Regulierung: Schutz oder Kostenbelastung für Konsumenten?

12.2.2025 – Regularien werden immer komplexer, gleichzeitig aber weniger treffsicherer, waren sich die Gesprächsteilnehmer einig. Das führe nicht zu besserer Beratung, aber zu höheren Kosten für die Anleger. Kritisiert wurde auch, dass andere Branchen weniger stark reguliert seien.

Symbolfoto (Bild: Scott Graham auf Unsplash)
Symbolfoto (Bild: Scott Graham auf Unsplash)

Immer mehr Bürokratie zulasten der Privatanleger ortete Eric Samuiloff, Obmann der Fachgruppe Finanzdienstleister Wien in der WKO, bei einem Pressegespräch des Finanzjournalistenforums am Dienstag.

Überregulierung diene nicht automatisch dem Schutz des Privatanlegers, so Samuiloff. Er kritisiert „komplexe, jedoch damit nicht automatisch treffsichere Vorschriften in der Beratung“.

Dies sei aber keine Kritik an den Aufsichtsbehörden: „Die machen ihren Job.“ Vielmehr gehe es darum, eine europäische Entwicklung aufzuzeigen, die dazu führe, dass der Aufwand in der Beratung zu hoch wird.

Komplexer, aber nicht treffsicherer

In den letzten 20 Jahren seien die Regularien stetig komplexer, gleichzeitig aber weniger treffsicher geworden, betonte auch Günther Ritzinger, Experte für Wertpapieraufsicht und Compliance. Das mache ihm auf Makroebene Sorgen, weil es nicht zielführend sei.

Die Treffsicherheit sei dabei am Maßstab der Zielsetzung der Regularien zu beurteilen. Erstes Prinzip, das diese verfolgen, sei Anleger- bzw. Verbraucherschutz, dazu kommen Integrität und Stabilität der Finanzmärkte. Am Maßstab dieser Ziele werde die Treffsicherheit immer schlechter, so Ritzinger.

Außerdem nehme die Geschwindigkeit neuer Regularien ständig zu. Die Mischung dieser Faktoren führe zu einer immer angespannteren Situation bei Anbietern von Finanzdienstleistungen, was nicht zu besserer Anlageberatung, aber zu höheren Kosten für Anleger führe.

Bürokratie in jeder Phase der Beratung

Bereits im Onboarding-Prozess bei der Beratung bzw. Vermittlung beginne die Bürokratie. Es gebe „wahnsinnig viele Formulare und Fragestellungen“, die bei der Beratung von Neukunden zu beachten sind, betont Samuiloff.

Allein für eine Wertpapierdepoteröffnung für die fondsgebundene Lebensversicherung seien dies 40 bis 45 Seiten, deren Kenntnisnahme vom Kunden unterschrieben werden muss. Es stelle sich die Frage, ob die Beratung dadurch besser wird.

Probleme gebe es auch in der laufenden Betreuung. Samuiloff nennt als Beispiel die Atomkraft, die nun plötzlich als nachhaltig gelte: Hier stelle sich für den Berater die Frage: „Wie erkläre ich das meinem Kunden?“ Aufwendig sei auch die laufende Prüfung politisch exponierter Personen.

Eine weitere Herausforderung könne der Wechsel einer Bankverbindung darstellen. Denn für die neue Bank handle es sich um einen Neukunden, der Prüfungsprozess beginne von vorne, und es sei möglich, dass die Mittelherkunft auch über einen sehr langen Zeitraum nachgewiesen werden muss.

Informationspflichten, Geldwäsche und mehr

Auf die vorvertraglichen Informationspflichten ging dann Ritzinger ein. Der Gesetzgeber wolle den Anleger auf eine wohlinformierte Basis stellen, doch dies funktioniere nicht: Das Paket an Unterlagen umfasse bis zu 150 Seiten. „Wie viele Verbraucher lesen die Dokumente?“, fragt Ritzinger.

Was den Geldwäschebereich und die Überprüfung der Mittelherkunft betrifft, gebe es angesichts der heuer auf die Republik zukommenden Prüfung der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) Befürchtungen, dass Österreich auf die „graue Liste“ kommt, so Veranstalter Martin Kwauka.

Teilnehmer am Finanzmarkt lebten in einer „Angstkultur“ und seien in vorauseilendem Gehorsam so streng wie möglich, um ja keinen Fehler zu machen. Kwauka kritisiert in diesem Zusammenhang auch die „sehr allgemeinen Regeln“ der Finanzmarktaufsicht, weshalb Rechtssicherheit fehle.

Ritzinger weist dabei auch auf eine „gewisse Schieflage“ hin: Andere Branchen, wie Immobilienwirtschaft oder Gastronomie, die teilweise geldwäschegefährdeter seien, müssten weniger Regularien einhalten als Finanzdienstleister.

Ansätze zur Problemlösung

Grundsätzlich seien viele Vorschriften sinnvoll, so Ritzinger. Und: „Wir Menschen brauchen Regulierung.“ Es gehe allerdings um die Verhältnismäßigkeit, betont Samuiloff.

Um die ausufernde Bürokratie in den Griff zu bekommen, sei es nötig, regulatorische Techniken zu überdenken, sagt Ritzinger. Wenn sie ins Leere gehen und nicht zielführend sind, müssten sie vereinfacht werden.

Auch solle man überdenken, was die Aufsicht können soll. Der Gesetzgeber lasse in vielen Bereichen, so auch bei Dora, Verhältnismäßigkeitsgrundsätze zu; es sei zu hoffen, dass die Aufsichtsbehörden dies in ihrer Interpretation berücksichtigen.

Vor allem aber müsse man in Österreich das Übel an der Wurzel packen, so Ritzinger: Es gehe um mehr und frühere Finanzbildung, um die Bevölkerung kapitalmarkttauglich zu machen. Wichtig wären nicht finanzmathematische Details, sondern eine Stärkung des Grundlagenwissens.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Fondspolicen · Immobilie · Lebensversicherung · Versicherungsaufsicht
 
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