18.12.2024 – Christine Mayrhuber, seit April Vorsitzende der Alterssicherungskommission, sieht verschiedene Ansatzpunkte, um ein „breiteres Denken“ in der Altersfinanzierung anzustoßen. Dazu gehören frauenpolitische Maßnahmen, eine zielgruppengerechte Ansprache der Jugend und Änderungen an der „Abfertigung neu“, um diese besser nutzen zu können.
Die „Kommission zur langfristigen Finanzierung der Alterssicherungssysteme“, kurz „Alterssicherungskommission“ genannt, hat den gesetzlichen Auftrag zur Überwachung und Analyse der Entwicklung der gesetzlichen Pensionsversicherung als auch der Pensionen des öffentlichen Dienstes.
Das 2017 gegründete Gremium besteht aus 20 Mitgliedern und einem/einer Vorsitzenden.
Die Mitglieder werden von allen Sozialpartnern, dem Seniorenrat, der Bundesjugendvertretung, mehreren Bundesministerien, der Pensionsversicherungsanstalt, der Versicherungsanstalt für den öffentlichen Dienst, Eisenbahnen und Bergbau, dem Wirtschaftsforschungsinstitut und dem Institut für Höhere Studien entsandt.
Beigezogen werden weiters externe Experten aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und dem Arbeits- und Sozialrecht.
Im April 2024 wurde Christine Mayrhuber zur neuen Vorsitzenden bestellt.
Sie ist Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) mit den Forschungsschwerpunkten Arbeitsmarktökonomie, Einkommen und soziale Sicherheit, Einkommensentwicklung und -verteilung, Struktur und Finanzierung der Pensionsversicherung sowie Umverteilungswirkungen.
Mayrhuber ist auch stellvertretende Direktorin des Wifo.
Erst kürzlich, in der Sitzung Ende November 2024, hat die Alterssicherungskommission das „Mittelfristgutachten“ 2024–2029 für die Gebarung der gesetzlichen Pensionsversicherung und die Ausgaben für Beamtenpensionen beschlossen.
In derselben Sitzung wurde der Bericht für den Zeitraum 2023 bis 2070 „über die langfristige Entwicklung und Finanzierbarkeit der gesetzlichen Pensionsversicherung sowie der Pensionen der Beamten und Beamtinnen des Bundes, der Länder und der Gemeinden“, kurz „Langfristgutachten“ genannt, beschlossen.
In einem Interview mit uns nach dieser Sitzung nannte Mayrhuber drei Ansatzpunkte für ein breiteres Denken in der Altersfinanzierung. Wo gerade auch Versicherungsvermittler zur Bewusstseinsbildung, Kundenaufklärung und Beratung in finanzieller Vorsorge einiges beitragen können.
Mayrhuber bezeichnet den „Gender Gap“ bei den Frauenpensionen als „Spitze des Eisbergs“. Denn der Pensions-Gap ergebe sich aus einem Einkommens-Gap, einem Arbeits-Gap (in den Sorge- und den niedrig entlohnten Erwerbstätigkeiten), einem Bildungs-Gap und einem Gestaltungs-Gap.
Mayrhubers Forschungserkenntnis: Unser staatliches Alterssicherungssystem kann solch strukturelle Ungleichheiten nicht kompensieren, nur marginal abmildern.
„Stellschrauben“, wie die Ökonomin es nennt, zur Reduktion des Pensions-Gaps müssten daher „systemimmanente“ Veränderungen in der Pensionsversicherung sowie Gleichstellungsmaßnahmen in den Politikbereichen Bildung, Umverteilung und Arbeitsbewertung sein.
Da das aber Bohren dicker realpolitischer Bretter ist, spiele das Thema rechtzeitige Vorsorge gegen Altersarmut eine wichtige Rolle.
Die Finanzwelt arbeite mit viel „Fachsprache“ und setze die Kenntnis zahlreicher Fachbegriffe voraus. Und stößt damit oft auf wenig oder Unwissen; Stichwort (mangelnde) Finanzbildung – gerade bei den jungen Generationen.
Sie nennt ein praktisches Beispiel: Der junge Mensch mit einer schönen Summe aus einem reifen Bausparvertrag braucht einen Experten um sich zu informieren, was er nun mit dem Geld weiter tun könne: ein guter Ansatzpunkt, um mit praxisnaher Finanzaufklärung und individueller Beratung Wege für eine früh beginnende Eigenvorsorge aufzuzeigen.
Der Eintritt in eine Abfertigungskasse sei ebenfalls eine Ansatzmöglichkeit für Finanzbildung. Da die Arbeitgeber einzahlen, fehlt bei den Begünstigten – den Arbeitnehmern – oft das „Kümmern“, was mit dem Geld in der Abfertigungs-/Vorsorgekasse eigentlich geschieht.
Also wenn das System schon verpflichtend ist, wäre es auch im Sinne von Finanz- und Vermögensbildung, zu überlegen, wie man es besser nützen kann, meint Mayrhuber. Das beginnt damit, die Informationsschreiben der Abfertigungskassen an ihre Kunden besser zu nutzen – bis hin zu Verbesserungsbedarf in der Veranlagung.
Die derzeitigen Veranlagungsvorschriften seien (zu) restriktiv; mit mehr Spielraum wäre mehr Rendite möglich. Und da es das Recht auf Geld-Herausnahme schon vor Pensionsantritt gibt, passiere das bei schlechter Performance auch.
Laut Mayrhuber sind rund acht Milliarden Euro in Abfertigungskassen veranlagt. Das sei zwar nicht viel, „aber auch nicht nichts“ und am Kapitalmarkt eventuell besser anlegbar.
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