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Lebensversicherung: Nach Rücktritt noch ein Rücktritt?

26.6.2024 – Der Oberste Gerichtshof entschied in einer Revision, dass es sich bei der nunmehrigen Forderung auf Zahlung der Vergütungszinsen um ein identes Begehren wie in der bereits entschiedenen Sache handle. Die Urteile der Vorinstanzen sind daher nichtig. Darüber hinaus sei die Rechtslage nach einem Spätrücktritt so zu beurteilen, als ob der Vertrag nie geschlossen worden wäre. Damit konnten auch die Klauseln nie wirksam werden.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Im Jahr 1997 hat Mag. D.K. eine fondgebundene Lebensversicherung abgeschlossen. Bis zu seiner Kündigung im Jahr 2013 leistete er Prämien in Höhe von knapp mehr als 50.000 Euro. Im Juli 2013 erhielt er den Rückkaufswert von rund 45.000 Euro ausbezahlt.

Im Jahr 2018 trat er wegen fehlender Belehrung über sein Rücktrittsrecht vom Vertrag zurück. Erst- und Berufungsgericht verurteilten den Versicherer zur Rückzahlung der Prämien abzüglich des bereits bezahlten Rückkaufswertes, der Versicherungssteuer und der Risikokosten.

Seine Forderung zur Zahlung auch der Vergütungszinsen für den Zeitraum von 1997 bis 2013 wies der Oberste Gerichtshof im September 2020 wegen Verjährung zurück.

Neuerliche Klage

In einem neuerlichen Verfahren begehrt Mag. D.K. wieder die Zahlung von Vergütungszinsen für den Zeitraum von August 1997 bis Juni 2013. Er argumentiert, die Versicherungsbedingungen hätten mehrere intransparente und missbräuchliche Klauseln zur Fondsveranlagung enthalten.

Ein Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag und die Anfechtung des Vertrags wegen intransparenter und missbräuchlicher Klauseln betreffe unterschiedliche Regelungsregime, die Rechtsfolgen des Rücktritts seien mit jenen der Nichtigkeit des Vertrags wegen des gebotenen Klauselentfalls nicht ident.

Der Versicherer entgegnete, der Vertrag sei aufgrund des Rücktritts schuldrechtlich „ex tunc“ (von Anfang an, Anm.) rückabgewickelt worden, der Kläger habe keine Ansprüche aus dem nicht mehr existenten Versicherungsvertrag.

Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Mit der Rückabwicklung solle eine Situation geschaffen werden, die jener am nächsten kommt, wie wenn das Vertragsverhältnis nie eingegangen worden wäre. Da der Vertrag aufgelöst wurde, könne er auch keine missbräuchlichen Klauseln enthalten.

Urteile der Vorinstanzen nichtig

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts legte Mag. D.K. Revision beim OGH ein; diese wurde zugelassen, da höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob nach einem bereits erfolgten Spätrücktritt ein weiterer Rücktritt im Hinblick auf die Klausel-Richtlinie zulässig sei.

Der OGH erklärt einleitend, dass nach einem rechtskräftigen Urteil die neuerliche Anhängigmachung desselben Begehrens, das auf denselben rechtserzeugenden Sachverhalt gestützt ist, ausgeschlossen sei.

Dem Gericht sei eine Sachverhandlung und Entscheidung verwehrt, wenn das Prozesshindernis einer entschiedenen Sache vorliegt. Im vorliegenden Fall sei eine Nichtigkeit der Entscheidung der Vorinstanzen von Amts wegen wahrzunehmen.

Große Bedeutung des Verbraucherschutzes

Der Kläger fordere nämlich wie schon im Vorverfahren die Zahlung der Vergütungszinsen aus den im Zeitraum August 1997 bis Juni 2013 geleisteten Prämien, gegründet auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des Vertrags. Damit sei das Begehren „jedenfalls ident“, so der OGH.

Allerdings habe der EuGH in vergleichbaren, gesondert gelagerten Fällen dem Verbraucherschutz gegenüber den tragenden Grundsätzen des Verfahrensrechts große Bedeutung eingeräumt.

Die Frage, ob es notwendig sei, sich über nationale Rechtskraftregeln hinwegzusetzen, um das Aufgreifen missbräuchlicher Vertragsklauseln im Sinn der Klausel-Richtlinie zu gewährleisten, stelle sich im vorliegenden Fall aber nicht.

Wie wenn der Vertrag nie abgeschlossen worden wäre

Der Kläger habe nämlich am 30.7.2018 sein Rücktrittsrecht ausgeübt. Damit sei der Vertrag rückwirkend auf den Vertragsabschlusszeitpunkt beseitigt worden. Die Rechtslage sei so zu beurteilen, als ob der Vertrag nie abgeschlossen worden wäre, betont der OGH.

Die Klauseln des Vertrags seien also nicht wirksam geworden und hätten auch keine Verbindlichkeit gegenüber dem Kläger entfaltet. Die Urteile der Vorinstanzen wurden als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen.

Es bedürfe daher auch keiner Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens zur Frage, ob dem Verbraucher die Berufung auf missbräuchliche Vertragsklauseln und damit die Geltendmachung der Nichtigkeit eines Vertrags zu verweigern sei, wenn dieser Vertrag aufgrund eines vom Verbraucher ausgeübten Rücktrittsrechts beendet ist.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob67/24i vom 22. Mai 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

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Lebensversicherung · Versicherungsteuer
 
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