25.6.2024 – Laut den Bedingungen bestand kein Versicherungsschutz für Unfälle infolge von Geistes- oder Bewusstseinsstörungen. Die Klausel sei üblich und nicht überraschend, gröblich benachteiligend oder intransparent, so der OGH. Nach dem völlig klaren Wortlaut der AUVB bestehe für die Erkrankung der Versicherungsnehmerin kein Unfallversicherungsschutz.
Eine Versicherungsnehmerin bemerkte einen süßlichen Geschmack im Mund, der von Übelkeit und einem allgemeinen Schwächegefühl begleitet war. Noch im Stehen verlor sie das Bewusstsein, fiel zur Seite und stieß mit dem Kopf gegen einen Heizkörper, wobei sie sich verletzte.
Die für den Sturz verantwortliche Bewusstlosigkeit wurde durch einen „grenzwertig reduzierten Ernährungszustand“, Hypotonie (niedriger Bludtdruck, Anm.) sowie Hyponatriämie (Elektrolytstörung, Anm.) ausgelöst, heißt dazu es in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs.
Von ihrem Unfallversicherer fordert die Versicherungsnehmerin einen Betrag von mehr als 23.000 Euro. Der Versicherer lehnt eine Leistung ab und beruft sich auf den Ausschlussgrund des Vorliegens einer Bewusstseinsstörung. Daraufhin reichte sie Klage ein.
Die Versicherungsnehmerin hatte einen Gesundheitsvorsorgeversicherungsvertrag abgeschlossen. Vereinbart waren die Allgemeinen Bedingungen für den Premium-Unfallschutz (AUVB 2006) in der Fassung 07 2012.
Demnach bestand kein Versicherungsschutz für Unfälle der versicherten Person „infolge einer Geistes- oder Bewusstseinsstörung, sowie durch epileptische oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der versicherten Person ergreifen“.
Als Geistes- und Bewusstseinsstörungen galten „alle erheblichen Störungen der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit, die auf Krankheit oder künstlichen Mitteln beruhen, die versicherte Personen außerstande setzen, den Sicherheitsanforderungen ihrer Umwelt zu genügen, und einen Grad erreicht haben, bei dem sie die Gefahrenlage nicht mehr beherrschen kann“.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage der Versicherungsnehmerin zurück, worauf sie außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof einlegte.
Der Sinn solcher Risikoausschlussklauseln wegen Bewusstseinsstörungen liege darin, Unfälle vom Versicherungsschutz auszunehmen, bei denen es sich um eine Folge einer schon vor dem Unfall vorhandenen, gefahrenerhöhenden gesundheitlichen Beeinträchtigung beim Versicherten handelt.
Diese Beeinträchtigung müsse so stark sein, dass sie eine Reaktion des Versicherten, die den Unfall vermeiden könnte, nicht zulässt, betont der OGH. Dabei komme es nicht auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers an.
In den hier zu beurteilenden Bedingungen werden Bewusstseinsstörungen nicht generell ausgenommen, sondern es werde konkret auf erhebliche Störungen der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit, die auf Krankheit beruhen, abgestellt.
Dabei habe sich die Auslegung des Begriffs „Krankheit“ am Verständnis des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren und sei nicht nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben zu beurteilen, betont der OGH
Unter Krankheit sei ein abnormer Körper- oder Gesundheitszustand zu verstehen, der ärztlicher Behandlung bedarf. Die Störung der normalen physischen oder psychischen Funktionen müsse einen Grad erreichen, der die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden wahrnehmbar negativ beeinflusst.
Im vorliegenden Fall sei die Bewusstlosigkeit der Klägerin aufgrund einer Störung der normalen physischen Funktionen eingetreten, die einen Grad erreichte, der ihre Leistungsfähigkeit und ihr Wohlbefinden subjektiv und auch objektiv wahrnehmbar negativ beeinflusste.
Der beklagte Versicherer biete ausdrücklich Versicherungsschutz für Unfälle, die sich aufgrund konkret angeführter Krankheiten (Herzinfarkt, Schlaganfall) ereignen.
Aufgrund dieses „insoweit völlig klaren Wortlauts“ könne nicht darauf geschlossen werden, dass Versicherungsschutz für sämtliche durch Krankheiten hervorgerufene Unfälle bestehe, so der OGH.
Jedem Versicherungsnehmer könne das Wissen zugemutet werden, dass einem Versicherungsvertrag gewisse Begrenzungsnormen zugrunde liegen. Er habe daher grundsätzlich mit Risikoausschlüssen und -einschränkungen zu rechnen.
Die in Unfallversicherungsverträgen nicht unübliche Risikoausschlussklausel der Bewusstseinsstörung finde sich unter der Überschrift „Was ist nicht versichert?“ Die Klausel sei daher weder überraschend nach § 864a ABGB noch gröblich benachteiligend nach § 879 Absatz 3 ABGB oder intransparent.
Die außerordentliche Revision wurde mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen.
Die OGH-Entscheidung 7Ob78/24g vom 22. Mai 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.
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