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Greift Bauherrenklausel nach Cyberangriff auf Lieferanten?

26.9.2024 – Aufgrund eines Cyberangriffs auf den Lieferanten überwies ein Unternehmen mehr als 50.000 Euro auf ein falsches Konto. Der Rechtsschutzversicherer lehnt die Deckung einer Schadenersatzforderung mit Hinweis auf die Bauherrenklausel ab. Die Schlichtungsstelle der Makler erklärt dagegen, dass es sich dabei nicht um das typische Risiko der Finanzierung von Bauvorhaben gehandelt habe.

Symbolfoto (Bild: Peshkov bei AdobeStock)
Symbolfoto  (Bild: Peshkov bei AdobeStock)

Ein Unternehmen hatte für die Lieferung von Stahl für die Dachkonstruktion seiner Kfz-Werkstätte einen Auftrag in Höhe von knapp 53.000 Euro an eine Lieferantin vergeben. Von einer Mitarbeiterin dieser Lieferantin erhielt das Unternehmen am 22. März 2022 per E-Mail eine Rechnung über diesen Betrag.

Wenige Minuten später langte eine weitere E-Mail dieser Mitarbeiterin ein, wonach der Betrag auf ein deutsches Konto einbezahlt werden sollte. Die Geschäftsführerin der Auftraggeberin überwies den Betrag auf dieses Konto und sandte an die Lieferantin eine Buchungsbestätigung.

Daraufhin stellte sich heraus, dass sich unbekannte Täter durch ein Sicherheitsleck im IT-System der Lieferantin Zugang verschafft hatten und die Kontoangaben fälschten; die Zahlung der Auftraggeberin erfolgte deshalb auf ein falsches Konto und war nicht schuldbefreiend.

Cyberangriff typisches Bauherrenrisiko?

Die Geschäftsführerin überwies den Betrag daher nochmals. Sie fordert allerdings von der Lieferantin den Betrag der ersten Zahlung im Wege des Schadenersatzes zurück, da diese ihre vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt und ihr IT-System nicht gegen Cyberattacken geschützt habe.

Von seinem Rechtsschutzversicherer fordert das Unternehmen Deckung des Falles, dieser lehnte eine Zahlung mit Hinweis auf den Risikoausschluss im Zusammenhang mit der Errichtung oder Veränderung von Gebäuden (Bauherrenklausel) sowie die vereinbarte Streitwertobergrenze ab.

Das Unternehmen wandte sich daraufhin über seinen Makler mit einem Schlichtungsantrag an die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle des Fachverbandes der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungssachen (RSS).

Der Risikoausschluss komme nicht zum Tragen, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um ein typisches Risiko handle, das von der Baufinanzierungsklausel gedeckt werden soll. Auch sei eine Rahmenvereinbarung über die Streitwerterhöhung zu berücksichtigen.

Bedingungslage

Das Unternehmen verfügt über eine Betriebsversicherung, die auch eine Rechtsschutzversicherung umfasst; vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2015).

Für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit der Errichtung bzw. baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Gebäuden oder Gebäudeteilen sowie für die Finanzierung des Bauvorhabens ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen.

Im Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz umfasst der Versicherungsschutz unter anderem die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers aus Reparatur- und sonstigen Werkverträgen über unbewegliche Sachen.

Voraussetzung dafür ist im Betriebsbereich aber, dass die tatsächlichen oder behaupteten Forderungen und Gegenforderungen der Vertragsparteien aufgrund desselben Versicherungsfalles die vereinbarte Streitwertobergrenze von 20.000 Euro nicht übersteigen.

Typische Folge der Finanzierung eines Bauvorhabens?

In ihrer Stellungnahme betont die RSS, dass Ausschlüsse nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof nicht weiter ausgelegt werden dürfen, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks, der gewählten Ausdrucksweise und des Regelungszusammenhanges erfordert.

Konkret für die Bauherrenklausel bedeute dies, dass die Rechtsschutzdeckung nicht nur für erfahrungsgemäß aufwändige und teure Bau(mängel)prozesse, sondern auch für Streitfragen im Zusammenhang mit der Baufinanzierung ausgeschlossen werden soll.

Grund für Letzteres sei, dass Streitigkeiten wegen der häufigen Notwendigkeit, große Beträge fremd zu finanzieren, hohe Streitwerte zum Gegenstand haben; dabei handle es sich in der Regel um Streitfragen aus den geschlossenen Kreditverträgen zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer.

Dieser Risikoausschluss dürfe nur dann angewendet werden, wenn sich die typische Risikoerhöhung, die zur Aufnahme des Ausschlusses geführt hat, verwirklicht. Der Rechtsstreit, für den Deckung gewährt werden soll, müsse dabei typische Folge der Finanzierung eines Bauvorhabens sein.

Kein adäquater Zusammenhang

Im vorliegenden Fall gebe es keinen adäquaten Zusammenhang zwischen der Bautätigkeit, deren Finanzierung und den dabei auftretenden typischen Problemen.

Das Risiko eines Cyberangriffs auf die Lieferantin, bei dem die Zahlungsinformationen gefälscht werden, sei kein anderes als beispielsweise bei der Lieferung eines betrieblich genutzten Fahrzeugs, so die RSS. Der Argumentation des antragstellenden Unternehmens sei daher zuzustimmen.

Der Rechtsschutzfall falle hier unstrittig in den Baustein des Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutzes; der Lieferantin werde ein Verstoß gegen vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten vorgeworfen, der zu einem Vermögensschaden bei der Versicherungsnehmerin geführt hat.

Weil allerdings die Streitwertobergrenze überschritten wurde und die Deckungserweiterung der Rahmenvereinbarung nicht als prämienpflichtige Zusatzdeckung in der Polizze angeführt ist, hat die Schlichtungskommission den Antrag auf Deckung des Rechtsschutzfalles abgewiesen.

Zum Herunterladen

Die Empfehlung der RSS kann als PDF-Dokument (175 KB) von der Website des Fachverbandes heruntergeladen werden.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Darlehen · Mitarbeiter · Rechtsschutz · Vermögensschaden · Versicherungsmakler
 
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