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Gefahrenerhöhung durch Mieter: OGH zu Pflichten des Vermieters

18.11.2024 – Da für die Vermieter keinerlei Anlass für ein Misstrauen gegenüber ihren Mietern bestand, hatten sie auch keine Kontroll- oder Überprüfungspflicht. Sie waren von der nicht fachgerechten Installation des Batteriespeichers nicht informiert und es sei ihnen das Nichtwissen auch nicht anzulasten, so der Oberste Gerichtshof. Damit lag keine Gefahrenerhöhung im Sinne des VersVG vor, der Versicherer muss den Brandschaden decken.

Symbolfoto (Bild: Bikemen auf Pixelio)
Symbolfoto (Bild: Bikemen auf Pixelio)

Mietern eines Hauses wurde auf ihr Ersuchen von den Vermietern die Errichtung einer Fotovoltaikanlage genehmigt. Die Mieter errichteten allerdings nicht nur die Fotovoltaikanlage, sondern auch einen Batteriespeicher.

Dieser Speicher wurde nicht durch ein konzessioniertes Fachunternehmen errichtet und verfügte über kein durchgehendes technisches Konzept. Er bestand aus einer Serienparallelschaltung von rund 60 Autobatterien, die unsachgemäß zusammengefügt wurden.

Ausgehend von diesem Batteriespeicher ereignete sich im Februar 2023 im Gebäude ein Brand. Von ihrem Feuerversicherer fordern die Vermieter in einer Klage den Ersatz des Schadens in Höhe von 100.000 Euro.

Bedingungslage

Die Vermieter haben einen Versicherungsvertrag für das Haus abgeschlossen, der auch eine Versicherung gegen Feuer beinhaltet. Vereinbart sind die Allgemeinen Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) 2020.

Laut Artikel 2 dieser Bedingungen darf der Versicherungsnehmer ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrenerhöhung vornehmen oder eine solche Vornahme durch einen Dritten gestatten.

Erfährt der Versicherungsnehmer, dass eine von ihm vorgenommene oder genehmigte Änderung die Gefahr erhöht oder tritt unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers nach Vertragsabschluss eine Gefahrenerhöhung ein, so hat er dies dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen.

Im Falle einer Gefahrenerhöhung nach dem Vertragsabschluss sehen die Bedingungen ein Kündigungsrecht des Versicherers vor; darüber hinaus ist er bei Verletzung der genannten Pflichten durch den Versicherungsnehmer gemäß den Bestimmungen des VersVG leistungsfrei.

Berufungsgericht gab Klage statt

Das Berufungsgericht verneinte eine Leistungsfreiheit des Versicherers. Es argumentierte, es liege keine gewillkürte Gefahrenerhöhung durch die Vermieter im Sinne des § 23 Absatz 1 VersVG vor.

Kausal für den Ausbruch des Brandes sei der Batteriespeicher gewesen; die Vermieter hätten von dessen Existenz keine Kenntnis gehabt, auch sei ihnen das Nichtwissen darüber nicht anzulasten.

Es habe für die Vermieter keine Verdachtsmomente gegeben, aus denen sie hätten schließen müssen, dass ihre Mieter nicht nur die genehmigte Fotovoltaikanlage errichten würden.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts legte der Versicherer außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof ein.

OGH zum Begriff der Gefahrenerhöhung

Unter Gefahrenerhöhung sei eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände zu verstehen, die den Eintritt eines Versicherungsfalles oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht, so der OGH.

Leistungsfreiheit des Versicherers bestehe aber nur dann, wenn die Gefahrenerhöhung vom Versicherungsnehmer willkürlich herbeigeführt wurde; ihm müsse darüber hinaus klar sein, dass seine Verhaltensweise geeignet ist, die Gefahr des Eintritts eines Versicherungsfalls zu vergrößern.

Zumindest müsse dem Versicherungsnehmer aber ein verschuldetes Nichtwissen anzulasten sein, das so schwer wiegt, dass es einer positiven Kenntnis gleichkommt. Das Vorliegen einer Gefahrenerhöhung habe der Versicherer zu beweisen.

Vermieter haben keine Pflicht verletzt

Das Berufungsgericht habe sich entgegen der Ansicht des Versicherers in seiner Entscheidung auch mit der Frage beschäftigt, ob im vorliegenden Fall ein der positiven Kenntnis einer Gefahrenerhöhung gleichkommendes, schwerwiegendes Nichtwissen vorgelegen sei, und habe diese Frage verneint.

Grundsätzlich bedürfe eine Fotovoltaikanlage keines Batteriespeichers, könne aber durch einen solchen ergänzt werden. Wenn das Berufungsgericht den für den Brand kausalen Batteriespeicher als eigenständigen, gefahrenerhöhenden Umstand gewertet habe, so halte sich dies im Rahmen seines Ermessensspielraums.

Für die Vermieter habe es im vorliegenden Fall keine Verdachtsmomente gegeben, die gegenüber ihren Mietern ein Misstrauen erwecken hätten können, dass die Fotovoltaikanlage nicht im genehmigten Umfang errichtet wurde.

Es hätten daher für die Vermieter in diesem Fall auch keine Kontroll- oder Überprüfungspflichten bestanden. Die außerordentliche Revision des Versicherers wurde mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen, der Versicherer muss den Schaden decken.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob153/24m vom 23. Oktober 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

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Sachversicherung
 
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