14.6.2024 – Der Rat hat seinen Entwurf für die finalen Verhandlungen zur Kleinanlegerstrategie vorgelegt. Unter anderem ändert er die bereits vom Parlament geänderte Provisionsregelung nochmals ab. Reaktionen von Branchenverbänden der deutschen Nachbarn werten diese Fassung als Bestätigung für das Provisionssystem. Kritik gibt es dagegen an angedachten Regeln, die Interessenkonflikte hintanhalten sollen: Befürchtet wird zusätzliche Bürokratie.
Der EU-Ministerrat hat am Mittwoch seine Position für die Kleinanlegerstrategie („Retail Investment Strategy“, RIS) fixiert und einige Änderungen am ursprünglichen Entwurf der Kommission (VersicherungsJournal 25.5.2023) vorgenommen.
Das betrifft insbesondere die umstrittenen Passagen über die (Un-)Zulässigkeit von Provisionen beim Verkauf von Versicherungsanlageprodukten (IBIP).
Das EU-Parlament hatte in seiner Fassung bereits die von der Kommission angedachten Provisionsverbote im beratungsfreien Vertrieb gestrichen (VersicherungsJournal 24.4.2024). Dem ist der Rat nun gefolgt.
Zudem haben die im Kommissionsentwurf formulierten Provisionsverbote bei unabhängiger IBIP-Beratung – die das Parlament ebenfalls schon geändert hatte – nun nochmals eine Änderung erfahren.
Die Kommission hatte ja ursprünglich vorgeschlagen, dass der Vermittler im Falle ungebundener Beratung „für die Erbringung der Dienstleistung an die Kunden keine Gebühren, Provisionen oder andere monetäre und nichtmonetäre Vorteile einer dritten Partei oder einer Person, die im Namen einer dritten Partei handelt, annimmt und behält.“
Der – derzeit nur auf Englisch vorliegende – Entwurf des Rats sieht vor, dass der auf unabhängiger Basis beratende Vermittler von den oben Genannten keine Anreize („Inducements“) annehmen oder behalten darf.
Diese Bestimmung hindere Versicherungsvermittler, die nicht bei einem Versicherungsunternehmen angestellt oder vertraglich an dieses gebunden sind, aber Anreize von diesem erhalten und in den Anwendungsbereich von Artikel 29a fallen, nicht daran, „sich als nicht vertraglich an ein bestimmtes Versicherungsunternehmen gebunden darzustellen“.
Entwurf der Kommission (2023) | Entwurf des Parlaments (2024) | Entwurf des Rats (2024)* |
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* Seite 166 im Entwurf. – Quellen: EUR-Lex, EU-Parlament, EU-Rat. | ||
Artikel 30 Absatz 5b Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein Versicherungsvermittler oder ein Versicherungsunternehmen, der bzw. das Versicherungsanlageprodukte vertreibt, wenn er bzw. es Kunden mitteilt, dass die Beratung ungebunden erfolgt, der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen […] b) für die Erbringung der Dienstleistung an die Kunden keine Gebühren, Provisionen oder andere monetäre und nichtmonetäre Vorteile einer dritten Partei oder einer Person, die im Namen einer dritten Partei handelt, annimmt und behält. | Artikel 29a Absatz 4a Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein Versicherungsvermittler oder ein Versicherungsunternehmen, der bzw. das Versicherungsanlageprodukte vertreibt, wenn er bzw. es dem Kunden mitteilt, dass die Beratung ungebunden erfolgt, […] b) für die Erbringung der Dienstleistung an die Kunden keine Gebühren, Provisionen oder andere monetäre und nichtmonetäre Vorteile einer dritten Partei oder einer Person, die im Namen einer dritten Partei handelt, annimmt und behält. Dieser Absatz hindert Versicherungsvermittler, die aufgrund ihres Rechtsstatus als unabhängig eingestuft werden, nicht daran, sich als nicht vertraglich an ein bestimmtes Versicherungsunternehmen gebunden darzustellen, wenn sie darauf hinweisen, dass sie Anreize erhalten. (Englisch: „This paragraph shall not prevent insurance intermediaries whose legal status qualifies them as independent, from presenting themselves as not contractually tied to a specific insurance undertaking if they indicate that they receive inducements.“)
| Artikel 30 Abs. 5b Member States shall require that, where an insurance intermediary distributing insurancebased investment products informs the customer that advice is given on an independent basis, the insurance intermediary: […] (b) not accept and retain inducements paid or provided by any third party or a person acting on behalf of a third party in relation to the provision of the service to customers. This paragraph shall not prevent insurance intermediaries that are not employed by or contractually tied to an insurance undertaking, but receive inducements from the insurance undertaking and that fall within the scope of Article 29a, from presenting themselves as not contractually tied to a specific insurance undertaking. |
Der Fachverband der Versicherungsmakler hatte bereits die Formulierung des EU-Parlaments erfreut aufgenommen (VersicherungsJournal 24.4.2024).
Sie bedeute eine „Klarstellung“ bezeichnet, „dass jeder Versicherungsvermittler – auch der Makler – das Wahlrecht haben soll, sich als ‚abhängig‘ zu deklarieren und damit Provision lukrieren zu können oder dem Kunden gegenüber als ‚unabhängig‘ aufzutreten, wodurch ausschließlich ein Honoraranspruch gegenüber dem Kunden möglich ist“.
Am Donnerstag lagen Reaktionen deutscher Branchenverbände vor, die die nun vom Rat gewählte Formulierung ebenfalls positiv bewerten.
„Nach dem EU-Parlament hat damit nun auch der Rat die Relevanz verschiedener Vergütungssysteme im Vertrieb von Finanzanlageprodukten bestätigt“, kommentierte Moritz Schumann, stellvertretender Hautgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), am Donnerstag den Ratsentwurf.
Ähnlich Frank Rottenbacher, Vorstand des AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung: „Wir begrüßen diese Klarstellung ausdrücklich.“ Nach dem Parlament haben nun auch der Rat „eine entsprechende Formulierung in die politische Diskussion eingebracht, die deutlich macht, dass Versicherungsmakler nicht von einem Provisionsverbot betroffen wären“.
Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), Michael H. Heinz hielt fest, für den BVK sei „wichtig, dass es nach diesem Votum Versicherungsmaklern in Deutschland weiterhin möglich sein wird, ihre Existenz auf der Basis von Courtagen zu sichern, ohne dass ihr unabhängiger Status in Frage gestellt wird. Das ist ausgesprochen positiv.“
Im Zusammenhang mit der Vergütung hat der Rat noch weitere Änderungen in seinen Text aufgenommen. „Um die Vorbeugung vor potenziellen Interessenkonflikten zu stärken“, habe man diesbezügliche Schutzmechanismen ausgebaut. Der Rat spricht hier
Weiters sollen sogenannte übergreifende Grundsätze („overarching principles“) zu beachten sein, wenn „Inducements“ fließen – siehe Kasten unten.
Unter anderem soll damit etwa sichergestellt werden, dass die Anreize im Verhältnis zum Wert des Produkts und der erbrachten Dienstleistung stehen und dass Anreize nicht dazu führen, ihretwegen bestimmte Produkte zu bevorzugen.
Quelle: EU-Rat (Seite 152 im Entwurf) |
Member States shall ensure that insurance intermediaries and insurance undertakings paying or receiving inducements comply with the following overarching principles: (a) Inducements do not provide an incentive to the insurance intermediary or insurance undertakings to offer or recommend a particular insurance-based investment product or service over others to the customer; (b) The level of inducements paid or accepted and retained is proportional to the value of the insurance-based investment product and the level of service provided to the relevant customer; (c) Inducements paid to or accepted and retained by entities belonging to the same group are treated in the same way as inducements paid to or accepted and retained from other entities; (d) Inducements accepted and retained do not directly benefit the insurance intermediary or insurance undertaking, and where relevant, its shareholders or employees without tangible benefit to the customer. Insurance intermediaries and insurance undertakings shall explain in their inducements policy or procedures how they comply with the overarching principles. |
Diese Vorschläge stießen bei den deutschen Branchenvertretern auf Kritik. Aus Sicht der Versicherer, heißt es aus dem GDV, bedeuten sie zusätzliche Bürokratie, die keinen adäquaten Nutzen bringe.
Der BVK fürchtet „künftig höhere Hürden für die Vermittlung von Anlageprodukten“, etwa in Gestalt einer Prüfung des Preis-Leistung-Verhältnisses – Stichwort „Value for Money“ – oder ausgedehnterer Transparenzpflichten.
„Das Konzept des Value for Money und von Geeignetheitsmaßstäben (Benchmarks) wird die Vermittlung von Anlageprodukten zusätzlich verkomplizieren, obwohl Kunden in der täglichen Anlageberatung schon jetzt über die Informationsflut stöhnen“, so BVK-Chef Heinz.
Mit dem nun vorliegenden Entwurf sei der Weg für die interinstitutionellen Verhandlungen geebnet, stellt der Rat fest. Nun liegt es an Rat und Parlament, sich – im „Trilog“ begleitet von der Kommission – auf die finale Fassung zu verständigen.
Eine politische Einigung könnte noch im Lauf des Jahres 2024 erreicht werden.
Das Verhandlungsmandat des Rats kann als PDF-Dokument von der Website des Rats heruntergeladen werden.
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