29.4.2025 – Die gelieferten Funktionsmöbel entsprachen nicht den technischen und vertraglichen Anforderungen, der Lieferant vereinbarte einen neuen Fertigstellungstermin und lieferte dann neu produzierte Teile. Damit konnten Folgekosten in Millionenhöhe verhindert werden. Der OGH entschied: Der Vertrag hätte in jedem Fall erfüllt werden müssen. Die Kosten für die Sanierung sind daher keine Rettungskosten, der Haftpflichtversicherer ist leistungsfrei.
Die M. GmbH war damit beauftragt, medizintechnische Funktionsmöbel für Operationssäle zu planen, zu fertigen und zu montieren. Bei der Montage vor Ort stellte sich heraus, dass Stabilität und Tragfähigkeit der Schränke nicht den technischen und vertraglichen Anforderungen entsprachen.
Weil die ausziehbaren Laden bei Belastung herauskippten, wurden die mangelhaften seitlichen Bleche mit neu produzierten Blechen gedoppelt und die Laden sowie die Edelstahl-Blechfächer neu produziert. Mit der Auftraggeberin wurde auch ein neuer Fertigstellungstermin vereinbart.
Von ihrem Betriebshaftpflichtversicherer fordert die M. GmbH nun den Ersatz der dafür aufgewendeten Kosten in Höhe von knapp 50.000 Euro. Sie argumentiert, dass mit ihrem Eingreifen ein weit höherer Schaden durch die drohende Sperre der Operationssäle abgewehrt worden sei.
Damit stelle der geltend gemachte Betrag vorgezogene Rettungskosten dar, die vom Versicherer zu ersetzen seien.
Die M. GmbH verfügt über eine Betriebshaftpflichtversicherung, vereinbart sind die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2004 und EHVB 2004) in der Fassung 01/2016 sowie die „Betrieb & Planen – Deckungserweiterungen Premium GA 92“.
Nicht versichert sind nach Artikel 7 der AHVB Ansprüche aus der Gewährleistung für Mängel sowie die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung. Vom Versicherungsschutz umfasst sind dagegen Rettungskosten.
Laut den EHVB sind reine Vermögensschäden, „die durch unvorhergesehene Behinderungen als Folge betrieblicher Tätigkeiten aus Abbruch, Bau, Demontage, Montage, Beladung, Entladung, Lieferung, Lagerung, Reinigung, Reparatur, Service, Überprüfung und Wartung eintreten, mitversichert.
Ausgeschlossen bleiben aber Schäden aus der Nichterfüllung, Schlechterfüllung oder nicht rechtzeitigen Erfüllung von Verträgen sowie aus der Nichteinhaltung von Fristen und Terminen sowie aus der Überschreitung von Kostenvoranschlägen und Krediten.
Nachdem die Vorinstanzen die Klage der M. GmbH gegen den Versicherer abgewiesen hatten, weil der Ersatz des Aufwands nach Artikel 7 der AHVB ausgeschlossen sei, wandte sich die M. GmbH in einer außerordentlichen Revision an den Obersten Gerichtshof.
Dieser betont in seiner rechtlichen Beurteilung einleitend, dass in der Betriebshaftpflichtversicherung die Ausführung der bedungenen Leistung grundsätzlich nicht versichert ist, weil das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer übertragen werden soll.
Die Betriebshaftpflichtversicherung erstrecke sich also nicht auf die Ausführung der bedungenen Leistung und auf Erfüllungssurrogate (äquivalenter Ersatz für die geschuldete Leistung, Anm.).
Maßgeblich sei, ob durch den Versicherungsnehmer oder Dritte Kosten aufgewendet werden müssen, um für eine vertragsgerechte Leistung des Versicherungsnehmers zu sorgen und/oder das Zurückbleiben der tatsächlichen Leistung hinter dem Versprochenen zu kompensieren.
Der Versicherungsnehmer sei nach § 62 VersVG verpflichtet, bei Eintritt eines Versicherungsfalles den Schaden möglichst abzuwenden oder zu mindern. Unter bestimmten Voraussetzungen habe er Anspruch auf Ersatz seines Rettungsaufwands durch den Versicherer.
Grundsätzlich müssten Rettungskosten den versicherten Schaden abwenden oder vermindern; nur Kosten, die der Abwehr von Schäden dienen, die der Versicherer zu decken hätte, fallen unter den Begriff der Rettungskosten, so der OGH.
Ein unvorhergesehener Mehraufwand für die eigene Vertragserfüllung zähle jedenfalls nicht zu den Rettungskosten.
Im vorliegenden Fall sei durch die Vereinbarung der konkreten Sanierung und des neuen Fertigstellungstermins die Erfüllungspflicht der M. GmbH modifiziert worden. Die Kosten für die Erfüllung dieser modifizierten Vereinbarung unterliegen dem Risikoausschluss der Erfüllungsklausel.
Zwar habe die M. GmbH durch ihr Eingreifen Vertragsstrafen und die weitaus höheren Forderungen von rund drei Millionen Euro, die bei einer Sperre der Operationssäle gedroht hätten, abgewehrt. Für diese reinen Vermögensschäden hätte laut den EHVB auch Versicherungsdeckung bestanden.
Aber auch im Fall eines solchen Mangelfolgeschadens hätte die M. GmbH die modifizierte Vereinbarung erfüllen müssen. Daher sei der hier geltend gemachte unvorhergesehene Mehraufwand für die eigene Vertragserfüllung nicht als Rettungskosten zu qualifizieren.
Die Beurteilung durch die Vorinstanzen halte sich im Rahmen der bestehenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Die außerordentliche Revision der M. GmbH wurde mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen.
Die OGH-Entscheidung 7Ob23/25w vom 19. März 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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