Startschuss für die „Spar- und Investitionsunion“

20.3.2025 – Breiterer Zugang zu renditestärkeren Vorsorge- und Anlageprodukten für Bürger, bessere Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen, „starke Mehr-Säulen-Rentensysteme“, eine Überprüfung des EbAV- und Pepp-Regelwerks, Förderung der Investitionen in strategische Ziele der EU: All das soll die „SIU“ bringen.

Maria Luís Albuquerque, EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen und die Spar- und Investitionsunion bei der Pressekonferenz am Mittwoch in Brüssel (Bild: Europäische Union, 2025)
Maria Luís Albuquerque, EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen und die Spar- und Investitionsunion bei der Pressekonferenz am Mittwoch in Brüssel (Bild: Europäische Union, 2025)

Es ist ein Arbeitsprogramm für die nächsten zwei Jahre, das die EU-Kommission abgesteckt hat: Am Mittwoch hat sie ihr Vorhaben für die bereits angekündigte „Spar- und Investitionsunion“ (SIU) vorgestellt. Es umfasst sowohl legislative als auch nicht-legislative Maßnahmen.

Die Kommission beschreibt die SIU als „eine Schlüsselinitiative zur effizienteren Kanalisierung von Sparvermögen in produktive Investitionen durch das EU-Finanzsystem“. Sie soll die Schaffung eines Finanzierungssystems unterstützen, mit dem Investitionen in strategische Ziele der EU gefördert werden.

Den Bürgern soll die SIU einen „breiteren Zugang zu den Kapitalmärkten“ samt besseren Renditechancen bringen, den Unternehmen „bessere Finanzierungsmöglichkeiten“, die ihrerseits die Realwirtschaft befeuern sollen.

Grundsätzlich hält die Kommission in ihrer Mitteilung fest: Auf EU-Ebene werden Maßnahmen erforderlich sein, um den Wettbewerb zu unterstützen und Kleinanlegern eine größere Auswahl an Produkten zu bieten, die deren Präferenzen in Bezug auf Altersvorsorge, Anlagen und Versicherung entsprechen.

EbAV, Pepp: Unerfüllt gebliebene Erwartungen

Einen Schwerpunkt der SIU bilden dementsprechend Zusatzrenten, nicht zuletzt angesichts der demographischen Entwicklung, wie in dem Papier betont wird. In manchen EU-Staaten gebe es bereits relativ entwickelte Zusatzrentensysteme – und es sei „kein Zufall“, dass dort auch die Kapitalmärkte weiter entwickelt seien.

Wie die Kommission einräumt, sind die derzeitigen EU-Rahmenregelungen für Zusatzrenten via Pensionsfonds sowie für das Paneuropäische Private Pensionsprodukt (Pepp) bislang „nicht sehr effektiv“ gewesen und Versuche, betriebliche und private Zusatzrenten auf grenzüberschreitender Basis zu fördern, weitgehend erfolglos geblieben.

Unsere Bemühungen zielen darauf ab, starke Mehr-Säulen-Rentensysteme zu schaffen, die neben den öffentlichen auch betriebliche und private Renten umfassen.

EU-Kommission

Dafür sieht die Kommission verschiedene Gründe: eine oft zu geringe Größe einzelner Anbieter, Marktfragmentierung, Regulierungen, die restriktiv sein können, hohe Gebühren und Kosten aufgrund unzureichender Skalierung, mangelnde Vertrautheit von Arbeitnehmern und -gebern mit Anbietern und Produkten und ein weiter unterentwickelter Markt für private Pensionsprodukte.

„Durch die Überprüfung der bestehenden Rahmen für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) und das europaweite private Altersvorsorgeprodukt (Pepp) wollen wir ihre Wirksamkeit und Attraktivität, einschließlich der grenzüberschreitenden Zugänglichkeit, verbessern“, erklärt die Kommission.

Automatische Einschreibung in Rentensysteme

Als ein weiteres wichtiges Element der SIU-Strategie führt die Kommission die „Förderung der automatischen Einschreibung in betriebliche Altersversorgungssysteme“ an.

Diese habe sich in einigen EU-Staaten bereits „als wirksames Mittel erwiesen“, um die Erwerbsquoten der Arbeitnehmer zu erhöhen und die Renditen für die Rentenempfänger zu erhöhen, „auch dank der Diversifizierung der Investitionen und einer größeren Skala von Pensionsfonds“.

Fördern will die Kommission auch Nutzung und bewährte Verfahren von „Renten-Dashboards“, die den Mitgliedstaaten einen besseren Überblick über die Nachhaltigkeit und Angemessenheit ihres Rentensystems geben.

Dasselbe gilt für „Renten-Tracking-Systeme“, mittels derer sich Bürger einen Überblick über ihr künftiges Renteneinkommen verschaffen können.

Europäisches Konzept für Spar- und Anlagekonten

Titelblatt der Mitteilung der Kommission (Quelle: EU-Kommission)
Die EU-Kommission stellt in der 20-seitigen Mitteilung
den Pfad für die Spar- und Investitionsunion vor
(Titelblatt; Quelle: EU-Kommission).
Web-Links zu den Dokumenten am Ende des Artikels.

Noch in einem weiteren Punkt will die Kommission an Erfahrungswerte aus einzelnen Mitgliedstaaten anknüpfen.

Es habe sich nämlich gezeigt, „dass Spar- und Anlagekonten das Potenzial haben, die Beteiligung von Kleinanlegern an den Kapitalmärkten zu erhöhen, insbesondere wenn diese Konten mit angemessenen Anreizen einhergehen“.

Deshalb soll im Rahmen der SIU ein europäisches Konzept für Spar- und Anlagekonten oder -produkte für Kleinanleger auf der Grundlage „bestehender nationaler bewährter Verfahren“ entwickelt werden, einschließlich Empfehlungen an die EU-Staaten zur steuerlichen Behandlung solcher Konten.

Bekenntnis zum Bürokratieabbau bekräftigt

Schon im Jänner hatte die Kommission davon gesprochen, den Bürokratieabbau anzugehen (VersicherungsJournal 30.1.2025). Das wurde nun abermals bekräftigt.

Vereinfachung und Verringerung des Verwaltungsaufwands seien bei der Umsetzung der SIU „von zentraler Bedeutung“. Die Kommission wolle beispielsweise bei den Verhandlungen über die Kleinanlagestrategie (RIS) „darauf achten, dass das Ergebnis den Regelungsaufwand minimiert“.

Auch mit den EU-Aufsichtsbehörden und den zuständigen nationalen Behörden wolle man zusammenarbeiten, „um die Vereinfachungsagenda umzusetzen“.

„Ganz allgemein wird die Kommission den Umsetzungsaufwand verringern und die Möglichkeiten der Überregulierung einschränken, insbesondere, indem sie Verordnungen anstelle von Richtlinien vorschlägt.“ Wenn Finanzmarktteilnehmer mehreren Regeln und Aufsichtsbehörden unterliegen, sei es „wichtig, unnötige Doppelarbeit zu vermeiden“.

Insurance Europe: SIU sorgfältig konzipieren

Der europäische Versicherer-Dachverband Insurance Europe begrüßte in einer Aussendung die nun bekanntgegebenen „Ambitionen der Kommission, eine SIU zu schaffen“. Dies sei ein wesentlicher Schritt hin zu einem wettbewerbsfähigeren Europa.

Die Steigerung der Ersparnisse der Privatkunden durch Versicherungsprodukte und die richtigen regulatorischen Bedingungen „werden Versicherern helfen, weiter zur SIU beizutragen“, heißt es in der Stellungnahme.

Die SIU biete Europa ein „neues Momentum“, sollte aber sorgfältig konzipiert sein, um Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen, so Insurance Europe.

GDV-Schumann: Kommission muss „größer denken“

Eine Stellungnahme lag am Mittwoch auch vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) vor – und er macht kein Hehl daraus, dass sich die Begeisterung über das vorgestellte Programm in Grenzen hält: Die Kommission bleibe deutlich hinter ihren eigenen Ansprüchen zurück.

„Die vorgestellten Maßnahmen wirken wie ein Geschenk mit schöner Schleife – doch wer es öffnet, findet wenig Inhalt“, meint Moritz Schumann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des GDV. Die Kommission müsse „größer denken, um den notwendigen Kapitalbedarf zu decken“.

„Tiefgreifendere Reformen statt kleinteiliger Maßnahmen“

Die EU-Kommission wolle zwar durch Anpassungen des Eigenkapital-Regelwerks Solvency II mehr Spielraum für langfristige Aktieninvestitionen schaffen, so der GDV. Das alleine reiche aber nicht aus, um den Finanzbedarf für Wirtschaft, Infrastruktur und Sicherheit zu decken.

„Ohne tiefgreifende Reformen“ bestünden Investitionshemmnisse weiter, Chancen zur Stärkung des Kapitalmarkts würden dann verspielt. „Stärkere Gläubigerrechte im Insolvenzrecht könnten das Investitionspotenzial aller Investoren erheblich steigern und grenzüberschreitende Kapitalflüsse in Europa spürbar ankurbeln.“

„Überfällig“ ist nach Ansicht des Verbandes ein „gründlicher Review-Prozess“ des Pepp. Bislang scheitere die Etablierung des Produkts an zu strikten Vorgaben und Details.

Steuervorteile können bei der Verbreitung europäischer Altersvorsorgeprodukte „eine zentrale Rolle spielen“, fügt der GDV hinzu. Da Steuererleichterungen auf europäischer Ebene aber kaum realisierbar seien, plädiert der Verband dafür, „nationale Steueranreize besser in EU-Initiativen zu integrieren“.

Der Fahrplan

Wie die SIU am Ende konkret aussieht, wird sich in den kommenden Monaten und Jahren herauskristallisieren. „Die in dieser Strategie vorgeschlagenen Maßnahmen werden demnächst in einem kontinuierlichen Dialog mit den Interessenträgern weiterentwickelt“, erläutert die Kommission.

Für 2025 stehen unter anderem die Kleinanlegerstrategie, die EbAV- und Pepp-Review, Spar- und Anlagekonten, Empfehlungen für die automatische Einschreibung und eine Finanzbildungsstrategie auf der Agenda.

Für das zweite Quartal 2027 plant die Kommission die Veröffentlichung einer „Halbzeitbilanz der allgemeinen Fortschritte“ bei der Verwirklichung der SIU.

Zum Herunterladen

Auf der Website der Kommission sind die Mitteilung zur Spar- und Investitionsunion, Fragen und Antworten sowie ein Informationsblatt abrufbar.

 
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