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OGH klärte Streit um Vertrauensschadenversicherung

8.3.2023 – Der Oberste Gerichtshof stellte klar: Zweck der Versicherung war der Schutz der Mitgliedsunternehmen des Fachverbandes, ein versichertes Interesse anderer Geschädigter lasse sich aus den Bedingungen nicht ableiten. Die beiden beklagten Versicherer sind leistungsfrei.

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Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Österreich hat mit zwei Versicherern eine „Vertrauensschadenversicherung“ abgeschlossen; Ziel war es dabei, die gesetzliche Pflichthaftpflichtversicherung im Falle vorsätzlicher Schädigung zu ergänzen.

Die beiden Versicherer verfügen nicht über Standardbedingungen für eine solche Versicherung. Der Fachverband hatte daher eine Versicherungsmaklerin mit der Erstellung des Vertragsinhalts beauftragt.

Diese orientierte sich dabei an einem am deutschsprachigen Markt üblichen und allgemein bekannten Bedingungswerk, passte es den Bedürfnissen des Fachverbandes an und veranlasste eine Ausschreibung, für die neben anderen auch die beiden jetzt beklagten Versicherer Angebote legten.

Schließlich wurde der Vertrag mit Versicherungsbeginn 1.1.2017 abgeschlossen, wobei einer der Versicherer noch Änderungen an einzelnen Punkten der Bedingungen durchsetzte; die von der Maklerin vorgeschlagenen Risikoausschlüsse wurden aber nicht thematisiert und unverändert übernommen.

Bedingungslage

Laut Ziffer 1a der Bedingungen sollte der Versicherer Geschädigten einen Vermögensschaden ersetzen, den ein versichertes Unternehmen diesen zugefügt hat; der Versicherungsfall sollte auch vorsätzliche Handlungen umfassen, die zu einem Schadenersatz verpflichten.

Zum versicherten Personenkreis zählten unter anderem auch Geschäftsführer der versicherten Unternehmen. Versicherte Unternehmen waren Mitglieder des Fachverbands mit einer aufrechten Gewerbeberechtigung ausschließlich im Bereich der Immobilienverwaltung.

Versichert waren nicht nur Versicherungsfälle, die auf Handlungen beruhten, die während der Laufzeit begangen werden, sondern auch Handlungen, die innerhalb eines Jahres vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurden, wenn die Versicherungsnehmerin erst nach Abschluss des Vertrages davon erfährt.

Nicht ersetzt werden sollten nach Ziffer 10.1 der Bedingungen Schäden, die durch Personen verursacht werden, von denen ein versichertes Unternehmen bei Versicherungsbeginn wusste, dass sie bereits einmal eine vorsätzliche Handlung begangen haben.

Malversationen eines Geschäftsführers

Der Geschäftsführer der o. GmbH, einer Hausverwaltung, die Mitglied des Fachverbandes und in der Vertrauensschadenversicherung mitversichert war, hatte bereits 2012 begonnen, Verwaltungsguthaben zu entfremden und die Verfügungsmacht über Konten der Auftraggeber zu missbrauchen.

Weder Mitarbeiter der Hausverwaltung noch der Fachverband oder die Versicherungsmaklerin wussten davon, nur der Geschäftsführer war an diesen Handlungen beteiligt. Im März 2019 erstattete der Geschäftsführer Selbstanzeige, die Hausverwaltung meldete kurz darauf Insolvenz an.

In einer Klage fordert der Fachverband nun von den Versicherungen eine Zahlung von mehr als 180.000 Euro an die geschädigten Eigentümergemeinschaften; diese seien ebenso wie der Fachverband mitversichert.

Das Wissen über die Malversationen des Geschäftsführers sei weder der Hausverwaltung noch dem Fachverband zuzurechnen. Darüber hinaus sei der Risikoausschluss in Ziffer 10.1 der Bedingungen für einen Wiederholungstäter nach § 34a VersVG unzulässig.

Versicherer verweigern Leistung

Die beiden Versicherer beantragten die Abweisung der Klage; der Fachverband habe die Versicherung nur im Interesse seiner Mitglieder abgeschlossen, weder er noch die Geschädigten seien mitversichert. Außerdem müsse sich die Hausverwaltung das Wissen des Geschäftsführers zurechnen lassen.

Das Erstgericht wies die Klage ab, das Berufungsgericht gab dagegen der Klage statt. Es erklärte, dass der Wiederholungstäterausschluss nicht greife, weil das Wissen des schädigenden Geschäftsführers aufgrund einer Interessenkollision nicht der Hausverwaltung zuzurechnen sei.

Außerdem seien die Geschädigten nach den Bedingungen als versicherte Personen anzusehen, da sie in den Genuss der Versicherungsleistung kommen sollen, so das Berufungsgericht. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beiden Versicherer beim Obersten Gerichtshof.

Fachverband verantwortet Unklarheiten

In seiner rechtlichen Beurteilung geht der OGH einleitend auf die Frage ein, ob es sich bei den vorliegenden Bedingungen um allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt.

Wurden Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt, handle es sich nicht um AGB. Im vorliegenden Fall sei das Vertragswerk daher als individuelle Vereinbarung anzusehen.

Bei der Auslegung einer Vereinbarung sei nicht nur der Wortlaut maßgeblich, es sei darüber hinaus der Wille der Parteien, also die dem Empfänger der Erklärung erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen.

Dabei würden Unklarheiten zu Lasten der Partei gehen, die die Möglichkeit hatte, die Formulierungen zu wählen. Im vorliegenden Fall hatte die vom Fachverband beauftragte Versicherungsmaklerin die relevanten Vertragsbestimmungen eingeführt, Unklarheiten gehen deshalb zu Lasten des Fachverbands.

Eigenes Interesse des Fachverbands nicht mitversichert

Im vorliegenden Fall handle es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung, weil der Fachverband im eigenen Namen einen Vertrag geschlossen hat, der das fremde Interesse seiner Mitglieder zum Gegenstand hat.

Darüber hinaus sei der Fachverband aber der Ansicht, es wären auch seine Interessen und die der Geschädigten mitversichert. Dies treffe aber nicht zu, so der OGH.

Zwar könne ein Versicherungsvertrag eigene und fremde Interessen parallel erfassen. Weder aus dem Versicherungsvertrag noch aus den sonstigen Umständen bei Vertragsabschluss ergebe sich aber ein Anhaltspunkt, dass das eigene Interesse des Fachverbands versichert wäre.

Der Fachverband werde im Versicherungsvertrag und in der Vorkorrespondenz nur als Versicherungsnehmer und Prämienzahler bezeichnet, seine Mitglieder dagegen als Versicherte. Auch aus dem Zweck der Versicherung sei das eigene Interesse des Fachverbands nicht erkennbar.

Auch kein Schutz der Geschädigten

Ebenso wenig sei das Interesse der Geschädigten mitversichert, so der OGH. Zweck des Vertrages sei es gewesen, die im Rahmen der gesetzlichen Pflichthaftpflichtversicherung für vorsätzliche Schädigungen bestehende Deckungslücke bei den Mitglieder des Fachverbandes zu schließen.

Dies sei der Grund dafür, dass ausschließlich die Mitglieder des Fachverbandes, nicht aber die Geschädigten im Vertrag als Versicherte, versicherter Personenkreis oder versicherte Unternehmen genannt werden.

Allein aus der Vertragsbestimmung Ziffer 1a lasse sich im Gesamtzusammenhang nicht mit hinreichender Klarheit ableiten, dass der Schutz der Geschädigten Vertragszweck gewesen wäre, so der OGH. Nach den Feststellungen sei es dem Fachverband nur um den Schutz seiner Mitglieder gegangen.

Damit gebe es keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für einen Einschluss des Interesses der Geschädigten; darüber hinaus würde auch die Unklarheitenregel zu Lasten des Fachverbands ausschlagen.

Versicherer sind leistungsfrei

Bei der Vertragsbestimmung, wonach Schäden nicht ersetzt werden, die durch Personen verursacht werden, von denen ein versichertes Unternehmen bei Versicherungsbeginn wusste, dass sie bereits einmal eine vorsätzliche Handlung begangen haben, handle es sich um einen Risikoausschluss.

Mit einem solchen Risikoausschluss begrenze ein Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz. Zweck sei es hier, dass kein Versicherungsschutz bestehen soll, wenn eine vertrauensunwürdige Person einen Schaden herbeiführt und das versicherte Unternehmen von der Vertrauensunwürdigkeit wusste.

Grundsätzlich müsse eine juristische Person für das Verhalten und die Kenntnis ihrer Vertretungsorgane einstehen. Das Wissen des Alleingeschäftsführers über bereits vor Versicherungsbeginn von ihm verursachte vorsätzliche schädigende Handlungen sei daher der versicherten Hausverwaltung zuzurechnen.

Keinesfalls könne sich der Fachverband auf die Unwirksamkeit dieses Risikoausschlusses berufen, weil die Vertragsbestimmung von ihm selbst bzw. der von ihm beauftragten Versicherungsmaklerin formuliert und in das vertragliche Geschehen eingeführt worden sei, betont der OGH.

Der Oberste Gerichtshof gab deshalb der Revision Folge und stellte die erstgerichtliche Entscheidung wieder her.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob136/22h vom 25. Jänner 2023 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Immobilie · Mitarbeiter · Vermögensschaden · Versicherungsmakler
 
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