28.10.2024 – Ob Innovation für Versicherungen mehr Freund oder Feind ist, welches Potenzial Künstliche Intelligenz für die Branche hat oder wie Digitalisierung in der Schadenbearbeitung und in der Mitarbeitergewinnung genützt werden kann, waren einige der Themen von Vorträgen bei der „Langen Nacht der Versicherungen“.
Zum zweiten Mal veranstaltete der Finanz-Marketing Verband Österreich (FMVÖ) am Donnerstag der Vorwoche die „Lange Nacht der Versicherungen“. Als Motto hatte man sich diesmal „Impulse und Zukunftstrends aus und für die Versicherungsbranche“ gesetzt.
Elf hochrangige Experten beleuchteten dabei in 15-minütigen Kurzvorträgen für die Versicherungsbranche aktuelle Themen. Wie bei dieser Themenstellung nicht anders zu erwarten, konnte dabei kaum ein Vortrag ohne Bezugnahme auf Künstliche Intelligenz und Digitalisierung auskommen.
Das VersicherungsJournal war dabei und fasst die – aus durchaus subjektiver Sicht der Autoren – interessantesten Beiträge zusammen.
Erika Krizsan, Managing Director von Insurance Factory Consulting & Training, stellte in ihrem Vortrag die Frage, ob Innovation für Versicherungen einen „Freund“ oder einen „Feind“ darstellt. Denn neben vielen Vorteilen habe die exponentielle digitale Entwicklung auch Schattenseiten.
Zu den unbestreitbaren Vorteilen würden für Versicherer Effizienzsteigerung, personalisierte Angebote, ein verbesserter Kundenservice genauso zählen wie Betrugsprävention, bessere Schadenregulierung oder die Förderung von Prävention.
Anhand von Praxisbeispielen zeigte Krizsan, wie beispielsweise Bildverarbeitung bei der Schadensanalyse helfen kann, wie maschinelles Lernen Betrugsversuche erkennen kann oder wie KI für personalisierte Tarifierung eingesetzt werden kann.
Zu den Gründen, warum man Digitalisierung auch als „Feind“ betrachten könne, zähle die Abhängigkeit von Technologien, so Krizsan. Unter anderem deshalb, weil durch die zunehmende Komplexität externe Unterstützung notwendig werde.
Aber auch der Verlust des persönlichen Kontakts könne sich negativ auswirken. Auch wenn der persönliche Vertrieb in Österreich im internationalen Vergleich noch hohe Volumina aufweise, sieht Krizsan die Gefahr einer „Entmenschlichung“ und einer Überforderung der Kunden.
Ebenfalls problematisch sei die zunehmende Intransparenz: „Wir wissen nicht, wie die Algorithmen funktionieren.“ Dazu komme der erhöhte Wettbewerbsdruck – „Insurtechs geben die Dynamik vor.“ Versicherer müssten sich die Frage stellen, welche Technologie in zehn Jahren die richtige sein wird.
Auf die Zukunft der Versicherungsbranche und die Frage, welche Rolle generative Künstliche Intelligenz (GenAI) für Wandel und Innovation spielen kann, ging Martin Fenyoe, Director Market Unit Financial Services AT und CEE beim Strategieberater Zuehlke Engineering AG, ein.
Nicht in allen Bereichen sei es sinnvoll, KI einzusetzen, es brauche immer einen Use-Case und einen Mehrwert. Sinnvoll sei der Einsatz in der Schadenbearbeitung, dem Underwriting, im Kundenservice, der Betrugserkennung, aber auch der Produktentwicklung und der Tarifierung.
Das sei aber nur die Spitze des Eisbergs. Fenyoe: „Man kann viel mehr machen“, das Spielfeld sei „super, super groß“. Vor allem Insurtechs würden voll auf KI setzen und „das wird sicher noch mehr“.
Generative KI sei einer der wichtigsten Treiber für Effizienz und Innovation, so seine Conclusio. Das Potenzial sei nahezu unbegrenzt und reiche von der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle über die Revolutionierung des Kundenerlebnisses bis zu Wettbewerbsvorteilen.
Wie Digitalisierung auch im Schadenfall zur Verbesserung des Kundenerlebnisses beitragen kann, war Thema des Vortrags von Stephan Ehrenfeldner, Head of Market Management bei der Allianz Elementar Versicherungs AG.
Kunden, die digitale Lösungen nutzen, seien zufriedener, was auf die kürzere Schadenerledigungsdauer und die bessere Steuerung des Schadens zurückzuführen sei, von der sowohl Kunden als auch Versicherer profitieren, so Ehrenfeldner.
Verändert habe sich – insbesondere durch die Corona-Pandemie – auch das Kundenverhalten. So hätten 2019 erst sieben Prozent der Kunden bei Kfz-Schäden die Online-Meldestrecke seines Unternehmens genutzt, 2023 waren dies bereits 69 Prozent.
Dabei erfolge die Digitalisierung in allen Bereichen der Schadensabwicklung: von der Meldung über die Bearbeitung inklusive Bildanalyse und Schadenbewertung mittels KI, die Deckungsprüfung und Reparaturfreigabe bzw. Auszahlung bis hin zur Schadenschließung.
Zu den größten Herausforderungen für Versicherer zählt aktuell die Frage der Mitarbeitergewinnung. Wie auch in diesem Bereich Digitalisierung genutzt werden kann, erläuterte Isabel Riel, Leiterin Personalentwicklung Vertrieb Österreich bei der Wiener Städtischen Versicherung AG.
„Gute Mitarbeiter müssen entdeckt werden“, sagt Riel, und dabei würden soziale Netzwerke eine große Rolle spielen: Sie seien zu „mächtigen Instrumenten im Personalmanagement“ geworden.
So setze ihr Unternehmen beispielsweise Mitarbeiter als „Jobbotschafter“ in kurzen Videos auf Youtube ein, die „für ihren Job brennen“ und gerne darüber sprechen. In der Woche nach der ersten Schaltung habe man doppelt so viele Bewerbungen wie zuvor erhalten.
Aber auch ein „Jobgame“ für interessierte Jugendliche, in dem diese Eignung, Kompetenz und Interessen für eine Lehrausbildung online ausprobieren können, und eine „Digi Academy“, die auch arrivierte, digital affine Mitarbeiter abholen will, unterstützen die Mitarbeitergewinnung.
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