OGH klärt Rechtsstreit um Wasserschaden in unbewohntem Haus

1.10.2024 – Das Wochenendhaus einer Versicherungsnehmerin war zwar rund zwei Monate lang unbewohnt. Weil aber ihr Ehemann häufig anwesend war, um Gartenarbeiten zu verrichten, und dabei auch Kaffee kochte und nach dem Rechten sah, war das Haus benutzt und beaufsichtigt, so der OGH. Der Versicherer muss den Leitungswasserschaden decken.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Die Besitzerin eines Wochenendhauses hat im März 2022 die Hauswasserzuleitung im Gartenbereich nicht abgedreht. Erst am 20. Mai hielt sie sich wieder im Haus auf und stellte am 22. Mai einen Schaden aufgrund von ausgetretenem Leitungswasser fest.

Ihr Ehemann fährt regelmäßig nach der Arbeit in das Wochenendhaus, verrichtet dort Gartenarbeit und sieht nach, „ob alles passt“. Dabei betritt er das Haus, um sich umzuziehen und manchmal, um Kaffee zu kochen. Meist wirft er auch noch kurz einen Blick „auf alles“.

Von ihrem Versicherer fordert die Hausbesitzerin die Sanierungskosten für den aufgetretenen Leitungswasserschaden, in Summe knapp 17.000 Euro. Der Versicherer lehnt eine Leistung ab, da sie das Haus ohne Absperren der Wasserzuleitung länger als 72 Stunden unbewohnt gelassen habe.

Leitungswasserschadenversicherung

Die Hauseigentümerin verfügt über einen Eigenheimversicherungsvertrag, vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für Versicherungen gegen Leitungswasserschaden (AWB) sowie die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS).

In der Leitungswasserschadenversicherung besteht Versicherungsschutz für Schäden an versicherten Sachen, die dadurch entstehen, dass Wasser aus Zu- oder Ableitungsrohren oder angeschlossenen Einrichtungen austritt.

In nicht benutzten und nicht beaufsichtigten Baulichkeiten ist der Versicherungsnehmer nach Artikel 6 der AWB verpflichtet, Wasserleitungsanlagen und sonstige wasserführende Anlagen abzusperren. Für Wochenendhäuser gilt diese Regelung nur, wenn sie länger als 72 Stunden unbewohnt sind.

Verweis auf Bestimmung der Sachversicherung

Diese Vorschrift gilt laut Artikel 6 Absatz 3 der AWB als vereinbarte Sicherheitsvorschrift im Sinn des Artikels 3 ABS.

Artikel 3 der ABS bestimmt dazu, dass der Versicherer bei Verletzung einer Sicherheitsvorschrift bzw. deren Duldung innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, den Vertrag kündigen kann.

Darüber hinaus ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, wenn ein Schadenfall nach der Verletzung der Sicherheitsvorschrift eintritt und die Verletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgte.

Allerdings soll die Verpflichtung zur Leistung bestehen bleiben, wenn die Verletzung keinen Einfluss auf den Eintritt des Schadenfalls oder den Umfang der Entschädigung hatte oder eine Kündigung trotz Ablaufs der Frist nicht erfolgt war.

Vorinstanzen geben Klägerin recht

Das Erstgericht war der Auffassung, dass die Hausbesitzerin die Obliegenheit grob fahrlässig verletzt hat, weil sie das Haus länger als 72 Stunden unbewohnt gelassen hat; daran würden auch die kurzzeitigen Aufenthalte ihres Ehemannes nichts ändern.

Allerdings sei der Versicherer nicht leistungsfrei, weil die Klauseln intransparent seien. Artikel 6 der AWB beschränke sich nämlich im Zusammenhang mit der Leistungsfreiheit des Versicherers auf einen Hinweis auf Artikel 3 der ABS.

Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer werde nicht das gesamte Regelwerk durchlesen, so das Erstgericht. Die zusammenhängenden Bestimmungen und ihre nachteiligen Folgen würden sich in unterschiedlichen Bedingungswerken finden, der Klausel fehle es daher an Verständlichkeit.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die ordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof wurde zugelassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Transparenz der vorliegenden Klauseln fehle.

Nicht intransparent

In seiner rechtlichen Beurteilung betont der OGH, dass ein Querverweis in einem Regelwerk noch nicht zur Intransparenz führe; es sei dem Verbraucher aber nicht zuzumuten, dass er sich die notwendigen Informationen erst zusammensuchen muss.

Die Auffindung müsse durch eine unmittelbar zielführende, auch dem Durchschnittsverbraucher leicht verständliche Verweisung ermöglicht werden und es dürfe ihm kein unklares Bild seiner vertraglichen Verpflichtung vermittelt werden.

Im vorliegenden Fall werde dem Verbraucher die Rechtsfolge einer Verletzung der 72-Stunden-Klausel „durch eine unmittelbar zielführende, auch dem Durchschnittsverbraucher leicht verständliche Verweisung ermöglicht“. Er müsse nur Artikel 3 der ABS lesen, worauf er explizit aufmerksam gemacht werde.

Damit werde dem Versicherungsnehmer der für ihn relevante Inhalt des § 6 Absatz 1 und 2 VersVG in übersichtlicher Weise dargestellt. Noch dazu weiche die Regelung zugunsten des Versicherungsnehmers vom VersVG ab; die Klausel ist damit nicht intransparent im Sinne des § 6 Absatz 3 KSchG.

Das Haus war benutzt und beaufsichtigt

Zwar habe die Versicherungsnehmerin das Wochenendhaus rund zwei Monate lang nicht bewohnt, weshalb sie die Wasserzuleitung hätte absperren müssen, so der OGH. Diese Verpflichtung gelte aber nach den Bedingungen nur für „nicht benutzte und nicht beaufsichtigte Baulichkeiten“.

In einer früheren Entscheidung hatte der OGH erklärt, dass an die Qualität der Beaufsichtigung keine höheren Anforderungen gestellt werden dürfen, als es der Kontrolltätigkeit, die mit dem üblichen Benützen verbunden ist, entspricht.

Im vorliegenden Fall sei das Objekt als benutzt anzusehen; der Ehemann der Klägerin sei oft und vor allem auch lange genug im Wochenendhaus gewesen. Er habe das Haus während seiner Aufenthalte tatsächlich benutzt und sich dort über mehrere Stunden aufgehalten.

Revision des Versicherers zurückgewiesen

Er habe Gartenarbeiten verrichtet und fallweise Kaffee gekocht. Beides sei mit der Benutzung der wasserführenden Anlagen verbunden und mit der Kontrolltätigkeit während des Bewohnens vergleichbar.

Das Wochenendhaus sei im Sinne des Artikels 6 der AWB benutzt und beaufsichtigt gewesen. Dem Versicherer sei es damit nicht gelungen, die behauptete Obliegenheitsverletzung nachzuweisen.

Die Revision des Versicherers erwies sich daher zwar als zulässig, im Ergebnis aber nicht als berechtigt. Der Versicherer muss den Leitungswasserschaden decken.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob74/24v vom 28. August 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

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