Eigenkapital: die stabilsten österreichischen Versicherer

27.6.2024 – Die vorhandenen Eigenmittel der heimischen Versicherer übertreffen das benötigte Risikokapital nach wie vor bei weitem. Alle vom Beratungsunternehmen EY untersuchten Unternehmen sind in der Lage, Szenarien zu bewältigen, die nur alle 200 Jahre vorkommen.

Das Beratungsunternehmen EY Österreich hat in einer Studie die Eigenmittelausstattung sämtlicher, der österreichischen Aufsicht unterliegenden Versicherer untersucht. Die Zahlen seien direkt aus den veröffentlichten, durch einen Abschlussprüfer geprüften Berichten entnommen worden.

Dabei zeige sich, dass alle heimischen Versicherer nach wie vor die Solvency-II-Eigenmittelanforderungen übertreffen und damit ausreichend Eigenmittel besitzen, um unvorhergesehene Ereignisse abzudecken, so EY.

Die durchschnittliche Eigenmittelquote reduzierte sich im Geschäftsjahr 2023 gegenüber dem Jahr davor minimal von 270,6 auf 270,1 Prozent, übertreffe aber trotz wirtschaftlich herausfordernder Rahmenbedingungen die geforderte Mindestdeckung von 100 Prozent weit. Der Median lag bei 263,6 Prozent.

Auch im europäischen Vergleich schneiden heimische Versicherer überdurchschnittlich ab. Lebensversicherer weisen hierzulande einen Median von 264,2 Prozent auf (Europa: 238,8 Prozent), heimische Nicht-Lebensversicherer 251,2 Prozent (Europa: 217,0 Prozent).

Österreichische Versicherer „Musterschüler”

Maßgebliche Kennzahl für die Solvenz der Versicherer ist die Solvabilitätsquote (SCR-Quote), betont EY. Diese ergebe sich aus dem Verhältnis der vorhandenen Eigenmittel zum benötigten Risikokapital. Eine Quote von 100 Prozent bedeute, dass ebenso viele Eigenmittel wie Risikokapital vorhanden sind.

Mit dem Mittelwert von 270,1 Prozent würden die österreichischen Versicherer die vorgeschriebene Quote signifikant übertreffen und seien damit „Vorzeigemodelle“ bei der Eigenmittelausstattung.

Das bedeute, dass alle inländischen Versicherer über genügend Kapitalausstattung verfügen, um negative Szenarien zu bewältigen, die statistisch einmal alle 200 Jahre auftreten, erklärt Christopher Grocholski, Aktuar und Senior Manager im Bereich Financial Services bei EY Österreich.

Die besten SCR-Quoten weisen wie in den Jahren davor Kompositversicherer mit einem Mittelwert von 283,1 Prozent auf, gefolgt von Lebensversicherungsunternehmen (263,5 Prozent) und Nicht-Lebensversicherungsunternehmen (255,1 Prozent).

Hohe Solvabilität, starke Unterschiede

Das Ranking der heimischen Versicherer (Grafik: EY)
Das Ranking der heimischen Versicherer (Grafik: EY). Zum Vergrößern anklicken

Im Detail reiche die Quote von 140 bis 398 Prozent. Die höchsten Quoten weisen Vienna Insurance Group AG mit 398 Prozent vor der Generali Versicherung AG (372 Prozent) und der Wiener Städtischen Versicherung AG (369 Prozent auf).

Allerdings gebe es trotz der positiven Gesamtbilanz erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Versicherungsunternehmen, sagt Karin Unterberger, Aktuarin und Senior Managerin im Bereich Financial Services bei EY Österreich.

Die Differenz zwischen dem Anbieter mit dem höchsten und dem mit dem niedrigsten Kapitalpuffer betrage 258 Prozentpunkte: Mit einer SCR-Quote von 140 Prozent liegt die Europäische Reiseversicherung AG auf dem letzten Platz unter den 32 analysierten Anbietern.

Hatten 2022 noch 78 Prozent der Unternehmen ihre SCR-Quote verbessern können, so waren es 2023 nur 47 Prozent - damit hätten 15 Versicherer die Quote verbessert, 17 aber eine Verschlechterung verzeichnet, heißt es in der Studie.

Was sich auf die Solvenz ausgewirkt hat

Die Versicherer hätten 2023 die Prämien gegenüber 2022 um 5,4 Prozent und damit nominell stark steigern können, das Prämienwachstum liege damit aber unter der durchschnittlichen Entwicklung des Verbraucherpreisindex, betont EY.

In den „Non-Life-Sparten“ sei ein Wachstum von 9,0 Prozent erzielt worden, was insbesondere auf hohe Indexanpassungen der Zweige „Motor“ und „Feuer und andere Sachversicherungen“ zurückzuführen sei, die Combined Ratios hätten sich insgesamt leicht verbessert.

Bei Lebensversicherungen konnten nur zwei Unternehmen Wachstum verzeichnen. Die Prämien sanken um 4,8 Prozent, womit Österreich unter dem europäischen Median von 1,2 Prozent Wachstum liege. In der Krankenversicherung haben starke Prämienanpassungen zum Wachstum von 8,9 Prozent geführt.

Weniger stark als im Jahr davor habe sich der Zinseffekt ausgewirkt, so EY. Nachdem 2022 der Effekt der gestiegenen Zinskurve zu Rückgängen bei Assets und Verbindlichkeiten geführt hat, seien diese 2023 wieder gestiegen, liegen gegenüber 2021 aber immer noch auf einem verhältnismäßig tiefen Niveau.

Welche Risiken es für die Solvenz aktuell gibt

Wichtigste Risikokategorie sei nach wie vor das Marktrisiko, erläutert EY. Zu diesem würden beispielsweise Kursverluste durch Aktiengeschäfte, Wertminderungen von Immobilienportfolios oder Währungsrisiken zählen.

Dies stelle für Versicherer deshalb das größte Risiko dar, weil sie durch die eingenommenen Prämien über ein hohes Vermögen verfügen, das rentabel investiert und veranlagt werden muss. Ihre starke Aktivität am Finanzmarkt gehe „natürlich mit gewissen Risiken“ einher.

Zweitgrößtes Risiko stelle das versicherungstechnische Risiko „Nicht-Leben“ dar; dazu zählen ungenügende Reserven zur Deckung von Schadenfällen oder Massenstornierungen. Einen deutlich geringeren Anteil bilden laut EY die versicherungstechnischen Risiken Leben sowie Kranken.

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