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Fondsgebundene: Verlustrisiko gröblich benachteiligend?

6.11.2024 – Der OGH entschied: Dass bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung der Auszahlungsbetrag nicht garantiert wird und dass für individuelles Portfoliomanagement Kosten anfallen, sei für einen verständigen Versicherungsnehmer nachvollziehbar. Die Rentenwahlklausel war zwar gröblich benachteiligend, dies führe aber nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrags. Die Forderungen des Versicherungsnehmers wurden abgewiesen.

Bild: Tingey Injury Law Firm
Bild: Tingey Injury Law Firm

Im Jahr 2008 hat M.S. eine fondsgebundene Lebensversicherung mit einem Anlagehorizont von 25 Jahren abgeschlossen, die als Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht ausgestaltet war. Die Versicherung sollte ursprünglich als Tilgungsträger für einen Kredit dienen.

Da es dem Versicherungsnehmer möglich war, den Kredit frühzeitig aus anderen Mitteln zurückzuzahlen, trat die Bank den Versicherungsvertrag am 31.8.2018 wieder an M.S. ab. Dieser kündigte den Vertrag kurze Zeit später, der Versicherer zahlte den Rückkaufswert von rund 118.000 Euro aus.

In einer Klage fordert M.S. vom Versicherer knapp 18.000 Euro als Differenz zwischen den von ihm geleisteten Versicherungsprämien und dem ausgezahlten Rückkaufswert samt Zinsen ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Vertrags.

Dabei beanstandet er drei Klauseln zum Rentenwahlecht, zum Portfoliomanagement sowie den dafür berechneten Kosten in den Versicherungsbedingungen als intransparent und missbräuchlich. Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab, worauf M.S. Revision beim Obersten Gerichtshof einlegte.

Bedingungslage

Dem Versicherungsvertrag lagen die Versicherungsbedingungen der S. AG, Lebensversicherung-Aktiengesellschaft – Life Time sowie die Besonderen Bedingungen für die fondsgebundene Lebensversicherung mit individuellem Asset Liability Modeling Life Time Navigator zugrunde.

Die Veranlagung in Investmentfonds, die Festlegung der Kosten und Gebühren sowie das Rentenwahlrecht waren in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt. Die Besonderen Bedingungen enthielten Bestimmungen zum Portfoliomanagement und zum „S. Navigator“.

Die umstrittenen Teile der Klauseln finden sich in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 7Ob105/24b in vollem Wortlaut.

Grundsätzliches zur Auslegung von Klauseln

In seiner rechtlichen Beurteilung geht der OGH einleitend auf grundsätzliche Fragen bei der Auslegung von Klauseln ein. Nach § 864a ABGB sei eine Klausel „objektiv ungewöhnlich“, wenn ihr ein Überrumpelungseffekt innewohnt, mit dem der Vertragspartner vernünftigerweise nicht rechnen musste.

Gröblich benachteiligend nach § 879 Absatz 3 ABGB und damit nichtig sei eine Vertragsbestimmung bereits dann, wenn es für sie keine sachliche Rechtfertigung gibt und die Rechtsposition eines Vertragspartners in einem auffallenden Missverhältnis zu der des anderen steht.

Unwirksam sei eine Klausel auch gemäß § 6 Absatz 3 KSchG, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Dieses Transparenzgebot solle es dem Kunden ermöglichen, sich aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten zu informieren.

Die verwendeten Begriffe müssten dem typischen Verbraucher geläufig sein oder von ihm festgestellt werden können. Die Verwendung von Fachbegriffen sei aber möglich, dem Verbraucher sei eine gewisse Mindestkundigkeit zu unterstellen.

Versicherungsnehmer trägt Risiko der Wertentwicklung

In der Revision geht der Versicherungsnehmer davon aus, dass die Klausel zum „Asset Liability Modeling“ intransparent und missbräuchlich sei, weil das Portfoliomanagement für den durchschnittlichen Verbraucher in keiner Weise nachvollziehbar sei.

Es sei nicht erkennbar, auf Basis welcher Parameter das Portfolio des Versicherungsnehmers verwaltet werde. Darüber hinaus werde das Veranlagungsrisiko zur Gänze auf den Versicherungsnehmer überwälzt.

Dem hält der OGH entgegen, dass sich die Leistung des Versicherers in der fondsgebundenen Lebensversicherung überwiegend nach der Entwicklung eines Investmentfonds bzw. eines aus Wertpapieren bestehenden Anlagestocks richtet.

Der Versicherungsnehmer trage das Risiko des Wertverlusts, habe aber auch die Chance auf eine positive Wertentwicklung des Anlagestocks. Die Höhe der Leistung sei nicht garantiert, sondern kurs- und kapitalmarktabhängig.

Kompliziertes Anlageprodukt ausreichend erklärt

Es handle sich „zweifellos“ um ein kompliziertes Anlageprodukt, so der OGH. Ein durchschnittlich verständiger, am Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit individuellem Asset Liability Modeling interessierter Verbraucher werde aber ausreichend informiert.

Wer die Klausel in Zusammenschau mit der Modellrechnung aufmerksam durchliest, werde über das Wesen des Portfoliomanagements und die wesentlichen Grundsätze, auf denen die Veranlagungsentscheidungen basieren, richtig und ausreichend unterrichtet.

Vom Versicherer gewählte Vereinfachungen seien der Verständlichkeit zuträglich, betont der OGH. Dies sei ebenso wenig zu beanstanden wie die Verwendung von Begriffen, die dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer weniger geläufig sind, weil dies in der Natur der Sache liege.

Nicht gröblich benachteiligend oder intransparent

Die Klausel sei auch nicht gröblich benachteiligend oder missbräuchlich. Das Portfoliomanagement erfolge nicht willkürlich, sondern richte sich nach ausdrücklich genannten, anerkannten Kriterien der Portfoliooptimierung und des vom Verbraucher gewählten Risikomodells.

Dass dem Versicherungsnehmer kein Erfolg garantiert wird, sei ebenfalls nicht gröblich benachteiligend. Jedes Kapitalanlagegeschäft sei der Volatilität der Kapitalmärkte unterworfen, weshalb eine bestimmte Rendite seriöserweise nicht garantiert werden kann.

Der Behauptung, dass die Klausel intransparent sei, weil für nicht näher spezifizierte Leistungen ein monatliches Entgelt von 0,2 Prozent des Fondwerts verrechnet werden darf, widersprechen die Höchstrichter ebenfalls.

Es sei nicht zu beanstanden, dass für diese Variante eines individuellen Portfoliomanagements ein zusätzliches Entgelt zustehen soll; aus dem Wortlaut der Klausel sei eindeutig zu entnehmen, dass dieses an jedem Monatsersten berechnet wird und 0,2 Prozent des aktuellen Fondswerts ausmacht.

Auch Kosten sind transparent dargestellt

Einem durchschnittlichen Verbraucher werde verständlich erklärt, dass die Prämie nach Abzug der gesetzlichen Versicherungssteuer, der Risikoprämie und der Kosten gemäß dem ausgewählten Investmentkonzept dem entsprechenden Investmentfonds zugeführt wird.

Im unmittelbar daran anschließenden Kapitel über „Kosten und Gebühren“ werde ausdrücklich angeführt, dass für die Variante des individuellen Asset Liability Modelings zusätzliche Kosten anfallen; dies sei für einen durchschnittlichen Verbraucher nachvollziehbar, so der OGH.

Ebenso würden die Bedingungen die Kosten im Einzelnen näher regeln. So sei die Berechnungsweise der Kosten zur Deckung des Ablebensrisikos festgelegt, ebenso wie die Abschlusskosten und die jährlichen Verwaltungskosten. Damit seien die anfallenden Kosten ausreichend transparent dargestellt.

Auch sei es dem Versicherungsnehmer möglich, nachzuvollziehen, welcher Teil der Prämie veranlagt wird. Es liege daher kein Verstoß gegen § 6 KSchG, § 879 Absatz 3 ABGB oder § 864a ABGB vor.

Rentenwahlklausel unwirksam

Im vorliegenden Fall enthalte die Rentenwahlklausel keine ausreichenden Vorgaben für die Festlegung der Rechnungsgrundlagen. Die Klausel sei daher inhaltlich unangemessen und verstoße gegen § 879 Absatz 3 ABGB, so der OGH.

Nicht das dem Versicherungsnehmer eingeräumte Wahlrecht an sich, sondern die Unbestimmtheit der Gegenleistung nach Ausübung des Wahlrechts sei das verpönte Element der Klausel. Der Versicherungsnehmer könne daher weiterhin sein Rentenwahlrecht ausüben.

Die konkrete Ausgestaltung der Rente erfordere damit eine entsprechende beiderseitige Einigung auf die später zum Tragen kommenden Konditionen; der Versicherer dürfe dem Versicherungsnehmer ein konkretisiertes Angebot zur Ausübung des Rentenwahlrechts legen.

Keine Gesamtnichtigkeit des Vertrags

Bei einem solchen Angebot sei der Versicherer allerdings an die regulatorischen Vorgaben des Aufsichtsrechts gebunden. Zur Berechnung der Rente müsse er einen zuvor der Finanzmarktaufsicht gemeldeten und von dieser freigegebenen Tarif heranziehen.

Der Versicherungsnehmer hätte daher ohne die von ihm einseitig gewählte Beendigung des Versicherungsvertrags durch Kündigung sein Rentenwahlrecht weiterhin ausüben können, betont der OGH.

Das Versicherungsprodukt sei nach dem Inhalt der Versicherungspolizze weiterhin eine „Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht“, der Entfall der Rentenwahlklausel führe nicht zur Gesamtnichtigkeit des Lebensversicherungsvertrags. Innsgesamt wurde der Revision des Versicherungsnehmers vom OGH nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 7Ob105/24b vom 28. August 2024 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

 
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