Versicherung im Wahlkampf

23.9.2024 – ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne, Neos: Das Thema „private Versicherung“ spielt in den Wahlprogrammen keine allzu große Rolle. Dennoch gibt es einige Vorschläge, die den Sektor betroffen – in manchen Programmen mehr, in anderen weniger. Die Bandbreite der Vorschläge ist dabei durchaus breit. Der Bogen spannt sich von der Förderung der zweiten und dritten Säule bis hin zu einem Provisionsverbot.

Nationalratssaal (Bild: Parlamentsdirektion/Thomas Topf)
Am Sonntag entscheidet sich die neue Zusammensetzung des Nationalrats (Bild: Parlamentsdirektion/Thomas Topd).

Am Sonntag wählt Österreich einen neuen Nationalrat. Die Wahlprogramme – wir haben uns in denen der fünf Parlamentsparteien umgesehen – sind teils recht umfangreich.

Das Thema Versicherung ist indes meist weniger präsent – und das mitunter auch nicht unbedingt „vorteilhaft“ für die Branche, namentlich im Bereich der Lebensversicherung. Auf der anderen Seite stehen Plädoyers für einen Ausbau der zweiten und dritten Säule.

Das Thema Naturkatastrophenversicherung wiederum wird von der Versicherungswirtschaft bekanntlich seit langem forciert. Beim Forcieren wird es in der nächsten Legislaturperiode wohl auch bleiben, zumindest, wenn man dem Wortlaut der Wahlprogramme folgt.

ÖVP: Höhe Zukunftssicherung, Steuermaßnahmen, Vorsorgedepot

Im ÖVP-Wahlprogramm steht unter dem Titel „In Zukunft mehr Vermögen“ (S. 31/32) unter anderem Folgendes:

„Der jährliche Freibetrag für Zuwendungen zur Zukunftssicherung (Ausgaben des Dienstgebers für Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen wie beispielsweise Prämienzahlungen für eine Lebensversicherung) soll von 300 Euro auf 1.200 Euro pro Jahr angehoben werden.

Wir wollen die Versicherungssteuer für Pensionskassen-Beiträge von 2,5 % auf 1,5 % senken.

Zudem soll der Veranlagungsfreibetrag von 730 Euro auf 1.500 Euro angehoben werden. Wer für junge Menschen vorsorgt, soll die Möglichkeit haben, auch sichere Wertpapiere im Namen von Kindern kaufen zu können (z.B. ETF-Sparpläne).

Mit der Einführung eines Vorsorgedepots durch Wiedereinführung der Behaltefrist bei Wertpapieren bei gleichzeitiger Stärkung des Kapitalmarkts und der Steuerbefreiung von Auszahlungen fördern wir die persönliche Vorsorge für den Lebensstandard der Zukunft.“

WERBUNG

Stärkung der zweiten und dritten Säule

Explizit auf die zweite und dritte Säule wird auf S. 158 Bezug genommen. Dort heißt es: „Während die Stärkung der zweiten Säule unter anderem im Rahmen der Kollektivverträge (betriebliche Vorsorge) erfolgen soll, wollen wir für Ausbau und Stärkung der dritten Säule (private Vorsorge) erreichen, dass steuerfreie Auszahlungen möglich werden.

Ein General-Pensionskassenvertrag soll künftig verhindern, dass nur Personen, deren Unternehmen einen Vertrag mit Pensionskassen haben, ihre Abfertigungen in Pensionskassen umwandeln können.“

Auf S. 152 werden Pflegeversicherungen erwähnt: „Finanzielle Entlastung bringt die steuerliche Anerkennung von Pflegeversicherungen: Prämienzahlungen für Pflegeversicherungen sollen steuermindernd geltend gemacht werden.“

Eine generelle Anmerkung gibt es zum Thema Diskriminierung (S. 159/160): „Wir sind gegen die Einführung von verpflichtenden Führerschein-Überprüfungen nur für ältere Menschen sowie gegen Diskriminierung aufgrund des Alters in Bank- und Versicherungsangelegenheiten.“

Rechtsschutzversicherung für Bürgermeister

Für Bürgermeister gibt es im ÖVP-Programm einen eigenen Punkt, der sich um Versicherungen dreht (S. 71): „Wir müssen das Amt des Bürgermeisters (bzw. der Bürgermeisterin) und das von Gemeindevertreterinnen und -vertreter durch administrative Entlastung und finanzielle Incentivierung wieder attraktiver gestalten.

Dazu gehört auch die Einführung einer staatlichen Rechtsschutzversicherung für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, um sie vor finanziellen Belastungen durch unfaire Praktiken zu schützen.“

SPÖ: Versicherungsfilialen vor Ort

Im SPÖ-Wahlprogramm gibt es ein Kapitel „Für ein schönes Leben im Alter“ (S. 102/103). Dort geht es unter anderem um die Verbesserung der örtlichen Infrastruktur.

„Auch Services der kritischen Infrastruktur müssen wieder verstärkt vor Ort angeboten werden. Dazu zählen Strom- und Gasanbieter, Banken, Geldausgabeautomaten und Versicherungen, die mit Filialen vertreten sein sollen, aber auch PostPartner, um Wege zu verkürzen und ein Versorgungsnetz mit hohem Serviceanspruch zu garantieren.“

Bekenntnis zum Umlagesystem, „sichere Pensionen“

Unter der Überschrift „Finanzielle Absicherung im Alter“ bekennt sich die SPÖ zum „öffentlichen, im Umlageverfahren organisierten Pensionssystem“. Dafür würden altersgerechte Arbeitsplätze und mehr betriebliche Gesundheitsförderung gebraucht.

Und weiter: „Das österreichische Pensionssystem ist krisensicher: Die Pensionsleistungen sind vom Kapitalmarkt unabhängig, gesetzlich festgeschrieben, transparent und sichern den Lebensstandard. Panikmache und das Schlechtreden (‚Kostenexplosion‘, ‚Pensionsloch‘, ‚Unfinanzierbarkeit‘) weist die SPÖ mit Nachdruck zurück.“

„Versprechen der SPÖ“

Im Abschnitt „Sichere Pensionen“ ist ein „Versprechen der SPÖ an die Österreicher*innen“ zu lesen: „Alte und Junge in der Pensionsdebatte gegeneinander auszuspielen ist ein fieser Trick, um Stimmung gegen ein solidarisches Umlagesystem zu machen – und eine perfide Art, um Menschen zu einer privaten Pensionsvorsorge zu drängen.

Die SPÖ verspricht: Die gesetzlichen Pensionen werden nicht gekürzt, das gesetzliche Pensionsantrittsalter wird nicht erhöht. Für alle, die Schwerarbeit leisten, soll der Zugang zur Schwerarbeitspension erleichtert werden.“

FPÖ: Förderung der betrieblichen und privaten Pensionsvorsorge

„Menschenwürdige Pension sicherstellen“ betitelt die FPÖ ein Kapitel, in dem sie unter anderem die „Förderung der betrieblichen und privaten Pensionsvorsorge“ befürwortet (S. 71).

„Um sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer zu ermutigen, über die gesetzliche Säule hinausgehende Altersvorsorge zu betreiben, bedarf es gezielter steuerlicher Anreize: Erhöhung des Freibetrages für Zukunftssicherungsmaßnahmen des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer, Senkung der Versicherungssteuer für Lebensversicherungen und Pensionskassen, Einführung eines gesperrten und steuerfreien Vorsorgedepots für die Altersvorsorge.“

Bei Bedarf Wahlarzt

In puncto Gesundheit plädiert die Partei für ein „Recht auf einen Wahlarzt im Bedarfsfall“ (S. 82). Das heißt: „Wenn eine Behandlung durch einen Kassenarzt nicht innerhalb zumutbarer Frist möglich ist, dann sollen bei dringendem Bedarf einer Behandlung die Kosten einer Wahlarztbehandlung durch die Sozialversicherung zu 100 Prozent ersetzt werden.“

Apropos Gesundheit: Im Abschnitt „Schutz unserer Gesundheitsdaten“ finden Versicherungsprämien Erwähnung. „‚Wearable-Technologien‘ wie ‚Fitness-Tracker‘ und ‚Smartwatches‘“ erhöben kontinuierlich Daten über die Gesundheit und Aktivitäten ihrer Nutzer.

Dies berge das Risiko eines missbräuchlichen Einsatzes. „Arbeitgeber könnten solche Daten nutzen, um Entscheidungen über Einstellungen oder Entlassungen zu treffen. Versicherungen könnten höhere Prämien für Personen verlangen, deren Daten auf ein ungesundes Verhalten hinweisen. An einem vollumfänglichen Datenschutz führt nichts vorbei. Die Nutzer müssen verstärkt für die Gefahren sensibilisiert werden.“

Rechtsanspruch auf Hilfe bei Naturkatastrophen

In Bezug auf Naturkatastrophen spricht sich die Partei für einen „Rechtsanspruch auf schnelle Hilfe und finanzielle Entschädigung im Katastrophenfall“ aus (S. 75).

Viele seien in den letzten Jahren Opfer von Naturkatastrophen geworden. „Ob Erdrutsch, Überflutung, Sturm oder Hagel: Der Staat steht in der Verantwortung, rasche Hilfe bereitzustellen und die entstandenen Schäden zu ersetzen. Ein Rechtsanspruch auf Hilfe und Schadenersatz soll daher unabhängig von der Dotierung allfälliger Katastrophenfonds oder sonstiger Hilfstöpfe eingeführt werden.“

Grüne: Provisionsprinzip bei Versicherungsvermittlung abschaffen

Im grünen Wahlprogramm taucht der Begriff Versicherung zum ersten Mal auf Seite 50 in der Überschrift „Provisionsprinzip bei Versicherungsvermittlung abschaffen“ auf.

Dort heißt es: „Wir setzen uns für Fairness bei Versicherungsgeschäften und Finanzdienstleistungen ein – besonders bei Lebensversicherungen. Denn da erleben viele nach jahrzehntelangen Einzahlungen ein böses Erwachen, wenn aufgrund undurchsichtiger Provisionen und Bearbeitungsgebühren weniger ausgezahlt wird als eingezahlt wurde. Vor allem Frauen nutzen Lebensversicherungen häufig als Pensionsvorsorge. Unsere Forderung, um solche Fälle zu verhindern: strenge Provisionsbeschränkungen und mehr Transparenz bereits bei Vertragsabschluss.“

Ersparnisse klimafreundlich investieren

Eine Forderung, die hinsichtlich der „Transparenz in der Finanzwirtschaft“ aufgestellt wird (S. 51): „Ersparnisse für die Zukunft gehören in klimafreundliche Maßnahmen investiert statt in fossile Brennstoffe. Wir engagieren uns dafür, dass Pensionsversicherungen und Vorsorgeprodukte schrittweise aus der Finanzierung von Kohle, Öl und Gas aussteigen. […]

Unser Ziel ist es, dass transparente Offenlegung und verpflichtende Transformationspläne zur Klimaneutralität die Finanzwirtschaft zur Rechenschaft ziehen – ganz nach dem Vorbild der Green Finance Alliance, die internationale Vorreiter-Initiative des Klimaschutzministeriums.“

Grünes Pensionsmodell auf zwei Säulen

Das Kapitel „Älter werden ohne Sorgen“ stellt das „Grüne Pensionsmodell“ vor (S. 91), das sich auf zwei Säulen stütze.

„Eine ist die Grundpension, die aus Steuergeldern finanziert wird, allen ab einem Alter von 65 Jahren zusteht und vor Altersarmut und sozialer Ausgrenzung schützt. Die andere ist eine zusätzliche Pension, basierend auf den während des Arbeitslebens eingezahlten Beiträgen, die bis zu einer Höchstpension gehen kann.“

Versicherung für Freiwillige, Verbraucherschutz im digitalen Raum

Im Bereich „Zivilgesellschaft“ unterstützen die Grünen „Versicherungsschutz im Freiwilligendienst“ (S. 67): „Ehrenamtliches Engagement birgt auch Risiken: Katastropheneinsätze sind gefährlich für die Helfer:innen, in der Freiwilligenarbeit allgemein kann es in vielen Bereichen zu Unfällen kommen. Daher fordern wir einen einheitlichen, subsidiären Versicherungsschutz für alle Freiwilligen und in allen Bundesländern, um sie bei ihrer wertvollen Tätigkeit abzusichern.“

Und auch die Grünen gehen auf Konsumentenschutz im Zusammenhang mit dem digitalen Raum ein (S. S. 59). Unter anderem ist dort zu lesen: „Wichtige Entscheidungen, wie z. B. über Kreditvergaben oder Abschlüsse von Versicherungsverträgen dürfen nicht allein von künstlicher Intelligenz getroffen werden. […]“

Neos: Stärkung betrieblicher und privater Vorsorgeangebote

Die Neos schreiben in ihrem Wahlprogramm im Kapitel „Pensionen“ (S. 7): „Damit für alle auch in Zukunft ein Altern in Würde leistbar ist, braucht es in Ergänzung zum öffentlichen Pensionssystem vor allem gestärkte betriebliche und private Vorsorge-Angebote.

Als Maßnahme gefordert wird: „Betriebliche Altersvorsorge für alle – Aktienpension mit Präventionsgutschriften für alle Dienstnehmer:innen einführen“.

Im Kapitel „Gesundheit“ (S. 8) möchte die Partei „freie Kassenwahl – die Pflichtversicherung schrittweise auf eine Versicherungspflicht umstellen“.

Kapitalmarkt: KESt, Aktienpension, „Abfertigung neu“ neu

Einen eigenen Abschnitt ist dem „Kapitalmarkt“ gewidmet (S. 21). Unter anderem hat Neos hier Folgendes vor:

  • „KESt auf Kursgewinne abschaffen – Spekulationsfrist von maximal einem Jahr wieder einführen und damit für langfristige Investor:innen die KESt auf Kursgewinne abschaffen“
  • „Einstieg in die Aktienpension – eine kapitalgedeckte dritte Säule für alle Erwerbstätigen einführen, bis zu 3.000 Euro pro Jahr sollen steuerbefreit auf einem Chancendepot veranlagt werden können“
  • „Abfertigung Neu neu denken – durch eine Reform der Abfertigung Neu Mitarbeiter:innen ihre Vorsorgekasse selbst aussuchen lassen, mit einer zu Beginn des Erwerbslebens höheren Aktienquote, die bis zum Auszahlungsdatum sukzessive abnimmt“
 
WERBUNG
Ihr Wissen und Ihre Meinung sind gefragt

Ihre Leserbriefe können für andere Leser eine wesentliche Ergänzung zu unserer Berichterstattung sein. Bitte schreiben Sie Ihre Kommentare unter den Artikel in das dafür vorgesehene Eingabefeld.

Die Redaktion freut sich auch über Hintergrund- und Insiderinformationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung unter dem Namen des Informanten bestimmt ist. Wir sichern unseren Lesern absolute Vertraulichkeit zu! Schreiben Sie bitte an redaktion@versicherungsjournal.at.

Allgemeine Pressemitteilungen erbitten wir an meldungen@versicherungsjournal.at.

Täglich bestens informiert!

Der VersicherungsJournal Newsletter informiert Sie von montags - freitags über alle wichtigen Themen der Branche.

Ihre Vorteile

  • Alle Artikel stammen aus unserer unabhängigen Redaktion
  • Die neuesten Stellenangebote
  • Interessante Leserbriefe

Jetzt kostenlos anmelden!

VersicherungsJournal in Social Media

Besuchen Sie das VersicherungsJournal auch in den sozialen Medien:

  • Facebook – Ausgewähltes für den Vertrieb
  • Twitter – alle Nachrichten von VersicherungsJournal.at
  • Xing News – Ausgewähltes zu Karriere und Unternehmen
Diese Artikel könnten Sie noch interessieren
20.11.2019 – Es fehlte nicht an klaren Ansagen: Städtische-Generaldirektor Robert Lasshofer, Versicherungsmakler-Vizeobmann Rudolf Mittendorfer und Erste-Vorstand Peter Bosek nahmen bei einer Diskussion zur Zinspolitik Stellung und sprachen über mögliche Auswege. mehr ...
 
20.12.2023 – Der dritte und letzte Teil des Jahresrückblicks mit Ereignissen von September bis Dezember. (Bild: Gerd Altmann auf Pixabay, Bearbeitung Lampert) mehr ...