KI als Gamechanger, Regulatorik als Bremser für Versicherungen?

9.10.2024 – Globale Technologieunternehmen werden in den nächsten Jahren die wichtigsten Konkurrenten am digitalen Finanzmarkt sein, erwarten die Teilnehmer der Aufsichtskonferenz der FMA. Deshalb seien gleiche Rahmenbedingungen für alle nötig und die Regulatorik dürfe nicht überborden, so der Sukkus einer prominent besetzten Diskussionsrunde aus Vertretern der Finanzwirtschaft und der Aufsicht.

Expertendiskussion zu KI und Digitalisierung bei der Aufsichtskonferenz der FMA (Bild: VJ)
Expertendiskussion zu KI und Digitalisierung bei der Aufsichtskonferenz der FMA. V.l.n.r. Franz Rudorfer (WKO), Ralph Müller (Wiener Städtische), Stanislava Saria (FMA), Moderator Peter Braumüller (FMA), Wolfgang Rosenkranz (CERT) und Roland Supper (Erste Group) (Bild: VJ).

Ein thematischer Schwerpunkt der diesjährigen Aufsichtskonferenz der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) lag auf der Digitalisierung der Finanzwelt, von der IT- und Cybersicherheit bis hin zur Künstlichen Intelligenz.

Die beiden FMA-Vorstände Helmut Ettl und Eduard Müller betonten einleitend, dass der „digitale Wandel nicht nur als Bedrohung gesehen, sondern auch als Chance verstanden werden muss“.

Um mit den Entwicklungen auf den Märkten Schritt zu halten und Effizienz und Effektivität der Aufsicht zu erhöhen, setze die heimische Aufsicht gemäß ihrem Konzept einer „Data Driven Supervision“ bereits heute neue digitale Tools ein, so der FMA-Vorstand.

Sorge vor den globalen „Big Techs“

Unter dem Titel „Digital Finance Landscape – AIA, DORA, FIDA & Co“ diskutierte dann eine prominent besetzte Expertenrunde über aktuelle Herausforderungen, aber auch – gemäß dem Motto der diesjährigen Konferenz „Chancen sehen – Risiken verstehen“ – über neue Möglichkeiten.

Begriffe

AIA

Artificial Intelligence Act der EU, der den Umgang mit Künstlicher Intelligenz in Forschung und Wirtschaft reglementieren soll

DORA

Digital Operational Resilience Act, die EU-Verordnung über die digitale operationale Resilienz im Finanzsektor

FiDA

Financial Data Access, geplante Regelung der Europäischen Union zur Schaffung eines einheitlichen „Open Finance“-Raums

Einleitend präsentierte Moderator Peter Braumüller, Bereichsleiter der Versicherungs- und Pensionskassenaufsicht in der FMA, die Ergebnisse einer Umfrage unter den Konferenzteilnehmern, wo diese in den kommenden drei Jahren die größten Konkurrenten am digitalen Finanzmarkt sehen.

68 Prozent erwarten demnach Konkurrenz durch globale Technologieunternehmen – 2019, als dieselbe Frage gestellt wurde, waren das erst 24 Prozent. Mit anderen Finanzmarktteilnehmern rechnen 22 Prozent (2019: 49 Prozent), mit Startups nur knapp zehn Prozent (2019: rund 27 Prozent).

Gleiche Rahmenbedingungen für alle gefordert

Grund dafür, dass die „Big Techs“ heute so weit vorne liegen, seien die Rahmenbedingungen, so Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer Österreich.

Er fordert ein „Level playing field“, dann müssten sich Banken und Versicherungen nicht mehr fürchten. Und es dürfe keine „Einbahnstraße der Daten“ geben, sondern „Gegenverkehr“. Schließlich seien auch überzogene Regulierung und Bürokratie zu vermeiden.

Was die anderen Marktteilnehmer betrifft, solle man dies „sportlich sehen“, so Rudorfer. Konkurrenz sei eine Herausforderung, an sich selbst zu arbeiten. Und die Fintechs seien in den letzten fünf Jahren zu Partnern geworden.

Digitalisierung sei in erster Linie als Dienstleistung für Kunden zu verstehen; dies hätten Banken und Versicherungen frühzeitig erkannt und Digitalisierung in ihr Geschäftsmodell integriert.

Europa nur bei Regulatorik an der Spitze

Als „besondere Herausforderung“ sieht Ralph Müller, CEO der Wiener Städtischen Versicherung AG, Künstliche Intelligenz. Noch sei ihr Einsatz kein „allzu großer Wettbewerbsvorteil für Versicherer“, dies könne in wenigen Jahren aber schon anders sein: „KI ist wahrscheinlich ein Gamechanger.“

Gleichzeitig habe Künstliche Intelligenz aber auch etwas von einem Hype, so Müller; entscheidend sei deshalb die „richtige Einordnung“. In Österreich seien die Versicherungen im internationalen Vergleich „gut mit dabei“.

Allerdings dürfe nicht übersehen werden, dass Europa, was Digitalisierung betrifft, gegenüber den USA und China „drei, vier, fünf Jahre hinten“ ist. Nur bei der Regulatorik sei Europa vorne, so viel gebe es sonst nirgends auf der Welt.

„Dunkle Seite“ profitiert von KI

Wolfgang Rosenkranz, Teamleiter bei der CERT.at GmbH, dem nationalen österreichischen Computer Emergency Response Team, ging auf die Gefahren ein, wenn Künstliche Intelligenz von Cyberkriminellen verwendet wird.

KI sei nämlich „ganz stark“ darin, Menschen zu imitieren. Angreifer würden durch ihren Einsatz glaubhafter und könnten Menschen leichter austricksen. „Das haben die Techniker verbockt“, so Müller, denn sie hätten die Technik so sicher gemacht, dass der Mensch das schwächste Glied wurde.

Zwar dürfe man nicht alles negativ sehen, KI könne sehr große Datenmenge analysieren und so bei der Feststellung von Angriffen helfen. Dennoch fürchtet er aber, dass „KI der dunklen Seite etwas mehr nützt“.

Dass Finanzinstitute für Hacker attraktiv sind, sieht auch Stanislava Saria, Abteilungsleiterin in der FMA. Die Unternehmen seien bei der DORA-Umsetzung auf dem richtigen Weg, auch wenn es große Unterschiede gebe. Eine große Herausforderung seien aber die Vorgaben für das Risikomanagement.

Absolut transparent und nachvollziehbar

Auch für Roland Supper, Group Chief Security Officer der Erste Group Bank AG, ist KI ein „Gamechanger in vielen Bereichen“. Für Banken, die auf einem „Datenschatz sitzen“, sei sie aber vor allem eine große Chance.

Gleichzeitig bedeute dies aber, dass Datenschutz und Datensicherheit an vorderster Stelle stehen müssen, sämtliche Entscheidungen der Künstlichen Intelligenz müssten „absolut transparent und nachvollziehbar“ sein. Und schließlich sei auch Ethik ein wichtiger Aspekt.

Größter Punkt bei der Implementierung von KI sei der Kulturwandel im Unternehmen. Den Mitarbeitern könne man die Angst nehmen, indem man ihnen ein Grundverständnis vermittelt. Und es brauche eine „eingebettete Governance“.

Sicherheit und Vertrauen wesentlich

Die AI-Regulierung der EU komme nicht überraschend, Banken und Versicherungen seien eine Vielzahl von Vorgaben gewohnt, so Supper. Das habe aber den Vorteil, dass man auf Vielem aufbauen könne: „Wir starten nicht von null“.

Eine extreme Herausforderung sieht er aber durch DORA. Gerade im Bereich der IKT (Informations- und Kommunikationstechnik), die seit vielen Jahren ein Outsourcing-Regime sei, werde man die gesamte Wertschöpfungskette anschauen müssen.

Angesichts von Angriffen auf Sicherheitsproduktehersteller gehe es um die Frage, wie man damit umgeht, „wenn die, die uns schützen sollen, das nicht mehr können“, ergänzt Rosenkranz.

Rudorfer richtet in diesem Zusammenhang den Fokus auf den Kunden. Dabei sei Sicherheit zentral: „Wenn wir Sicherheit und Vertrauen sicherstellen, dann haben wir einen wesentlichen Baustein geschafft.“

FIDA: unnötig und teuer?

Auf wenig Gegenliebe bei den Diskutanten stößt die FIDA-Initiative der EU. „Die Versicherungsbranche braucht FIDA nicht“, sagt Müller, es handle sich um eine „völlig unnötige Initiative“, ein starker Eingriff in den Markt, der extrem hohe Kosten verursacht.

„Wenn wir Pech haben, dann öffnet das den Markt für die großen internationalen Anbieter“, so Müller. Und Rosenkranz ergänzt, dass Daten, die einmal versandt wurden, nicht mehr zurückgeholt werden können: „Es gibt keine Fernlöschung“.

Auch Supper warnt vor dem immensen Aufwand, der durch FIDA drohe: „Den Mehrwert von FIDA müssen wir noch diskutieren.“ Sorgen macht er sich auch über den zeitlichen Rahmen, der zur Umsetzung zur Verfügung stehen wird.

Rudorfer schließlich gibt zu bedenken, „dass wir mit FIDA den Abstand zu China und den USA nicht aufholen werden“. Wichtig wäre es, Regulierung proportional zu machen und nicht für jedes Thema eine granulare Regulierung zu schaffen, die nicht mit den anderen agiert.

Schlagwörter zu diesem Artikel
Digitalisierung · Fintech · Marktforschung · Mitarbeiter · Pensionskasse · Versicherungsaufsicht
 
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