Freiwilliger Helfer bei Arbeitsunfall verletzt: Wer haftet?

16.10.2024 – Weil der freiwillige Helfer weisungsgebunden war und unter Anleitung des Unternehmers arbeitete, war er in den Betrieb eingegliedert; der Unternehmer haftet deshalb nicht für die beim Arbeitsunfall erlittenen Schäden, so der OGH. Und der Haftpflichtversicherer ist leistungsfrei, weil der Traktor als ortsgebundene Kraftquelle verwendet wurde.

Symbolfoto (Bild: Hagenstaadt auf Pixabay)
Symbolfoto (Bild: Hagenstaadt auf Pixabay)

Bei Holzbringungsarbeiten in einem Wald wurde ein ohne Entlohnung im Rahmen der Nachbarschaftshilfe auf Ersuchen des Waldeigentümers tätiger Helfer schwer verletzt. Bei den Arbeiten wurde auch ein Traktor des mit den Forstarbeiten beauftragten Unternehmers eingesetzt.

Von diesem Unternehmen und dem Haftpflichtversicherer des Traktors fordert der Geschädigte in einer Klage 31.500 Euro. Sein Schadenersatzbegehren wurde von den Vorinstanzen abgewiesen.

Sie begründeten dies damit, dass der Geschädigte in den Betrieb des beklagten Unternehmens eingegliedert gewesen sei und demnach das Haftungsprivileg des § 333 Abs. 1 ASVG greife. § 333 Abs. 3 ASVG wiederum sei nicht anwendbar, weil der Traktor als ortsgebundene Kraftquelle verwendet wurde.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts legte der geschädigte Helfer außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof ein.

OGH zur Eingliederung in den Betrieb

In seiner rechtlichen Beurteilung betont der OGH, dass das Haftungsprivileg des § 333 ASVG auch bei Arbeitsunfällen gelte, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit des Verletzten ereignen, wie sie ansonsten ein gemäß § 4 ASVG Vollversicherter ausübt.

Wesentlich für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit sei, dass sie ernstlich, dem Unternehmen dienlich, wirtschaftlich als Arbeit zu werten und dem Willen des Unternehmens entsprechend sei und dass durch sie ein enger ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen hergestellt wird.

Auf die Beweggründe für das Tätigwerden komme es dagegen nicht an, so die Höchstrichter. Eine Eingliederung in einen fremden Betrieb könne auch freiwillig und aus bloßer Gefälligkeit erfolgen. Ausreichend sei auch eine kurzfristige und vorübergehende Eingliederung in den Betrieb.

Die Tätigkeit müsse allerdings einer abhängigen Beschäftigung entsprechen; sie dürfe nicht zum eigenen betrieblichen Aufgabenbereich des Verletzten gehören.

Geschädigter war weisungsgebunden

Im vorliegenden Fall sei der Geschädigte dem beklagten Unternehmer weisungsgebunden gewesen; dieser habe jeweils die notwendigen Arbeitsschritte vorgegeben. Der Kläger habe Arbeiten verrichtet, die ansonsten ein Angestellter des Unternehmens hätte verrichten müssen.

Auch wenn der Geschädigte ohne Entlohnung tätig gewesen sei, stehe dies einer Eingliederung in den Betrieb des beklagten Unternehmens nicht entgegen, so der Oberste Gerichtshof. Die diesbezügliche Rechtsansicht der Vorinstanzen sei nicht korrekturbedürftig.

Auch Haftpflichtversicherer ist leistungsfrei

§ 333 Abs. 3 ASVG bestimme, dass das Dienstgeberhaftungsprivileg, wonach ein Dienstgeber nur bei Vorsatz zum Ersatz des bei einem Arbeitsunfall erlittenen Schadens verpflichtet ist, nicht gelte, wenn der Unfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für das eine erhöhte Haftpflicht besteht.

Voraussetzung dafür sei aber, dass der zu ersetzende Schaden von einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung gedeckt ist. Im vorliegenden Fall habe sich aber ein Sachverhalt verwirklicht, für den der Versicherer seine Haftung in zulässiger Weise ausgeschlossen hat.

Bei Verwendung eines Fahrzeugs als ortsgebundene Kraftquelle werde nämlich der Versicherungsschutz ausgeschlossen. Maßgebend sei dabei, dass die Motorkraft des Fahrzeugs für einen Arbeitsvorgang verwendet wird, der mit den für das Kraftfahrzeug typischen Funktionen nicht zusammenhängt.

Hier sei die Motorkraft des Traktors für den Betrieb eines Mastseilgerätes verwendet worden; der Traktor sei dabei nicht fahrbar gewesen, der Einsatz stand nicht im Zusammenhang mit den typischen Funktionen eines Kraftfahrzeugs. Die außerordentliche Revision wurde vom OGH zurückgewiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 2Ob120/24x vom 10. September 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

 
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