Rechtsschutz: 16.000 Euro Anwaltshonorar für 600 Euro Strafe?

22.8.2024 – Nach einem gewonnenen Verwaltungsstrafverfahren verrechnete der Anwalt ein Honorar von brutto mehr als 16.000 Euro. Der Versicherer verweigerte die vollständige Bezahlung, der Versicherungsnehmer habe gegen seine Kostenschonungspflicht verstoßen. Der Oberste Gerichtshof entschied, welche Beträge dem Anwalt laut den Versicherungsbedingungen zustehen.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Die zuständige Bezirkshauptmannschaft hat im Juni 2016 dem Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeugs eine Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers übersandt. Diese Lenkererhebung wurde laut Rückschein der Post von einem „Arbeitnehmer“ übernommen.

Im September 2017 verhängte die Bezirkshauptmannschaft über den Fahrzeughalter eine Strafe von 600 Euro sowie 60 Euro Kostenbeitrag, da er den Lenker nicht bekannt gegeben habe. Dieser erklärte, keine Lenkeranfrage erhalten zu haben und wandte sich an seinen Anwalt.

Wie sich später herausstellte, trägt eine Pflegerin der Großmutter des Fahrzeugbesitzers, der unselbständig tätig ist und keine Arbeitnehmer beschäftigt, einen Namen, der dem auf dem Rückschein ähnelt; diese ist aber nicht Arbeitnehmerin des Fahrzeughalters.

Im Dezember 2018 gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde des Fahrzeugbesitzers Folge, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verfahren mit der Begründung ein, dass die Lenkeranfrage nicht wirksam zugestellt wurde.

Mehr als 16.000 Euro Anwaltshonorar

Nach Erhalt des Straferkenntnisses hatte sich der Fahrzeugbesitzer an einen auf Verwaltungsstrafsachen spezialisierten Anwalt gewandt, diesem mitgeteilt, dass er rechtsschutzversichert sei und das Vollmachtsformular des Anwalts unterschrieben.

Laut diesem Formular sollte die Abrechnung nach den AHK (Allgemeine Honorar-Kriterien der Rechtsanwälte) in der Fassung vom 15.5.2017 erfolgen. Eine Honorarabrechnung des Anwalts mit der Rechtsschutzversicherung oder eine Deckungsprüfung durch ihn war in dem Formular nicht vorgesehen.

Ebenfalls war vereinbart, dass der Fahrzeughalter persönlich für sämtliche auflaufenden, tariflichen Kosten haftet. Noch im September 2017 erteilte der Rechtsschutzversicherer im Rahmen der Versicherungsbedingungen Rechtsschutzdeckung.

Nach der Einstellung des Strafverfahrens legte der Anwalt im Juni 2019 eine Kostennote über 16.302,60 Euro inklusive Umsatzsteuer. Der Versicherer leistete eine Zahlung über 9.061,74 Euro, der Versicherungsnehmer zahlte im August 2021 den noch offenen Betrag von 7.240,86 Euro.

Bedingungslage

Der Fahrzeugbesitzer verfügt über einen Rechtsschutzversicherungsvertrag, vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2015). Der Versicherungsschutz erstreckt sich unter anderem auf die Vertretung vor staatlichen Gerichten als Verwaltungsgericht sowie vor Verwaltungsbehörden.

Im Strafrechtsschutz umfasst der Versicherungsschutz auch die Verteidigung in Strafverfahren vor Strafgerichten, Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten wegen eines Verkehrsunfalls oder der Übertretung von Verkehrsvorschriften.

Wenn der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz verlangt, hat der Versicherer laut ARB 2015 die entstehenden notwendigen Kosten zu übernehmen. Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung müssen zweckentsprechend und nicht mutwillig sein und es muss hinreichend Aussicht auf Erfolg bestehen.

Der Versicherer hat dabei die angemessenen Kosten des Rechtsanwalts bis zur Höhe des Rechtsanwaltstarifgesetzes bzw. bis zur Höhe der allgemeinen Honorar-Kriterien für Rechtsanwälte zu zahlen. Der Versicherungsnehmer muss alles vermeiden, was die Kosten unnötig erhöht.

Versicherer: Kostenschonungsobliegenheit verletzt

In einer Klage fordert der Fahrzeugbesitzer vom Versicherer die Zahlung von 7.240,86 Euro. Der Versicherer erklärt, er habe bereits das angemessene Honorar im Sinne der ARB 2015 bezahlt. Der Versicherungsnehmer habe seine Kostenschonungsobliegenheit grob fahrlässig verletzt.

Es habe sich um eine einfache Verwaltungsstrafsache mit einfacher Sachlage gehandelt, wobei nur ein einfaches Zustellproblem zu lösen gewesen sei. Dafür seien Kosten von 16.302,60 Euro nicht gerechtfertigt, so der Versicherer.

Während das Erstgericht der Klage zur Gänze stattgab, gab das Berufungsgericht der Berufung des Versicherers zur Gänze Folge. Dem Anwalt würden 7.296,88 Euro zustehen, unter Berücksichtigung des bereits überwiesenen Betrags gebe es keinen Raum für einen weiteren Zuspruch an den Kläger.

Revision beim Obersten Gerichtshof

Der Versicherungsnehmer wandte sich daraufhin in einer Revision an den Obersten Gerichtshof. Dieser geht einleitend auf die im vorliegenden Fall anwendbaren Honorarsätze der AHK ein.

Demnach seien bei Verwaltungsstrafverfahren, die wie hier mit einer Geldstrafe von mehr als 4.360 Euro oder neben einer Geldstrafe auch mit Haft bedroht sind, nach § 13 Absatz 1 Ziffer 4 die Kriterien des § 9 Absatz 1 Ziffer 4 der AHK für geschworengerichtliche Verfahren anzuwenden.

Die Beschwerde des Fahrzeugbesitzers richte sich sowohl gegen den Grund als auch gegen die Höhe des Straferkenntnisses; zur Anwendung kämen damit § 9 Absatz 1 Ziffer 4 lit. d für die Beschwerde und lit. e für die Verhandlung.

Dem Kläger würden daher für die Bescheidbeschwerde 1.464 Euro und für die Verhandlung 4.880 Euro zustehen, so der OGH.

Abschlag vom Honorar gerechtfertigt

Das Berufungsgericht hatte bei der Beurteilung der Angemessenheit des Honorars einen Abschlag in Höhe von 25 Prozent gemäß § 2 Absatz 2 AHK vorgenommen, da zu berücksichtigen sei, ob die Leistungen des Anwalts nach Art und Umfang den Durchschnitt erheblich übersteigen oder unterschreiten.

Die Heranziehung der Bemessungsgrundlage von 26.200 Euro laut § 10 Absatz 1 Ziffer 4 AHK in der Fassung 2017 stehe „außer Verhältnis“ zur hier zu beurteilenden Konstellation, in der lediglich die Zustellung der Lenkererhebung strittig war und eine Geldstrafe von 600 Euro verhängt wurde, betonen die Höchstrichter.

Der vom Berufungsgericht angesetzte Abschlag von 25 Prozent halte sich jedenfalls innerhalb des dafür zur Verfügung stehenden Ermessensspielraums, so der OGH.

Erfolgszuschlag steht dem Anwalt zu

Dem Anwalt stehe nach § 12 AHK unter anderem dann ein Erfolgszuschlag von bis zu 50 Prozent des Honorarbetrags zu, wenn das Verfahren eingestellt wird. Dabei komme es nach dem Wortlaut der Bestimmung nur auf den im Verfahren erzielten Erfolg an, andere Kriterien gebe es nicht.

In einer früheren Entscheidung habe der OGH festgestellt, dass dieser Zuschlag bei einem gänzlichen Erfolg grundsätzlich mit 50 Prozent zustehe. Fraglich sei in der Literatur, ob im Einzelfall auch der Umfang der Tätigkeit und die Komplexität des Sachverhalts zu berücksichtigen sind.

Dem hält der OGH entgegen, dass eine geringere Komplexität der Rechtssache nur zur Minderung des Honorars herangezogen werden kann, dem dann der Erfolgszuschlag hinzuzurechnen sei. Eine doppelte Berücksichtigung der Minderkomplexität der Rechtssache komme nicht in Frage.

Die prozentuelle Höhe des Erfolgszuschlags sei nur dann zu reduzieren, wenn der Anwalt zur Erreichung des Erfolgs nicht oder nur unterdurchschnittlich beigetragen hat, weil sich seine Tätigkeit nicht oder nur gering auf den Verfahrenserfolg ausgewirkt hat.

Revision zum Teil erfolgreich

Im vorliegenden Fall sei der Rechtsanwalt für die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens „voll verdienstlich“ gewesen; ihm stehe daher ein Erfolgszuschlag in Höhe von 50 Prozent zu, so der OGH.

Basis dafür sei allerdings der um den 25-Prozent-Abschlag reduzierte Honorarbetrag. Darüber hinaus stehe dem Anwalt die von ihm verrechnete „Verbindungsgebühr“ in Höhe von 20 Prozent nach § 9 Absatz 2 AHK nicht zu, da es sich nicht um zwei verbundene Rechtsmittel handle.

Dieser Zuschlag sei nur vorgesehen, wenn neben einer Berufung auch Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt werde; eine solche Unterscheidung kenne die Beschwerde in Verwaltungsstrafsachen aber nicht, betont der OGH.

Insgesamt seien vom Versicherer inklusive Umsatzsteuer 10.514,08 Euro zu leisten, weshalb dem Kläger noch weitere 1.452,34 Euro zustehen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob45/24d vom 19. Juni 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

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