhaltlichen Behandlung des vorliegenden Falles abgesehen.

Weitere Informationen

Die Empfehlung der RSS kann als PDF-Dokument (182 KB) von der Website des Fachverbandes heruntergeladen werden.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Haftpflichtversicherung · Haushaltversicherung · Versicherungsmakler
 
Ihr Wissen und Ihre Meinung sind gefragt

Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.

Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu! Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.at.

Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.at.

Täglich bestens informiert!

Der VersicherungsJournal Newsletter informiert Sie von montags - freitags über alle wichtigen Themen der Branche.

Ihre Vorteile

  • Alle Artikel stammen aus unserer unabhängigen Redaktion
  • Die neuesten Stellenangebote
  • Interessante Leserbriefe

Jetzt kostenlos anmelden!

VersicherungsJournal in Social Media

Besuchen Sie das VersicherungsJournal auch in den sozialen Medien:

  • Facebook – Ausgewähltes für den Vertrieb
  • Twitter – alle Nachrichten von VersicherungsJournal.at
  • Xing News – Ausgewähltes zu Karriere und Unternehmen
Diese Artikel könnten Sie noch interessieren
12.9.2023 – Wenn es um Haftungsfragen geht, kommt die Sprache oft rasch auf Fehler in der Beratung. Tatsächlich liegt der Schwerpunkt aber anderswo, sagt Rechtsanwalt Roland. Er illustrierte dies anhand von Urteilen und gab praktische Tipps. (Bild: Weinrauch) mehr ...
 
28.8.2023 – Während eine Versicherungsnehmerin die Heckklappe ihres geparkten Kfz öffnete, um Einkäufe einzuräumen, rollte ihr Einkaufswagen davon und beschädigte ein anderes Fahrzeug. Weil sowohl Kfz-Haftpflicht- als auch Privathaftpflichtversicherer eine Deckung ablehnten, wandte sie sich an die Schlichtungsstelle der Makler. (Bild: Tingey Injury Law Firm) mehr ...
 
2.2.2022 – Eine Frau wurde von einer Katze verletzt, als sie diese streicheln wollte. Von den Katzenhaltern fordert sie Schadenersatz. Der Privathaftpflichtversicherer lehnt zwar die Deckung des Falles nicht ab, ist aber nicht zur Zahlung an die Geschädigte bereit. Zu Recht? mehr ...
 
16.3.2021 – Ein neunjähriges Kind hat bei einer Präsentation ein Feuerwehrauto beschädigt. Der Privathaftpflichtversicherer lehnte eine Deckung ab, weil Schäden aus der Verwendung eines Kfz nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien. Muss der Vater den Schaden selbst bezahlen? mehr ...
 
12.11.2019 – Die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle der Versicherungsmakler wurde mit der Frage befasst, unter welchen Umständen man bei mehreren gemeinsam abgeschlossenen Versicherungssparten auch nur eine einzelne Sparte kündigen kann. mehr ...