Hagelschaden: OGH klärt Streit um Auslegung einer Klausel

18.10.2024 – Nach einem Hagelunwetter drückten Wassermassen und aufgeweichter Ackerschlamm auf ein Gebäude, worauf es zu hohen Schäden kam. Der OGH entschied: Der Risikoeinschluss, wonach Schäden durch Wasser dann versichert sind, wenn sie durch ein Schadenereignis eintreten, beziehe sich nur auf die versicherten Gefahren. Da der Schaden nicht durch unmittelbare Einwirkung des Hagels entstand, ist der Versicherer leistungsfrei.

Symbolfoto (Bild Ehuth auf Pixelio.de)
Symbolfoto (Bild Ehuth auf Pixelio.de)

Im Juni 2022 ereignete sich im Bereich einer Liegenschaft ein Gewitter mit Starkregen und Hagel. Die Hagelkörner bedeckten den Acker des Klägers mit einer zehn Zentimeter hohen Schicht, schmolzen aber aufgrund des warmen Regens schnell ab.

Die Erdkruste des Ackers war durch die Hagelschloßen als „unvermeidliche Folge des Hagelschlags“ an der Oberfläche durchschlagen worden, Wassermassen und Ackerschlamm drückten daraufhin stark auf den hinteren Außenbereich des nahe gelegenen Gebäudes der Liegenschaft.

Dies führte an dieser Stelle zu einer Ausschwemmung, in weiterer Folge konnte das Wasser in den Keller des Gebäudes eindringen und verursachte Schäden. Von seinem Sturmschadenversicherer fordert der Eigentümer der Liegenschaft knapp mehr als 200.000 Euro.

Bedingungslage

Für das Grundstück war ein Bündelversicherungsvertrag abgeschlossen worden, der auch eine Sturmschadenversicherung enthält; vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für die Sturmversicherung (AStB 1998).

Zu den versicherten Gefahren zählt demnach Hagel, versichert sind nach Artikel 1.2 Schäden, die „durch die unmittelbare Einwirkung einer versicherten Gefahr (Schadenereignis)“ oder „als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses eintreten“.

Nicht versichert, auch nicht als unvermeidliche Folge eines Schadenereignisses sind nach Artikel 2 der Bedingungen Schäden durch Wasser. Eine Ausnahme findet sich allerdings in Artikel 2 Punkt 4.

Demnach sind Schäden durch Schmelz- oder Niederschlagswasser versichert, „wenn das Wasser dadurch in ein Gebäude eindringt, dass feste Baubestandteile oder ordnungsgemäß verschlossene Fenster oder Außentüren durch ein Schadenereignis beschädigt oder zerstört wurden“.

Vorinstanzen weisen Klage ab

Der Versicherer argumentiert, der Schaden sei durch das in das Gebäude eingedrungene Wasser verursacht worden und nicht durch Hagel oder dessen unvermeidbare Folgen. Außerdem seien laut den Bedingungen Schäden durch Wasser ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausgenommen.

Nachdem der Versicherer eine Zahlung abgelehnt hatte, reichte der Versicherungsnehmer Klage ein. Erst- und Berufungsgericht wiesen diese ab.

Das Berufungsgericht erklärte dazu, dass sich der Anspruch des Versicherungsnehmers aus seiner Argumentation nicht schlüssig ableiten lasse und der Risikoausschluss des Artikel 2 AStB 1998 greife.

Gegen diese Entscheidung legte der Versicherungsnehmer außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof ein.

Was unmittelbare Einwirkung bedeutet

In seiner rechtlichen Beurteilung geht der OGH auf den Begriff der unmittelbaren Einwirkung ein. Eine solche sei gegeben, wenn die Naturgewalt – im vorliegenden Fall der Hagel – einzige oder letzte Ursache für den Schaden ist.

Hier habe aber nicht der Hagel die Gebäudehülle beschädigt, wodurch Wasser in das Gebäude eindringen hätte können. Zeitlich letzte Ursache des Schadeneitritts seien die Wassermassen mit Ackerschlamm gewesen, die in das Gebäude eindrangen.

Es liege auch kein Fall vor, der mit einer „unmittelbaren Einwirkung“ gleichzuhalten wäre; daher sei die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht korrekturbedürftig, wonach der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall nicht schlüssig dargetan hat.

Begriff Schadenereignis bezieht sich auf die versicherte Gefahr

Ob es sich im vorliegenden Fall um eine unvermeidliche Folge des Hagelereignisses gehandelt hat, sei nicht relevant, weil der Risikoausschluss für Schäden durch Wasser jedenfalls greife, so der OGH.

Zwar seien Schäden durch Schmelz- oder Niederschlagswasser versichert, wenn das Wasser dadurch in ein Gebäude eindringt, dass feste Baubestandteile oder ordnungsgemäß verschlossene Fenster oder Außentüren durch ein Schadenereignis beschädigt oder zerstört wurden.

Der Ansicht des Versicherungsnehmers, dass dieser sekundäre Risikoeinschluss greife, weil mit dem Begriff Schadenereignis nicht das versicherte Ereignis, sondern ein „Schadenereignis schlechthin“ gemeint sei, widersprechen die Höchstrichter aber.

In Artikel 1.2 der AStB 1998 werde der Begriff Schadenereignis „eindeutig im Sinn von ;versicherte Gefahr‘ definiert“, so der OGH. Diese Definition gelte „unzweifelhaft“ auch für Artikel 2.4, dessen eindeutiger Wortlaut keinen Auslegungsspielraum zulasse. Die Revision wurde zurückgewiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob110/24p vom 23. September 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

 
WERBUNG
Ihr Wissen und Ihre Meinung sind gefragt

Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.

Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu! Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.at.

Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.at.

Täglich bestens informiert!

Der VersicherungsJournal Newsletter informiert Sie von montags - freitags über alle wichtigen Themen der Branche.

Ihre Vorteile

  • Alle Artikel stammen aus unserer unabhängigen Redaktion
  • Die neuesten Stellenangebote
  • Interessante Leserbriefe

Jetzt kostenlos anmelden!

VersicherungsJournal in Social Media

Besuchen Sie das VersicherungsJournal auch in den sozialen Medien:

  • Facebook – Ausgewähltes für den Vertrieb
  • Twitter – alle Nachrichten von VersicherungsJournal.at
  • Xing News – Ausgewähltes zu Karriere und Unternehmen
Weitere Artikel aus Versicherungen & Finanzen
17.10.2024 – Wie das Versicherungsproblem in puncto Naturgefahren schultern? Überlegungen dazu stellte Prof. Stefan Perner beim Versicherungsrechtstag 2024 an, samt historischer, internationaler und sogar österreichischer Anknüpfungspunkte. (Bild: VJ/Screenshot) mehr ...
 
16.10.2024 – Das Online-Werkzeug soll den Zugang zur Absicherung des Zweirads vereinfachen. mehr ...
 
16.10.2024 – Ein freiwilliger Helfer wurde bei Forstarbeiten schwer verletzt. Der OGH hatte zu beurteilen, ob das Haftungsprivileg des ASVG für den mit den Forstarbeiten beauftragten Unternehmer gilt und ob der Haftpflichtversicherer des bei den Arbeiten eingesetzten Traktors Deckung gewähren muss. (Bild: Hagenstaadt auf Pixabay) mehr ...