Versicherer und Makler: Vertrauen, Spielregeln, Verhaltenskodizes

2.7.2024 – Über Digitalisierung, Regulierung, Kundenkommunikation wird in der Branche immer wieder gesprochen. Eine hochrangig besetzte Podiumsrunde in Velden diskutierte diese Themen unter dem Blickwinkel des Verhältnisses zwischen Maklern und Versicherern. Dabei kamen auch Knackpunkte zur Sprache.

Podiumsdiskussion im Casino Velden (v.l.n.r.): Fachverbandsobmann Christoph Berghammer, Stephan Korinek (FMA), Fachverbandsobmann-Stellvertreter Rudold Mittendorfer, Moderatorin Monika Hinteregger, Generali-Vertriebsvorstand Arno Schuchter, GVFW-Präsidentin und Ex-VIG-Vorstandschefin Elisabeth Stadler und Allianz-Vertriebsvorstand René Brandstötter (Bild: Lampert)
Podiumsdiskussion im Casino Velden (v.l.n.r.): Fachverbandsobmann Christoph Berghammer, Stephan Korinek (FMA), Fachverbandsobmann-Stellvertreter Rudold Mittendorfer, Moderatorin Monika Hinteregger, Generali-Vertriebsvorstand Arno Schuchter, GVFW-Präsidentin und Ex-VIG-Vorstandschefin Elisabeth Stadler und Allianz-Vertriebsvorstand René Brandstötter (Bild: Lampert). Zum Vergrößern Bild anklicken.

Das Zwischenmenschliche darf durch die Digitalisierung von Vertrieb und Kundenkontakt nicht ins Hintertreffen geraten, es ist „wichtig für unsere Branche“, sagte Christoph Berghammer, Obmann des Fachverband der Versicherungsmakler, beim diesjährigen Maklersymposion in Velden letzte Woche.

Arno Schuchter, an diesem Tag noch Vertriebsvorstand der Generali Versicherung AG, stimmte zu: Der persönliche Aspekt wird gebraucht, gerade in der Beratung. Auf der anderen Seite sei Digitalisierung bei Abläufen nützlich, wo das nicht so ist, insbesondere im Backoffice.

Und: Die Digitalisierung ermögliche es auch, dass Menschen an Prozessen teilhaben können, die sie ohne digitale Hilfsmittel nur eingeschränkt oder vielleicht gar nicht nutzen könnten.

Das bestreitet Berghammer auch nicht. Digitalisierung sei „mehr Segen als Fluch“. Trotzdem müsse man aufpassen, dass Menschen nicht „zwangsbeglückt“ werden, nur, um Kosten zu sparen.

Vieles digital schneller und günstiger

Grundsätzlich habe der Kunde regelmäßig die Wahl zwischen digitalem und persönlichem Kontakt, sagte Elisabeth Stadler, Präsidentin der Gesellschaft für Versicherungsfachwissen (GVFW).

Einen Vertrag abschließen, sich etwas erklären lassen – das erledige man gern von Angesicht zu Angesicht. Gerade in der Schadenabwicklung könne der digitale Weg für eine schnellere Erledigung bei geringeren Kosten sorgen.

Als Beispiele nannte sie das Einreichen gescannter Rechnungen in der Krankenversicherung oder die Meldung von Kfz-Schäden samt Fotodokumentation. Jeder Vermittler werde froh sein, wenn er solches nicht bearbeiten muss, meinte Stadler.

Schadenerledigung „nicht an uns vorbei“

„Wenn der Schaden ‚funktioniert‘!“, antwortete Berghammer und stellte die Schadenerledigung als ein zentrales „Produkt“ des Maklers heraus.

Im Schadenfall „will der Kunde den Kontakt zu uns“, betonte Berghammer. Das gelte besonders dann, wenn es um größere Schäden geht. Das schaffe auch Vertrauen.

Versicherungsmakler wollen nicht, dass die Schadenerledigung an ihnen vorbeigeht, stellte er fest. „Wir sind die Ansprechpartner für unsere Kunden.“

Maklerkompetenz in komplizierte Fälle investieren

Natürlich sei Maklerkompetenz besonders im Schadenfall gefragt, bekräftige Schuchter. Bei komplizierten Haftpflichtschäden etwa brauche der Kunde Unterstützung.

Es gebe aber auch Fälle, die kein Tätigwerden des Maklers erfordern. Schließlich werde ein Makler kaum wollen, dass ihm „täglich eine Schuhschachtel voller Apothekenrechnungen“ zur Bearbeitung ins Büro geliefert wird.

Schuchter verwies hier auf die Kooperation, die der Versicherungsverband (VVO) und die Apothekerkammer 2023 zur vereinfachten Einreichung von Rechnungen geschlossen haben (VersicherungsJournal 16.11.2023).

Solche Lösungen seien für alle drei Parteien – Kunden, Versicherer und Vermittler – ein Gewinn.

Kommunikationswege, Vertrauen und Misstrauen

„Da gibt ’s auch keine Diskussion über die Schadenhöhe“, reagierte Berghammer. Entscheidend sei, dass der Kontakt zum Versicherungsunternehmen „über uns geht“.

Dass auch dieser Weg digital gegangen werden kann, untermauerte er damit, dass es für diese Zwecke Apps bzw. Tools gebe, die von Maklergruppen zur Verfügung gestellt werden.

Es gebe, aufgrund entsprechender Erfahrungen, auch „Grund zum Misstrauen“, sagte Vize-Fachverbandsobmann Rudolf Mittendorfer.

Es gehe nicht an, wenn Versicherer den Kunden im Schadenfall ohne Wissen des Maklers „Deals“ anbieten – besonders bei Deckungsansprüchen, „die klar berechtigt sind“.

„Braucht klare Spielregeln“

René Brandstötter, Vertriebsvorstand der Allianz-Gruppe in Österreich, sagte dazu, notwendig seien „klare Spielregeln, die für beide Seiten transparent sind“. Seiner Ansicht nach ist das Misstrauen „großteils unbegründet“.

Solange aber Misstrauen bestehe, brauche man einen Verhaltenskodex. „Beide Seiten haben das Interesse, bestmöglichen Service für die Kunden zu leisten“, beteuerte Brandstötter.

Über das „Wie“ der Regulierung sprechen

Stephan Korinek, stellvertretender Bereichsleiter für Versicherungs- und Pensionskassenaufsicht in der Finanzmarktaufsicht (FMA), nahm zur Frage der Regulierung Stellung.

Digitalisierung führe zu neuen Risiken, hielt er fest. „Man kann leicht von Regulierungsstopp sprechen“, so Korinek. Aber: „Die Welt dreht sich weiter, deshalb gibt es immer wieder Neues zu regulieren.“

Aus rechtsstaatlicher Hinsicht hielte er es für wichtiger, über das „Wie“ der Regulierung zu diskutieren. Akzeptanz der Regulierung sei wichtig – und die hänge eben stark von der Art der Regulierung ab.

Nicht zu viel Liebe zum Detail

Ein größerer Detailgrad in der Regulierung bedeute auch nicht automatisch mehr Klarheit, fügte Korinek hinzu.

Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Vertriebstraditionen in Europa erachtet er es in Bezug auf die Wohlverhaltensregeln denn auch nicht als sinnvoll, allzu detaillierte Vorgaben zu machen. Sie seien außerdem ein Hemmnis für den Binnenmarkt.

Mittendorfer sieht die Verhältnismäßigkeit in der Regulierung nicht gewahrt, was sich beispielsweise am Umfang der Dokumente zeige: Eine Lebensversicherung, für deren Abschluss 65 Seiten Papier nötig sind – das sei nicht verhältnismäßig. „Da steigen auch die Kunden aus.“

Durch die rechtlich vorgegebenen administrativen Erfordernisse gehe „kostbare Beratungszeit“ verloren, „die der Kunde braucht“, so Mittendorfer. „Und das ist kontraproduktiv.“

Verhaltenskodex mit Fragezeichen

Auch die Versicherungsmakler seien an Digitalisierung interessiert, und sie wollen auch über das „Wie“ reden, sagte Berghammer. Einen Verhaltenskodex, der kein rechtlich verbindliches Fundament hat, lehnt der Fachverbandschef ab.

Schuchter sieht Verhaltenskodizes zwar als mögliches Mittel in Sondersituationen. Der Verhaltenskodex etwa, der im Zuge der Corona-Pandemie entstanden ist, habe gut funktioniert (VersicherungsJournal 17.4.2020, 10.9.2021).

Abseits dessen will sich Schuchter lieber darauf verlassen, dass der Markt regelnd wirkt und „bilaterale“ Lösungen gefunden werden. Man könne schließlich nicht alle Gesellschaft und alle Makler in dieselbe Schublade stecken, und es sei auch die Entscheidung der Makler, mit wem sie zusammenarbeiten.

Gesprächsbedarf

Mittendorfer wiederum erinnerte an die Gespräche, die über mehrere Jahre zwischen Versicherungsunternehmen und Fachverband im Zusammenhang mit Courtagevereinbarungen geführt wurden, die „teils wirklich katastrophal formuliert“ gewesen seien.

Er zeigte sich dankbar, „dass wir eine Fülle guter Lösungen gefunden haben“. Hier sei „Vertrauen erfüllt“ worden. Allerdings sieht Mittendorfer eben auch noch andere Baustellen – und wenn nötig, werde man auch darüber noch „viele Jahre gute Gespräche“ führen.

 
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