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OGH klärt Streit um private Altersvorsorge nach Scheidung

6.5.2025 – Entscheidend dafür, ob ein aus ehelichen Mitteln dotiertes privates Altersvorsorgemodell als eheliche Ersparnis der nachehelichen Aufteilung unterliegt oder von dieser ausgenommen ist, sei, ob das Modell als bloße Anwartschaft einzuordnen ist oder ob ihm bereits ein realisierbarer wirtschaftlicher Wert zukommt. Nicht in die Aufteilungsmasse einbezogen werden dürfen aber Vorsorgeprodukte, die aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung eine fehlende oder unzureichende staatliche Absicherung ersetzen, so der Oberste Gerichtshof.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Mit Urteil vom 23. September 2022 wurde eine im Jahr 2003 zwischen einer österreichischen Staatsbürgerin und einem britischen Staatsangehörigen geschlossene Ehe geschieden. Der letzte gewöhnliche gemeinsame Aufenthaltsort war in Österreich, es ist österreichisches Recht anzuwenden.

Die Frau beantragte in einer Klage die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse; sie strebt eine Ausgleichszahlung für die überwiegend beim Mann befindlichen ehelichen Ersparnisse sowie von zwei in England befindlichen Liegenschaften an.

Zu den ehelichen Ersparnissen zählen aus Sicht der Frau auch die vom Mann erworbenen Pensionsvorsorgeprodukte. Auf den Mann ist das britische Pensionssystem anzuwenden, bei dem Arbeitgeber und in geringem Ausmaß auch Arbeitnehmer verpflichtend in private Pensionskassen einzahlen.

Mehrere Pensionsvorsorgeprodukte

Bereits vor der Eheschließung hatte der Mann in zwei Pensionspläne eingezahlt, weitere Zahlungen während der Ehe erfolgten nicht.

Darüber hinaus verfügt er über ein Guthaben bei einem „D. Pensionsfonds“, in den er bis März 2004 Einzahlungen geleistet hatte, sowie über zumindest einen „D. International Pensionsplan“. Die Pensionsvorsorgen bei der D. sollen ein Guthaben von 388.048 britischen Pfund aufweisen.

2019 erhielt er eine Abfertigung in Höhe von 83.466,63 britischen Pfund, die teilweise steuerbefreit auf sein Konto und teilweise in einen Pensionsfonds einbezahlt wurde.

Urteile der Vorinstanzen

Was die verschiedenen Pensionsvorsorgen betrifft, entschied das Erstgericht, dass die nach dem britischen Pensionssystem für die Altersvorsoge notwendigen „Pensionsfonds“ des Mannes nicht der Aufteilungsmasse zuzurechnen seien, da bloße Anwartschaftsrechte nicht der Aufteilung unterlägen.

Der Teilbetrag der Abfertigung in Höhe von 53.000 Pfund, der in einen Pensionsplan einbezahlt wurde, unterliege „unter Zugrundelegung der sonst erfolgten Besteuerung“ zur Hälfte der Aufteilung.

Das Berufungsgericht erklärte, dass es bei Zukunftsvorsorgeprodukten, die nicht auf den ersten Blick der Aufteilung unterlägen, für die Zugehörigkeit der Aufteilungsmasse darauf ankomme, ob es sich um üblicherweise für eine Verwertung bestimmte Wertanlagen handle.

Dies treffe auf typischerweise der Altersvorsorge dienende Finanzprodukte nicht zu, die daher grundsätzlich nicht der nachehelichen Aufteilung unterlägen. Deshalb seien auch freiwillige private Pensionsvorsorgen, selbst bei möglicher vorzeitiger Kapitalentnahme, nicht in diese einzubeziehen.

Beide Ex-Partner riefen das Höchstgericht an

Beide legten daraufhin Revisionsrekurs beim Obersten Gerichtshof ein, wobei sich der Mann nur gegen die seine Immobilien betreffenden Entscheidungen wandte, die Frau aber dagegen, dass vom Mann während der Ehe erworbene Finanzprodukte zur Altersvorsorge nicht der Aufteilung unterlägen.

Eheliche Ersparnisse seien nach dem Ehegesetz alle Wertanlagen, die von den Ehegatten während ihrer Ehegemeinschaft angesammelt wurden und die ihrem Wesen nach zur Verwertung (Veräußerung oder Erzielung von Erträgen) bestimmt sind, so der OGH.

Unterschied zwischen Anwartschaften und Lebensversicherung

Bloße Anwartschaften oder Optionen auf künftige Werte – wie Pensionsanwartschaften oder Abfertigungsansprüche, die während der ehelichen Lebensgemeinschaft erworben wurden, seien dagegen von der Aufteilung ausgenommen. Grund dafür sei, dass noch nicht feststehe, ob überhaupt ein Geldbetrag anfallen werde.

Das gelte auch nach bisheriger Rechtsprechung für Einzahlungen in eine Pensionskasse. Erst wenn sich ein Anwartschaftsrecht in ein unwiderrufliches, vermögenswertes Forderungsrecht umgewandelt hat, könne es der Aufteilungsmasse zugerechnet werden.

Lebensversicherungen seien dagegen eine zur Verwertung bestimmte Sparform, die mit dem Rückkaufswert in die Aufteilung einzubeziehen sei, weil der Versicherungsnehmer aufgrund der Kündigungsmöglichkeit schon während der Laufzeit auf das angesparte Vermögen verfügen könne.

Zwar diene auch eine Lebensversicherung der Vorsorge, doch sei sie wegen des jedenfalls auch gegebenen Sparzwecks und der Verwertbarkeit als eheliche Ersparnis zu qualifizieren, so der OGH.

Erste und zweite Pensionssäule nicht betroffen

In der Folge geht der OGH in seiner rechtlichen Beurteilung auf die bisherige Rechtsprechung sowie auch auf die Kritik der rechtswissenschaftlichen Literatur an dieser ein. Die bisher in einzelnen Entscheidungen vom Höchstgericht vertretenen Ansichten werden nicht mehr aufrecht erhalten.

Nicht kritisiert werde in der Literatur, dass bloße Anwartschaften auf künftige Pensionszahlungen nicht der Aufteilung unterliegen; das betreffe sowohl die gesetzliche Pension („erste Pensionssäule“) als auch Zahlungen aus einer betrieblichen Pensionskasse („zweite Pensionssäule“).

Fraglich sei nur, wie Vorsorgemodelle zu beurteilen sind, bei denen wie typischerweise bei rein privaten Pensionsvorsorgeprodukten schon bei Vertragsabschluss feststeht, dass in Zukunft ein Geldbetrag ausbezahlt wird, dessen Höhe aber noch von der Entwicklung des Kapitalmarkts abhängt.

Wenn diese Produkte zumindest theoretisch auch einen vorzeitigen Zugriff auf das Kapital ermöglichen, seien sie primär danach zu beurteilen, ob sie ihrer Art nach als zur Verwertung bestimmte Wertanlage im Sinn des Ehegesetzes qualifiziert werden können.

Es kommt auf die Verwertbarkeit an

Es könne daher nicht mehr, wie bisher, auf den mit dem Vorsorgeprodukt verfolgten Zweck abgestellt werden, so der OGH. Sei eine Wertanlage, gleich welcher Art, ihrem Wesen nach für eine künftige Verwertung bestimmt, liege grundsätzlich eine eheliche Ersparnis vor.

Voraussetzung sei aber, dass die Veranlagung zum Aufteilungsstichtag einen wirtschaftlichen Wert aufweist und während der ehelichen Lebensgemeinschaft realisierbar ist. Dabei komme es nicht darauf an, ob eine vorzeitige Auszahlung des angesparten Kapitals wirtschaftlich unvernünftig wäre.

In letzterem Fall wäre, zu Gunsten des Ehegatten, der das Pensionsvorsorgeprodukt erworben hatte, nur der entsprechend geringere, fiktive Auszahlungsanteil der Aufteilungsmasse zuzurechnen. Der andere Ehegatte habe die Benachteiligung durch einen niedrigen Rückkaufswert hinzunehmen.

Recht auf Alterspension ist keine eheliche Ersparnis

Wertanlagen, die zum Aufteilungsstichtag einen realisierbaren Vermögenswert aufweisen, auch wenn sie für Pensionszwecke erworben wurden, seien aber dann nicht in die Aufteilung einzubeziehen, wenn sie gesetzlich verpflichtend sind und eine staatliche Pension ersetzen, so der OGH.

Grund sei, dass die Anerkennung von Versorgungsanwartschaften als eheliche Ersparnis mit dem Unterhaltsrecht in Widerspruch stünde, weil dem Unterhaltspflichtigen dann die Grundlage zur Tilgung künftiger Unterhaltspflichten entzogen würde.

Deshalb bleibe jener Ehegatte, der während der Dauer der Ehe Versicherungsmonate in der staatlichen Pensionsversicherung erworben hat, auch nach der Ehescheidung ungeschmälert im Besitz seiner Pensionsanwartschaften.

Das Recht, eine gesetzliche Alterspension in Anspruch zu nehmen, sei keine eheliche Ersparnis – auch dann nicht, wenn nach einem ausländischen Pensionssystem gesetzliche Pensionsanwartschaften erworben wurden.

Private Vorsorge als Ersatz für staatliche Pension

Dies treffe auch dann zu, wenn ein privates Vorsorgemodell eine staatliche Pension ersetzt, weil eine solche nicht oder nur in untergeordnetem Ausmaß besteht. Voraussetzung sei aber, dass ein bestimmtes Vorsorgeprodukt aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung erworben wurde.

Es entspreche dem österreichischen Aufteilungsrecht, verpflichtende private Pensionsvorsorgeprodukte, die nach pensionsrechtlichen Vorgaben eine fehlende oder unzureichende staatliche Pension ersetzen, generell von der nachehelichen Aufteilung auszunehmen.

Weil aber eine Pflicht zum Abschluss eines solchen privaten Pensionsvorsorgemodells dem österreichischen Pensionsrecht derzeit fremd sei, komme dies nur bei einer Erwerbstätigkeit eines Ehegatten in einem fremden Staat in Betracht.

Zurück ans Erstgericht

Ob die im vorliegenden Fall strittigen Vorsorgemodelle der Aufteilung unterliegen, könne aber noch nicht abschließend beurteilt werden, so der OGH. Die Entscheidungen der Vorinstanzen wurden aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Was die Pensionsvorsorgeprodukte betrifft, müsse das Erstgericht Feststellungen zur konkreten Ausgestaltung der Vorsorgemodelle, deren Einbeziehung in die Aufteilung die Frau anstrebt, treffen.

Den Parteien müsse Gelegenheit gegeben werden, darzulegen, warum die Pensionspläne nach den dargestellten Grundsätzen der Aufteilung unterliegen oder von dieser ausgenommen sind.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 1Ob140/24f vom 25. März 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Altersvorsorge · Immobilie · Lebensversicherung · Pension  · Pensionsfonds · Pensionskasse · Zukunftsvorsorge
 
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