Gewerbliche Nutzung nicht gedeckt: Fehlberatung?

28.6.2024 – In einem Haus in einer Chalet-Anlage kam es nach einem Leitungswasserschaden zu einem nicht versicherten Mietausfall. Die Schlichtungsstelle der Versicherungsmakler sieht einen Beratungsfehler beim Außendienstmitarbeiter des Versicherers, da die touristische Nutzung der Anlage offensichtlich war.

Symbolfoto (Bild: Erich Westendorp bei Pixelio.de)
Symbolfoto (Bild: Erich Westendorp bei Pixelio.de)

In einem für touristische Zwecke genutzten „Chalet“ in einer Anlage kam es im Juni 2023 zu einem Leitungswasserschaden, woraus auch ein Mietausfall resultierte. Die Eigentümer des Chalets forderten von ihrem Eigenheimversicherer die Deckung ihres Schadens.

Der Versicherer lehnte eine Leistung ab; eine entsprechende Versicherung sei nicht abgeschlossen worden. Den Vertrag hatten die Versicherungsnehmer nach dem Kauf der Immobilie vom früheren Eigentümer übernommen, Ende 2021 wurde dieser konvertiert. Berater war dabei ein Außendienstmitarbeiter des Versicherers.

Der von den Hauseigentümern hinzugezogene Versicherungsmakler forderte nun eine Anerkennung des Schadens über den Titel des Schadenersatzes, da das Objekt fälschlicherweise mit einer Eigenheim-/Haushaltsversicherung versichert worden sei.

Tatsächlich handle es sich um ein gewerblich genutztes Objekt, weshalb eine Fehlberatung durch den Außendienstmitarbeiter vorliege. Der Versicherer bestritt eine Fehlberatung, es sei nicht bekannt gewesen, dass das Objekt gewerblich vermietet werde.

Touristische Nutzung offenkundig

Die Versicherungsnehmer wandten sich daraufhin über ihren Versicherungsmakler mit einem Schlichtungsantrag an die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle des Fachverbands der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten (RSS).

Der Verwalter des Chalets erklärte gegenüber der RSS, dass die Konvertierung 2021 erfolgte, weil er vermutete, dass das Objekt unterversichert sei. Zur Feststellung der Werte hätten ein Gespräch und die Vertragsunterzeichnung in einem der Chalets der Anlage stattgefunden.

Es sei besprochen worden, dass es sich um ein touristisches Objekt handelt; darüber hinaus erinnere auch die Einrichtung an eine touristische Immobilie, es würden Informationsbroschüren aufliegen und Gästeservices auf Informationsblättern an den Wänden angeboten werden.

Außerdem befinde sich im Zugangsbereich zu den Chalets eine Tafel mit der Aufschrift „Rezeption“. Der Außendienstmitarbeiter des Versicherers müsse allein schon deshalb erkannt haben, dass es sich eindeutig um eine touristische Unterkunft handelt, so der Verwalter.

IDD schreibt Bedürfnisermittlung vor

Einleitend geht die RSS auf die Pflichten des Versicherers vor einem Vertragsabschluss ein. Es bestehe eine Aufklärungspflicht über einen Risikoausschluss, wenn erkennbar sei, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz gerade für ein ausgeschlossenes Risiko anstrebt.

Nach der früheren Fassung des VersVG musste der Versicherer nicht überprüfen, ob die Versicherungsbedingungen das erkennbare Versicherungsbedürfnis voll abdecken. Dies sei aber mit der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) nicht vereinbar.

Die RSS erinnert daran, dass das Versicherungsunternehmen demnach die Pflicht treffe, vor Vertragsabschluss jene Informationen vom Versicherungsnehmer einzuholen, die benötigt werden, um dessen Wünsche und Bedürfnisse zu ermitteln.

Versicherer dürften sich damit nicht auf in Eigeninitiative getätigte Angaben des Versicherungsnehmers verlassen und könnten nicht vorbringen, ihnen seien die Wünsche und Bedürfnisse nicht ausreichend bekannt gewesen.

Gewerbliche Nutzung nicht erkannt

Eine Deckung für den Mietausfall eines versicherten Gebäude-/Haushaltsversicherungsschadens sei ein Deckungsbaustein, der bei diversen Produkten von Versicherern in der Gebäudeversicherung integriert ist, so die RSS.

Dass im vorliegenden Fall ein solches Produkt vom Versicherer nicht angeboten wurde, liege offensichtlich daran, dass bei der Aufnahme des Risikos nicht erkannt wurde, dass es sich um ein gewerblich genutztes Objekt handelt.

Für einen professionell im bestmöglichen Interesse des Versicherungsnehmers handelnden Vertreter des Versicherers sei – nach den Schilderungen des Verwalters – die gewerbliche Nutzung des Objektes erkennbar gewesen.

Er hätte daher ein entsprechendes Produkt, das auf die gewerbliche Nutzung sowie auf das Risiko eines Mietentgangs Rücksicht nimmt, anbieten müssen.

Versicherer muss Schaden ersetzen

Bei schuldhafter Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungs- und Informationspflicht müsse der Versicherer dem Versicherungsnehmer alle Schäden ersetzen, die durch die Pflichtverletzung entstanden sind, so die RSS.

Handle es sich dabei um eine unerwartete Deckungslücke, so liege der Schaden im Entgang des Versicherungsschutzes. Der Versicherer müsse den Versicherungsnehmer im Ergebnis so stellen, als wäre dieser von Anfang an nach seinen Deckungserwartungen versichert gewesen.

Die RSS empfahl dem Versicherer die Deckung allerdings nur dem Grund nach; für einen Schadenersatzanspruch wäre auch eine Mehrprämie für eine den Bedürfnissen der Versicherungsnehmer entsprechenden Versicherung zu berücksichtigen.

Weitere Informationen

Die Empfehlung der RSS kann als PDF-Dokument (164 KB) von der Website des Fachverbandes heruntergeladen werden.

 
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