19.1.2023 – Erneut bemängelte der Verein für Konsumenteninformation in Bedingungen für Lebensversicherungen mit Rentenwahlrecht das Fehlen von wichtigen Parametern für die Rentenberechnung. Der OGH untersagte die Verwendung dieser und einer weiteren Klausel, laut der bei einer Vertragsänderung Abschlusskosten verrechnet werden sollten.
Der nach Konsumentenschutzgesetz (KSchG) zu einer Verbandsklage berechtigte Verein für Konsumenteninformation hat gegen die Verwendung von Klauseln in Lebensversicherungsverträgen mit Rentenwahlrecht eines weiteren Versicherers geklagt.
Erst vor kurzem hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) zu Klauseln in einem ähnlichen Fall (VersicherungsJournal 12.12.2022) Stellung bezogen.
Auch im vorliegenden Fall ging es einerseits um eine Bestimmung in den Versicherungsbedingungen (Klausel 1), andererseits um eine Formulierung in einem Schreiben, das Versicherungsnehmer zum Ende der Vertragslaufzeit erhalten.
In seinem Urteil verweist der OGH darauf, dass im Verbandsprozess nach § 28 KSchG die Auslegung von Klauseln im kundenfeindlichsten Sinn zu erfolgen hat und auf eine teilweise Zulässigkeit beanstandeter Klauseln nicht Rücksicht genommen werde.
Diese Klausel enthalte weder einen Verweis auf einen Richtwert, noch lege sie die Tarifgrundlagen für die Rentenberechnung offen, bemängelt der VKI. Dem Versicherer werde damit ein uneingeschränktes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt und die Wahl der Tarifgrundlage in sein freies Ermessen gestellt.
Erst- und Berufungsgericht gaben der Klage in Bezug auf Klausel 1 statt, der Versicherer legte daraufhin Revision beim OGH ein. Dieser verweist auf seine kürzlich ergangene Entscheidung 7Ob97/22y zu einer vergleichbaren Klausel.
Wenn wie hier die „zu diesem Zeitpunkt gültigen Rententarife“ und die „dann gültigen Versicherungsbedingungen“ überhaupt keine Erklärung erfahren, werde dem Versicherungsnehmer die Zusammensetzung der Rechtsgrundlage nicht klar und verständlich offengelegt, so der OGH
Da die in § 2 Abs. 1 Z. 4 Lebensversicherung Informationspflichtenverordnung 2018 geforderten Parameter Sterbetafel und Rechnungszinsen fehlen, sei die Klausel nach § 6 Abs. 3 KSchG intransparent und damit unwirksam.
Der VKI argumentierte, der „Änderungsvorschlag für eine Sofortrente gegen Einmalprämie“, den der Versicherer zum Ende der Vertragslaufzeit an jene Kunden versendet, deren Verträge die Klausel 1 enthalten, ziele auf einen neuen Vertrag bzw. Änderungsvertrag ab, den der Versicherer nach eigenem Ermessen gestalte.
Der Versicherungsnehmer habe das Recht, einen solchen Vertrag einseitig zustande zu bringen, so der VKI. Hier werde ihm aber suggeriert, seine einseitige Erklärung genüge nicht für die wirksame Begründung eines Anspruchs auf Auszahlung der Versicherungsleistung als Rente.
Das Erstgericht erklärte, der Durchschnittsverbraucher würde das Angebot so verstehen, dass ein neuer Vertrag geschlossen werde. Damit werde ihm die wahre Rechtslage verschleiert. Da die wesentlichsten Parameter für die Rentenoption bereits bei Vertragsabschluss determiniert sein müssten, bleibe für ein solches Angebot kein Raum.
Das Berufungsgericht wies die Klage hinsichtlich der Einstufung des Änderungsvorschlags als unzulässige Geschäftspraxis dagegen ab. Die Mitwirkung des Versicherers an der Gestaltungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers sei jedenfalls erforderlich und als solche nicht unzulässig.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts legte der VKI Revision ein. Der Argumentation des VKI, bei transparenter Gestaltung der Rentenwahlklausel wäre die Ausübung des Rentenwahlrechts ein Vorgang, bei dem der Versicherer keinerlei Ermessensspielraum habe, widerspricht der OGH.
Versicherungsvertrag und Rentenwahlklausel würden keine ausreichende Ausgestaltung der vereinbarten Rentenhöhe enthalten, so der OGH; der Versicherungsnehmer habe zwar grundsätzlich das Wahlrecht auf eine Rente, erforderlich sei aber eine beiderseitige Einigung auf die später zum Tragen kommenden Konditionen.
Aufgrund der betraglichen Unbestimmtheit des Anspruchs könne die Optionserklärung keinen konkreten Rentenanspruch auslösen. Warum ein später konkretisiertes Angebot des Versicherers zur Ausübung des Rentenwahlrechts die Verbraucherinteressen beeinträchtigen sollte, sei nicht erkennbar.
Die konkrete Rentenhöhe könne im Vorhinein nicht festgelegt werden und wäre für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer wahrscheinlich auch dann nicht errechenbar, wenn die Rentenwahlklausel die Sterbetafel und den Zinsfuß enthalten würde, so der OGH.
Die Ausübung seines Wahlrechts sei daher ohne Mitwirkung des Versicherers gar nicht möglich. Letztere sei somit nicht nur zulässig, sondern geboten. Außerdem erfordere die Umwandlung der ursprünglich vereinbarten Kapitalauszahlung in eine Rentenzahlung tatsächlich eine Vertragsänderung.
Der Versicherer verlange aber mit dem Änderungsvorschlag nicht den Abschluss eines neuen Rentenversicherungsvertrags; dies würde auch einem Grundelement des Rentenwahlrechts widersprechen, anstelle der Kapitalauszahlung und kostenträchtigem Neuabschluss mittels desselben Vertrags die Kapital- in eine Rentenleistung überzuführen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des VKI gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts keine Folge.
Hier argumentierte der VKI, die Klausel sei intransparent und aufgrund der Höhe der Kosten jedenfalls auch gröblich benachteiligend. Der Versicherer erklärte dagegen, dass für die Auszahlung der Rente Kosten anfallen; der Änderungsvorschlag sei daher nicht gröblich benachteiligend.
Das Erstgericht erkannte ein „grobes Missverhältnis“ darin, dass dem Versicherungsnehmer zusätzlich zu laufenden Kosten in Höhe von einem Prozent der laufenden Rente einmalig fünf Prozent Bearbeitungsgebühr der Nettoprämiensumme verrechnet werden.
Erst- und Berufungsgericht gaben der Klage zu Klausel 2 statt. Dem schloss sich der OGH an: Die Klausel genüge dem Transparenzgebot nicht, sie könne dem Verbraucher ein unklares Bild seiner vertraglichen Position vermitteln. Ihre Verwendung sei dem Versicherer zu Recht untersagt worden.
Ausgehend davon, dass der Versicherungsvertrag schon abgeschlossen und damit auch begonnen habe, erschließe sich nicht, ob bei Annahme des Änderungsangebots erneut fünf Prozent an „kalkulatorischen Abschlusskosten“ fällig werden, was sich mit einer bloßen Vertragsänderung nicht in Einklang bringen ließe.
Die OGH-Entscheidung 7Ob153/22h vom 13. Dezember 2022 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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