Dauerrabatt, Kündigung: Gerichte kippen Allianz-Klauseln

9.7.2024 – Der VKI ging im Auftrag der AKOÖ gegen zwei Klauseln in einem auf zehn Jahre befristeten Vertrag vor: Die eine regelte die Dauerrabatt-Rückforderung, mit der anderen räumte sich der Versicherer ein Kündigungsrecht nach drei Jahren ein. Die Gerichte beurteilten beide Klauseln als unzulässig.

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Justitia (Bild: Tingey Injury Law Firm)
Bild: Tingey Injury Law Firm

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) ist im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich (AKOÖ) gegen eine Dauerrabattregelung in Bedingungen der Allianz-Gruppe Österreich vorgegangen. Zur Beurteilung standen zwei Klauseln an.

Nach Angaben des VKI vom Montag liegt nun ein rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Wien vor.

Es folgte der Berufung des Versicherers gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien nicht und beurteilte beide Klauseln als unzulässig.

Dauerrabatt-Klausel: streng degressiv oder nicht?

An der ersten Klausel kritisierte der VKI: Versicherungsnehmer, die Verträge vor einer bestimmten Laufzeit auflösen, würden schlechter gestellt als solche, die die gesamte Vertragslaufzeit Vertragspartner bleiben. Die Nachzahlung eines berücksichtigten Dauerrabatts sei nur dann zulässig, wenn die rückforderbaren Rabatte streng degressiv gestaltet seien.

Wenn Klauseln eine Nachzahlung von mehr als dem tatsächlichen Vorteil der Versicherungsnehmer vorsehen, verstoße dies gegen § 879 Abs. 3 ABGB („gröblich benachteiligend“). Der VKI stützte seinen Standpunkt auf § 6 Abs. 3 KSchG und § 8 Abs. 3 letzter Satz (Rückzahlung von Prämiennachlässen).

Der Versicherer vertrat die Ansicht, die Dauerrabattrückforderung sei ab dem vollendeten vierten Jahr streng degressiv ausgestaltet. Aufgrund des in § 8 Abs 3 VersVG eingeräumten Kündigungsrechts sei die durchgehende Dauerrabattrückforderung in Höhe von 60 Prozent für die ersten vier Jahre sachlich gerechtfertigt.

Die Klausel gelte nur für Verträge, die auf eine bestimmte Vertragslaufzeit von zehn Jahren geschlossen worden sind. Bei solchen Verträgen seien die Versicherungsnehmer für drei Jahren an den Vertrag gebunden, bevor das Kündigungsrecht nach § 8 Abs. 3 VersVG überhaupt zustehe. Maßgeblich könne nur sein, ob die Rückforderung ab dem vierten Jahr streng degressiv ausgestaltet ist.

Klausel 1

Hinweis auf Prämiennachlass auf Grund langjähriger Vertragsdauer (Dauerrabatt)

Besondere Bedingung Nr. 8545

Prämiennachlass auf Grund langjähriger Vertragsdauer (Dauerrabatt) Sach-, Haftpflicht-, Unfall- und Rechtsschutzsparten (Ausgenommen sind Technische-Versicherung, Industrie-Versicherung, Transport-Versicherung).

  • Bei der Berechnung der Jahresprämie wurden die auf Grund der vereinbarten zehnjährigen Vertragsdauer entstehenden kalkulatorischen Vorteile berücksichtigt (Dauerrabatt). Die Jahresprämie ist somit die ermäßigte Prämie nach Abzug des Dauerrabattes. Im Fall vorzeitiger Vertragsauflösung verpflichtet sich der Versicherungsnehmer zur Nachzahlung des berücksichtigten Dauerrabattes. Die Höhe der Nachzahlung ist von der tatsächlichen Vertragsdauer abhängig und beträgt bei einer Beendigung des Vertrages
  • vor dem vollendeten vierten Jahr 60%,
  • nach vier vollen Jahren 55%,
  • nach fünf vollen Jahren 50%,
  • nach sechs vollen Jahren 40%,
  • nach sieben vollen Jahren 30%,
  • nach acht vollen Jahren 20%,
  • nach neun vollen Jahren 10%

der aktuellen, ermäßigten Jahresprämie (= ermäßigte Jahresprämie zuzüglich der jährlichen Wertanpassungen).

Eine Nachzahlung kann nicht gefordert werden, wenn der Versicherer den Vertrag kündigt oder die Kündigung durch den Versicherungsnehmer dadurch begründet ist, dass der Versicherer die Erbringung der fälligen Versicherungsleistung verweigert hat.

„Gröblich benachteiligend“

Das OLG Wien urteilte, dass sich die rückforderbaren Beträge nicht streng degressiv entwickeln: Der Prozentsatz betrage für die ersten drei Jahre unverändert 60 Prozent. Die Folge sei, „dass der Versicherungsnehmer bei einer Vertragsauflösung nach einem oder zwei vollen Versicherungsjahren mehr zurückzahlen muss, als er an Rabatt erhalten hat“.

Dies entspreche „exakt“ einem Fall, den der Oberste Gerichtshof (OGH) bereits in 7Ob156/20x zu beurteilen hatte (VersicherungsJournal 19.1.2021).

Die vorliegende Klausel schließe eine Dauerrabattrückforderung für nur einen Fall der Kündigung durch den Versicherungsnehmer aus: wenn der Versicherer sich weigert, die fällige Leistung zu erbringen.

Alle anderen denkmöglichen wichtigen Gründe – etwa die unrechtmäßige Verzögerung einer Entschädigung – schließe sie bei „kundenfeindlichster Auslegung“ hingegen nicht aus. Außerdem seien auch andere Kündigungsfälle denkbar.

Da diese Fälle nicht von der Nachverrechnung ausgeschlossen seien, sei die Klausel gröblich benachteiligend im Sinne von § 879 Abs. 3 ABGB.

Beiderseitiges Kündigungsrecht nach drei Jahren?

Die zweite strittige Klausel sah für beide Vertragspartner nach drei Jahren ein jährliches Kündigungsrecht vor.

Der VKI hielt dies für unzulässig: Das Kündigungsrecht nach dreijähriger Vertragsdauer werde gesetzlich nur dem Versicherungsnehmer eingeräumt, nicht aber dem Versicherer. Der Versicherer könne ein solches Kündigungsrecht nicht zu seinen Gunsten zu vereinbaren.

Der Versicherer war der Ansicht, das paritätische Kündigungsrecht widerspreche dem Schutzzweck von § 8 Abs. 3 VersVG nicht.

Das Kündigungsrecht ermögliche eine längerfristige Vertragsbindung als Verwaltungserleichterung. Andernfalls könne die österreichische Versicherungswirtschaft dasselbe wirtschaftliche Ergebnis nur dadurch erreichen, dass sie nur noch kurzfristige Verträge abschließe und diese regelmäßig verlängere.

Klausel 2

Besondere Bedingung Nr. 6954

Jährliches Kündigungsrecht nach drei Jahren für beide Vertragspartner

In Ergänzung der diesem Versicherungsvertrag (je versicherter Sparte handelt es sich um einen rechtlich selbstständigen Versicherungsvertrag) zugrundeliegenden Allgemeinen und Besonderen Bedingungen haben beide Vertragspartner das Recht, gegenständlichen Versicherungsvertrag, unabhängig von der in der Versicherungsurkunde festgesetzten Dauer zum Ende des dritten Jahres nach Vertragsbeginn oder danach jeweils zum Ende der laufenden Versicherungsperiode unter Einhaltung der Kündigungsfrist schriftlich zu kündigen.

Für den Versicherungsnehmer gilt eine Kündigungsfrist von einem Monat, für den Versicherer gilt eine Kündigungsfrist von drei Monaten, vereinbart.

Das Recht zur Kündigung aus sonstigen rechtlichen Gründen bleibt davon unbeschadet.

Hat der Versicherer mit Rücksicht auf die vereinbarte Vertragszeit eine Ermäßigung der Prämie oder sonstige Vorteile gewährt, so kann er bei vorzeitiger Auflösung des Vertrages die Nachzahlung des Betrages fordern, um den die Prämie höher bemessen worden wäre, wenn der Vertrag nur für den Zeitraum geschlossen worden wäre, während dessen er tatsächlich bestanden hat, dies gilt nicht bei Kündigung durch den Versicherer gemäß dieser Besonderen Bedingung.

Kein paritätisches Kündigungsrecht

Das OLG fasste sich in diesem Punkt kurz und verwies abermals auf das OGH-Urteil 7Ob156/20x.

Dort hatte es geheißen, dass befristete Vertragsverhältnisse grundsätzlich mit Zeitablauf enden, und § 8 Abs. 3 VersVG ausnahmsweise ein vorzeitiges – ordentliches – Kündigungsrecht zu Gunsten des Versicherungsnehmers bei einem befristeten Versicherungsvertrag vorsieht.

Und: Die gesetzliche Regelung beinhalte nicht nur kein ordentliches Kündigungsrecht des Versicherers im Zusammenhang mit befristeten Versicherungsverträgen, vielmehr bestehe nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers für den Versicherer auch gar nicht die Möglichkeit ein solches Kündigungsrecht zu seinen Gunsten zu vereinbaren.

Der OGH hatte die dort gegenständliche Klausel für rechtswidrig und im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB nichtig erklärt. „Die Frage ist damit vom Obersten Gerichtshof bereits entschieden“, schloss das OLG.

Die Entscheidung im Volltext

Die OLG-Entscheidung 2R20/24m vom 13. Mai 2024 kann von der VKI-Website verbraucherrecht.at heruntergeladen werden.

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Dauerrabatt · Rechtsschutz
 
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