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OGH klärt Streit um Entschädigungshöhe in der Feuerversicherung

3.10.2024 – Höchstversicherungssumme und Unterversicherung seien gängige Begriffe im Zusammenhang mit dem Abschluss von Versicherungsverträgen, betont der Oberste Gerichtshof. Ein Versicherungsnehmer müsse damit rechnen, dass ein Versicherer nicht der Höhe nach unbegrenzt leistet.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Im Wohnhaus einer Versicherungsnehmerin brannte im April 2018 das Obergeschoß aus. Für das Wohnhaus besteht eine Eigenheimversicherung, vereinbart sind die „Klipp & Klar-Bedingungen für die Zuhause & Glücklich Eigenheimversicherung“ in der Deckungsvariante „Premium“.

Im Versicherungsantrag war von einer Innenfläche von je 60 m² für Erdgeschoß und Mansarde ausgegangen worden. Nach einer Wertanpassung im Jahr 2018 betrug die Haftungshöchstsumme für das Wohnhaus 247.810 Euro mit Unterversicherungsverzicht zum Neubauwert.

Wäre dem Versicherungsvertrag die richtige Quadratmeterzahl zugrunde gelegt worden, wäre die Versicherungssumme zum Zeitpunkt des Schadenseintritts bei 291.650 Euro gelegen.

Bedingungslage

Laut den Bedingungen sollten die „Wiederherstellungskosten (Neuwertentschädigung) am Tag des Schadens“ ersetzt werden; begrenzt war die Entschädigung mit den in der Polizze angegebenen Höchsthaftungssummen.

Grundlage für die Festsetzung der Höchsthaftungssumme und der Prämienberechnung sollte die Quadratmeteranzahl der Innenfläche des Gebäudes sein. Dabei wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nur eine korrekt ermittelte Höchsthaftungssumme vor Unterversicherung schützt.

Mitversichert sind mit jeweils eigenen Haftungshöchstsummen auch Nebenkosten, der gesamte Wohnungsinhalt zum Neuwert sowie Nebenkosten wie Aufräumungs- und Reinigungskosten.

Versicherungsnehmerin fordert weitere Zahlung

Der Versicherer hat bisher insgesamt 428.289,72 Euro bezahlt; davon betrafen 278.442 Euro den Gebäudeschaden, der Rest Nebenkosten des Gebäudeschadens, Inventarschäden und Mietkosten sowie Nebenkosten des Inventarschadens.

Die Versicherungsnehmerin fordert darüber hinaus 45.819,59 Euro zuzüglich rund 5.000 Euro an Zinsen und Zinseszinsen. Sie habe Anspruch auf Ersatz des Neuwertschadens für das Gebäude samt Nebenkosten, des Inventarschadens samt Nebenkosten, der Mietkosten sowie der Zinsen.

Der Versicherer habe es zu vertreten, dass eine falsche Quadratmeterzahl für das Haus angegeben worden sei, außerdem hätte der damalige Vermittler darauf hinweisen müssen, dass im Schadensfall nicht der ganze Schaden ersetzt werde, was er nicht getan habe.

Weiters erklärt die Versicherungsnehmerin, dass ihr der Neuwertschaden für das Gebäude in der ermittelten Höhe zustehe, obwohl sie für die Wiedererrichtung weniger bezahlt habe. Dies sei auf ihr Verhandlungsgeschick und die geringere Qualität der Wiedererrichtung zurückzuführen.

Berufungsgericht weist Klage ab

Der Versicherer beantragte die Abweisung der Klage; er ließ sich zwar die Falschermittlung der Fläche des Wohnhauses zurechnen, weshalb sich höhere Höchstversicherungssummen ergeben. Darüber hinaus hätten er und der Vermittler aber keine Pflichten verletzt.

Auch dann, wenn der Neuwert zu ersetzen sei, würden die vereinbarten Höchstversicherungssummen gelten. Die Ersatzleistung sei mit dem tatsächlichen Gebäudeschaden limitiert. Schließlich habe er bereits mehr bezahlt, als der Versicherungsnehmerin zustehe, so der Versicherer.

Während das Erstgericht der Klage teilweise stattgab, wies das Berufungsgericht diese zur Gänze ab. Höchstversicherungssumme und Unterversicherung seien gängige Begriffe im Zusammenhang mit dem Abschluss von Versicherungen und allgemein bekannt, so das Berufungsgericht.

Ersatzfähig sei nur der tatsächliche Aufwand, der Versicherer könne einen Abzug vornehmen, wenn die Wiederherstellung weniger gekostet hat. Der Versicherer habe bereits mehr bezahlt, als der Versicherungsnehmerin zustehe, weshalb auch die begehrten Zinsen bereits abgegolten seien.

Antrag war nicht missverständlich

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts legte die Versicherungsnehmerin Revision beim Obersten Gerichtshof ein.

In seiner rechtlichen Beurteilung geht der OGH einleitend auf die Höchsthaftungssummen ein. Es sei, wie auch das Berufungsgericht festgestellt hatte, bereits im Versicherungsantrag auf die relevanten Bedingungen hingewiesen worden.

Der Antrag sei auch nicht missverständlich formuliert gewesen. Im Zusammenhang mit dem Begriff „Unterversicherung“ seien in diesem auch Zahlen zum „Neubauwert“ und „Neuwert“ und anschließend die Grundlage für deren Berechnung genannt worden

Damit müsse für einen durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer klar sein, dass der Versicherungsschutz ziffernmäßig begrenzt ist, so der OGH.

Höchsthaftungssummen wirksam vereinbart

Ebenso klar sei, dass mit den Begriffen Versicherungssumme, Höchstversicherungssumme oder Höchsthaftungssumme jener Betrag gemeint sei, der bei Vorliegen eines Versicherungsfalles maximal ausbezahlt wird.

Diese Begriffe seien einerseits im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Versicherung allgemein bekannt, andererseits widerspreche es den berechtigten Deckungserwartungen eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, dass der Versicherer der Höhe nach unbegrenzt leistet.

Damit seien im vorliegenden Fall die Haftungshöchstsummen wirksam vereinbart worden: da auch der Versicherer zugesteht, dass aufgrund eines Fehlers des Agenten im Antrag von einer zu niedrigen Quadratmeterzahl des Hauses ausgegangen wurde, würden sich die Summen unstrittig erhöhen.

Anspruch auf Ersatz des Neuwertschadens

Für die Höhe des Ersatzumfangs eines Gebäudeschadens sei die konkret gewählte Ausgestaltung der Wiederherstellungsklausel maßgeblich, betont der OGH.

Werden in den Bedingungen keine Einschränkungen vorgesehen, so sei unabhängig von einem möglicherweise niedrigeren tatsächlichen Wiederherstellungsaufwand die nach der Wiederherstellungsklausel zustehende Entschädigung in vollem Umfang zu leisten.

Zahle der Versicherungsnehmer tatsächlich weniger als die festgestellten Wiederbeschaffungskosten, so komme ihm das zugute. Dies treffe im vorliegenden Fall zu. Die Klägerin habe Anspruch auf Ersatz des Neuwertschadens für das Gebäude, der in der Versicherungssumme gedeckt ist.

Nachforderung teilweise berechtigt

Im vorliegenden Fall setze sich der Anspruch der Versicherungsnehmerin aus mehreren selbständigen Schuldposten zusammen. Dies betreffe neben dem Neuwertschaden des Gebäudes Nebenkosten des Gebäudeschadens, Inventarschäden samt Nebenkosten und Mietkosten.

Für letztere lasse sich die Neuwertentschädigung aus den Feststellungen zwar nicht zweifelsfrei entnehmen, was aber unerheblich sei, weil der Versicherer für diese Posten bereit sei, die jeweilige Höchsthaftungssumme zu ersetzen.

Was die von der Versicherungsnehmerin begehrten Zinsen betrifft, sei es einerseits unklar, wann der Versicherungsfall angezeigt wurde und damit der Zinsenlauf begann, andererseits würden Feststellungen zum Zeitpunkt der geleisteten Zahlungen fehlen; das Zinsbegehren könne daher nicht abschließend beurteilt werden.

In einem Teilurteil entschied der OGH, dass der Versicherungsnehmerin 17.648,17 Euro zustehen; das Mehrbegehren über 28.171,42 Euro wurde abgewiesen. Bezüglich der Zinsen wurde die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob54/24b vom 28. August 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

 
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