Betriebsrat stürzt bei gemeinsamem Skiausflug: Arbeitsunfall?

9.7.2025 – Der Kläger habe zwar die Absicht gehabt, sich auf den Weg zu einem von ihm organisierten Mittagessen zu machen, verletzte sich aber zuvor beim Befahren einer schwarzen Piste. Der OGH entschied: Es habe keinen ausreichenden Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gegeben, die Forderung nach Gewährung einer Versehrtenrente wurde abgewiesen.

Bild. Tingey Injury Law Firm
Bild. Tingey Injury Law Firm

Der freigestellte Betriebsratsvorsitzende eines Landeskrankenhauses organisiert jedes Jahr einen mehrtägigen Skiausflug für Mitarbeiter. Ziel ist dabei die Förderung der betrieblichen Kommunikation und des Betriebsklimas.

An diesen Ausflügen nehmen durchschnittlich rund 30 Personen, unter ihnen auch Angehörige und ehemalige Mitarbeiter, teil. Im Krankenhaus sind 1.750 Menschen beschäftigt. Rund 80 Prozent der Kosten haben die Teilnehmer selbst zu tragen, der Betriebsrat gewährt einen Zuschuss von 30 Euro pro Tag.

Um den Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten, dürfen aus den verschiedenen Abteilungen des Krankenhauses nur einzelne Mitarbeiter mit Zustimmung des Abteilungsleiters teilnehmen. Mitglieder der Geschäftsleitung nehmen nicht an diesen Ausflügen teil.

Teilnehmer können die Tage grundsätzlich selbst gestalten. Organisiert werden gemeinsame Mittag- und Abendessen, ein Fernbleiben von diesen hat keine Konsequenzen. Für die Mittagessen wird ein Treffpunkt bei einer Skihütte vereinbart und ein Getränk aus der Gemeinschaftskasse spendiert.

Unfall auf der schwarzen Piste

Im Jänner 2024 organisierte der Betriebsratsvorsitzende einen solchen Skiausflug inklusive Hotelunterkunft sowie An- und Abreise für 28 Teilnehmer. Er war als Ansprechperson vor Ort jederzeit telefonisch erreichbar, informierte über den Ablauf und kümmerte sich um Probleme.

Am 18.1.2024 war um 13 Uhr ein gemeinsames Mittagessen auf einer Skihütte vorgesehen. Zuvor befuhr er eine schwarze Piste und wollte anschließend den Ort durchqueren, um auf der anderen Seite den Berg zu der Hütte hinaufzufahren.

Im auslaufenden Bereich der Piste stürzte er. Er zog sich einen Schienbeinkopftrümmerbruch links mit postoperativer tiefer Venenthrombose am linken Unterschenkel und eine beginnende posttraumatische Kniegelenksabnützung links zu.

Von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt fordert er die Anerkennung als Arbeitsunfall und die Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß ab dem Stichtag. Nachdem dies bescheidmäßig abgelehnt wurde, reichte er Klage ein.

Vorinstanzen weisen Klage ab

Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Zwar sei der freiwillige Skiausflug nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zu werten, für bestimmte Teile der Veranstaltung genieße der Kläger aber als Betriebsratsvorsitzender, Organisator und Reiseleiter Versicherungsschutz.

Voraussetzung dafür sei die Wahrnehmung von mit der Funktion als Betriebsrat in Zusammenhang stehenden Aufgaben, so die Vorinstanzen. Keinesfalls bestehe Unfallversicherungsschutz durchgehend vom Beginn bis zum Ende der Veranstaltung.

Der Unfall habe sich unzweifelhaft anlässlich der freien Tagesgestaltung beim Skifahren ereignet. Um zu dem von ihm organisierten gemeinsamen Mittagessen zu gelangen, hätte er den Ort durchqueren und auf der anderen Seite den Berg hinauffahren müssen.

Damit fehle es am erforderlichen Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Betriebsrat. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts legte der Kläger außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof ein.

Zusammenhang mit Tätigkeit als Betriebsrat?

Der Kläger kritisiert in der Revision, dass das Berufungsgericht zwar davon ausgegangen war, dass das von ihm organisierte Mittagessen grundsätzlich vom Unfallversicherungsschutz umfasst gewesen sei, aber die Rechtsprechung zu Wegunfällen außer Acht gelassen habe.

Es stehe fest, dass sich der Unfall auf dem Weg zu diesem gemeinsamen Mittagessen und damit zu einer geschützten Tätigkeit im Sinne des § 176 ASVG ereignet habe, dennoch habe das Berufungsgericht den Versicherungsschutz verneint.

Dem hält der OGH entgegen, dass der Kläger bei der von ihm organisierten Freizeitveranstaltung zwar grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz stand, dies aber nur für Tätigkeiten, die mit seiner Organisations- und Leitungstätigkeit in erforderlichem Zusammenhang standen.

Auch wenn er auf seinen Wegen zu oder von der jeweils geschützten Organisations- oder Leitungstätigkeit im Zuge des Skiausflugs unter Unfallversicherungsschutz gestanden ist, sei der Unfall im vorliegenden Fall nicht als Arbeitsunfall zu werten.

Nur typische Weggefahren sind versichert

Bei Wegunfällen im Sinn des § 175 Absatz 2 Ziffer 1 ASVG handle es sich um eine rechtlich nicht zwingend gebotene, aus sozialpolitischen Überlegungen vorgenommene Erweiterung des Versicherungsschutzes, obwohl der Bereich dem Einfluss des Dienstgebers weitgehend entzogen ist.

Versichert seien deshalb nur die typischen, allgemeinen Weggefahren, nicht aber alle in irgendeinem Zusammenhang mit dem Weg stehenden Ereignisse und Gefahren. Es gelte daher, den von der Unfallversicherung geschützten Lebensbereich von der Privatsphäre des Versicherten abzugrenzen.

Dabei sei nicht nur das Verhalten des Versicherten zu berücksichtigen. Einbezogen werden müssen „alle Gesichtspunkte und Überlegungen“. Entscheidend sei, ob die Gesamtumstände dafür oder dagegen sprechen, das unfallbringende Verhalten dem geschützten oder dem privaten Bereich zuzurechnen.

Skifahren war dem privaten Bereich zuzurechnen

Erfolge die Verwendung von Fortbewegungsmitteln, die nicht vorrangig einem Verkehrsbedürfnis dienen, sondern primär einen Spiel- und Freizeitzweck verfolgen, aus persönlichen Gründen und nicht aufgrund betrieblicher Erfordernisse, sei dies im Allgemeinen dem privaten Lebensbereich zuzuordnen.

Die Vorinstanzen hatten festgestellt, dass im vorliegenden Fall das Pistenskifahren, bei dem sich der Unfall ereignete, im Wesentlichen privaten Interessen des Klägers gedient habe.

Seine Absicht, sich anschließend auf den Weg zu der auf einem anderen Berg gelegenen Skihütte zu machen, habe keinen ausreichenden Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit begründet. Diese Beurteilung bedürfe keiner Korrektur, so der OGH.

Die außerordentliche Revision wurden mangels erheblicher Rechtsfrage zurückgewiesen.

Die Entscheidung im Volltext

Die OGH-Entscheidung 10ObS34/25k vom 3. Juni 2025 ist im Rechtsinformationssystem des Bundes im vollen Wortlaut abrufbar.

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Mitarbeiter · Versehrtenrente
 
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