18.12.2025 – Damit von einer mut- oder böswilligen Beschädigung gesprochen werden kann, genüge ein allgemeiner Schädigungsvorsatz des Täters nicht, so der Oberste Gerichtshof. Voraussetzung seien besondere, subjektive Motive des Täters. Die Beweispflicht dafür liegt beim Versicherungsnehmer.

Ein Fahrzeugbesitzer ließ seinen Pkw während eines rund zweiwöchigen Radurlaubs in Griechenland im Frühjahr 2023 auf einem öffentlichen Parkplatz stehen. Das Fahrzeug wurde in diesem Zeitraum von Unbekannten abgeschleppt.
Diese Abschleppung erfolgte weder ordnungsgemäß noch professionell. Der Wagen wurde über unbefestigtes, steiniges Gelände gezogen, dass dadurch Beschädigungen verursacht werden können, wurde in Kauf genommen.
An dem Fahrzeug entstand dabei ein Schaden von rund 4.500 Euro. Diesen Betrag fordert der Fahrzeugbesitzer von seinem Kfz-Kaskoversicherer. Er argumentiert, es handle sich um einen Parkschaden, der durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen verursacht wurde.
Der Versicherungsnehmer verfügt über einen Haftpflichtversicherungsvertrag inklusive Kaskoversicherung. Vereinbart sind unter anderem Allgemeine Bedingungen für die Teilkasko-Versicherung mit Parkschaden (AK2 2018).
Demnach sind das Fahrzeug und an ihm befestigte Teile gegen Beschädigung, Zerstörung und Verlust durch Berührung des geparkten oder haltenden Fahrzeugs mit einem unbekannten Fahrzeug sowie durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen versichert.
Der Versicherungsschutz erstreckt sich dabei laut Bedingungen auf Europa im geografischen Sinn.
Nachdem der Versicherer die Deckung abgelehnt hatte, reichte der Fahrzeugbesitzer Klage ein. Erst- und Berufungsgericht gaben dieser mit der Begründung statt, die Beschädigung des Fahrzeugs sei durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen verursacht worden.
Der Versicherer wandte sich daraufhin in einer Revision an den Obersten Gerichtshof. Diese war vom Berufungsgericht zugelassen worden, weil zur Auslegung der Begriffe „Mut- und Böswilligkeit“ im versicherungsrechtlichen Kontext keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere.
In seiner rechtlichen Beurteilung erklärt der OGH einleitend, dass im vorliegenden Fall kein Parkschaden vorliege, weil das Fahrzeug nicht im Zuge eines Ein- oder Ausparkvorgangs, sondern durch einen Abschleppvorgang beschädigt wurde. Dies sei kein Parkschaden im Sinne der Bedingungen.
Laut Versicherungsbedingungen sei das Fahrzeug unter anderem gegen Schäden durch mut- oder böswillige Handlungen versichert; die Begriffe „mut- und böswillig“ hätten in der Rechtsprechung aber keine bestimmte, unstrittige Bedeutung, so der OGH.
Mutwille komme in der österreichischen Rechtsordnung in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen vor und sei äußerst vielschichtig. Der OGH erwähnt dazu § 1331 ABGB; Mutwillen liege dann vor, wenn der Täter aus Freude an der Beschädigung oder an der schädigenden Handlung agiert.
In der Zivilprozessordnung sei von einer mutwilligen Prozessführung die Rede; nach der Lehrmeinung handle es sich dabei entweder um eine bewusst aussichtslose Prozessführung, um das Bewusstsein der Unrichtigkeit des bezogenen Rechtsstandpunktes oder um die Verfolgung prozessfremder Zwecke.
Schließlich sehe das Strafgesetzbuch eine Strafe bei mutwilliger Tötung eines Wirbeltieres vor. Dabei bedeute Mutwilligkeit die Lust am Töten oder eine Tat im Zusammenhang mit Satanskulten oder Tierpornografie. Die Tötung müsse ohne vernünftigen Grund und ohne berechtigten Zweck erfolgen.
Der Begriff „böswillig“ komme lediglich vereinzelt und ohne sachlichen Zusammenhang mit der hier vorliegenden Thematik in der Rechtsordnung vor, so der OGH.
Im ABGB werde in den §§ 1294 und 1324 der Begriff „böse Absicht“ verwendet; dabei gehe es um einen „mit Wissen und Willen“ verursachten Schaden. Dies sei aber mit dem in der modernen Rechtssprache verwendeten Begriff „Vorsatz“ gleichbedeutend.
Die Verwendung des Begriffes „Böswilligkeit“ in aktuellen Versicherungsbedingungen könne daher nicht im Sinne von böser Absicht der §§ 1294 und 1324 ABGB verstanden werden, weil der Versicherer diesfalls die heute üblichen Begriffe „Vorsatz“ oder „vorsätzlich“ benutzt hätte.
Die Versicherungsbedingungen würden keine Definition der Begriffe Mut- und Böswilligkeit enthalten, betont der OGH. Nach seiner Ansicht werde damit eine bestimmte, qualifizierte Form des Vorsatzes beschrieben; andernfalls wäre nämlich jede vorsätzliche Schädigung durch betriebsfremde Personen versichert.
Eine mut- oder böswillige Schädigung sei auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht anzunehmen, wenn ein Täter den Schaden im Sinne eines Eventualvorsatzes nur billigend in Kauf genommen hat, ihm das Entstehen des Schadens also egal war.
Ein allgemeiner Schädigungsvorsatz für das Handeln des Täters genüge nicht, es bedürfe eines zusätzlichen, subjektiven Elements: Voraussetzung seien besondere Motive des Täters, wie Schädigungslust, vandalistische Freude am Schaden oder Hass auf den Fahrzeugbesitzer.
Ebenfalls liege Mut- oder Böswilligkeit dann vor, wenn die schädigende Haltung für den Täter reiner Selbstzweck und nicht Mittel zum Zweck, beispielsweise für einen Diebstahl, gewesen ist.
Für das Vorliegen einer mut- oder böswilligen Handlung liege die Beweislast beim Versicherungsnehmer, so der OGH. Dabei kommen ihm aber Beweiserleichterungen zu, insbesondere, weil die Motive der Täter für den Versicherungsnehmer nur schwer zu beweisen sind.
Es genüge daher, wenn der Versicherungsnehmer ein Mindestmaß an Tatsachen beweist, die das äußere Erscheinungsbild des Versicherungsfalles bilden. Die festgestellten Schäden müssten dabei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen Rückschluss auf mut- oder böswilliges Verhalten Dritter erlauben.
Im vorliegenden Fall wurde das Fahrzeug bei einem unprofessionellen Abschleppvorgang beschädigt, wobei der Schadenseintritt offensichtlich in Kauf genommen wurde. Allerdings stehe weder ein besonderes, verpöntes Motiv des Dritten an der schädigenden Handlung fest, noch, dass die Schädigung reiner Selbstzweck gewesen wäre.
Auch habe der Versicherungsnehmer kein „äußeres Bild“ nachgewiesen, das auf ein mut- oder böswilliges Verhalten schließen ließe. Damit habe er die anspruchsbegründende Voraussetzung des Eintritts des Versicherungsfalles nicht bewiesen. Die Revision erwies sich als berechtigt, der Versicherer ist leistungsfrei.
Die OGH-Entscheidung 7Ob168/25v vom 19. November 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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